Frage an Olaf Scholz von Wolfgang R. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Minister Scholz,
Norbert Blüm hatte einmal postuliert: „Die Rente ist sicher“. Hat sich die SPD jetzt davon im Rahmen des geänderten Versorgungsausgleiches verabschiedend?
Im Laufe einer typischen Erwerbslaufbahn hat der Mann während der Ehezeit 40 Rentenpunkte mehr als die Gattin erworben und zusätzlich einen Anspruch auf eine Betriebsrente von 800 €. Er ist älter als die Frau und geht 10 Jahre früher in Rente als sie. Hält die Ehe, erhalten sie (hoffentlich) die Rente entsprechend ihren Einzahlungen. Wird die Ehe zum Zeitpunkt des Renteneintritts des Mannes geschieden, so bekommt er sofort eine um 20 Rentenpunkte geminderte gesetzliche Rente und die halbierte Betriebsrente. Da der Ausgleich für die Frau erst bei ihrem Renteneintritt erfolgt, entsteht für die geschiedenen Personen eine Rentenminderung von 10a X 12Mon X 20P X 27,20 €/P = 65.280 € bei der gesetzlichen Rente und 48.000 € in der Betriebsrente.
Behaupten Sie, das trotz der Rentenminderung um 113.280 € für die getrennt lebenden Menschen, die Rente sicher ist? Wenn ich kein Gedankenfehler gemacht habe, ist das für mich Willkür, welche hauptsächlich die SPD zu verantworten hat, Harz IV lässt grüßen!
Mit freundlichem Gruß,
Wolfgang Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Hierin sprechen Sie die im Rahmen der Strukturreform des Versorgungsausgleichs vorgenommene Abschaffung des so genannten „Rentnerprivilegs“ an. Dieses besagte bislang, dass die Rente des beim Versorgungsausgleich abgabepflichtigen Ehegatten, die bereits bei der Scheidung gezahlt wurde, nicht schon mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde, sondern erst ab dem Zeitpunkt, zu dem auch die Rente des anderen – vom Versorgungsausgleich begünstigten Ehegatten – begonnen hat.
Diese Änderung wurde vorgenommen, da dieses „Rentnerprivileg“ eine Ausnahme von dem den Versorgungsausgleich ansonsten prägenden Grundsatz darstellt, dass mit der Scheidung und dem Versorgungsausgleich die Anrechte der Ehegatten endgültig und sofort ausgeglichen werden. Zudem wurde hierdurch bislang insbesondere die gesetzliche Rentenversicherung belastet, da trotz Durchführung des Versorgungsausgleichs der Ausgleichsverpflichtete zumindest vorübergehend so behandelt wurde, als ob kein Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Angesichts der schon jetzt und auch künftig bestehenden Härtefallregelung, wonach die Rente des Ausgleichsverpflichteten nicht (vollständig) gekürzt wird, wenn er gegenüber dem Ausgleichsberechtigten nach allgemeinem Unterhaltsrecht unterhaltsverpflichtet ist, sind im Übrigen die Regelungen zum „Rentnerprivileg“ aus sozialrechtlicher Sicht nicht mehr unbedingt erforderlich. Ein weiterer Grund für die Abschaffung dieser Regelung, die im Übrigen auch nur eine eher untergeordnete Anzahl von Versicherten betraf, da Scheidungen im Regelfall vor Erreichen des Rentenalters erfolgen, war, dass die Anwendung dieses Privilegs wegen der Abhängigkeit vom Rentenbeginn des Ausgleichsverpflichteten oft von Zufälligkeiten abhing und zudem anfällig gegen Manipulationen (Stellung des Scheidungsantrags in Abhängigkeit vom Rentenbeginn) war.
Nicht zuletzt zu berücksichtigen ist, dass das „Rentnerprivileg“ in seiner bisherigen Form bei Verwirklichung der Neugestaltung des Versorgungsausgleichs ohnehin nicht hätte aufrecht erhalten werden können, denn das „Rentnerprivileg“ nach bisherigem Recht setzt voraus, dass es nur einen Ausgleichsverpflichteten (derjenige, der im Saldo die höheren Anrechte hat) und auch nur einen Ausgleichsberechtigten (derjenige, der im Saldo die geringeren Anrechte hat) gibt. Hieraus resultierte bislang der Einmalausgleich, d. h. der Versorgungsausgleich fand nur „in einer Richtung“ statt. Das „Rentnerprivileg“ begünstigte hiernach den (einen) Ausgleichsverpflichteten.
Nach dem neuen Recht gibt es jedoch künftig nicht mehr unbedingt nur einen Ausgleichsverpflichteten und einen Ausgleichsberechtigten. Da künftig jedes Anrecht isoliert geteilt wird, kann es sein, dass ein und dieselbe Person hinsichtlich eines Anrechts ausgleichsverpflichtet ist (also abgeben muss), hinsichtlich eines anderen Anrechts aber ausgleichsberechtigt ist (also Anrechte erhält). Die Beibehaltung des wesentlichen Regelungsgehalts des bisherigen „Rentnerprivilegs“ wäre somit nur unter Inkaufnahme einer erheblichen Verkomplizierung des Versorgungsausgleichs möglich gewesen und hätte damit in erkennbarem Widerspruch zu einem der Grundanliegen der Neugestaltung des Versorgungsausgleichs gestanden, diesen nämlich einfacher und damit insbesondere für die Betroffenen transparenter zu machen.
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Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz