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Frage von Karl L. •

Frage an Olaf Scholz von Karl L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Scholz,
nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, nach dem EU-Bürger nach nur wenigen Monaten Arbeit in der Bundesrepublik Anspruch auf Hartz 4 -Leistungen haben, obwohl sie nicht in Deutschland leben, möchte ich gerne wissen, wie eine Flut von zukünftigen Sozialleistungsempfängern verhindert werden kann. Mit diesem Urteil ist dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet. Niemand kann kontrollieren, wie die Vermögensverhältnisse des Berechtigten in seinem Heimatland sind. Niemand kann kontrollieren, ob und in welcher Form der Berechtigte bereit ist , in Deutschland wieder zu versuchen , Arbeit zu finden, wenn er sich hier gar nicht aufhält. Der Verwaltungs- und Kontrollaufwand wäre hierfür immens.
Ich hoffe, dass die Bundesregierung dieses Gesetz entsprechend ändert, dass Deutschland nicht zum Zahler von Sozialleistungen aller Arbeitslosen in Europa wird. Ich bitte um Erläuterung Ihrer Maßnahmen

Mit freundlichen Grüßen
Karl Laufer

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Sehr geehrter Herr Laufer,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich nehme an, Sie beziehen sich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 4. Juni 2009 in der Rechtsache "Vatsouras" (C-22/08).

Dieses Urteil bestätigt in seinem Kern nochmals, dass nach zwingenden europarechtlichen Vorgaben EU-Bürgern zumindest für einen gewissen Zeitraum unter den gleichen Bedingungen wie deutschen Staatsangehörigen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewähren sind, wenn sie als Arbeitnehmer in Deutschland tätig sind bzw. waren. Hierbei bekräftigt der EuGH seine ständige Rechtsprechung zum europarechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Dieser sei nicht eng auszulegen, sondern könne auch für Arbeitsverhältnisse mit geringer Vergütung und kurzer Dauer gelten. Dementsprechend fordert der EuGH das Sozialgericht Nürnberg auf, im Ausgangsfall nochmals zu überprüfen, ob die von den betroffenen EU-Bürgern ausgeübten Tätigkeiten eine Arbeitnehmereigenschaft begründen und infolgedessen Leistungen nach SGB II zu gewähren sind. Diese Feststellungen entsprechen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH sowie der deutschen Rechtslage und bewirken keine Ausweitung der Gewährung von Leistungen.

Daneben führt der EuGH aus, dass EU-Bürger, die in einem anderen Mitgliedsstaat auf Arbeitssuche sind und tatsächliche Verbindungen mit dessen Arbeitsmarkt hergestellt haben, sich auf die in Art. 39 des EG-Vertrages gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen können, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Ob und inwieweit diese Ausführungen Auswirkungen auf die deutsche Rechtspraxis haben, wird derzeit von der Bundesregierung geprüft.

Unabhängig davon sehe ich jedoch nicht, dass es, wie von Ihnen befürchtet, infolge des EuGH-Urteils zu einer missbräuchlichen Leistungsgewährung an EU-Bürger kommt, die nicht in Deutschland leben. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten nur Personen, die in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Diese Vorschrift wird vom Urteil des EuGH nicht berührt. Der vom EuGH behandelte Fall betrifft die Gewährung von Leistungen an EU-Bürger, die sich in Deutschland aufhalten.

Weitere Fragen zu meinem Aufgabengebiet als Bundesminister für Arbeit und Soziales richten Sie bitte mit Ihrer vollständigen Anschrift direkt an das

Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Wilhelmstr. 49
10117 Berlin
E-Mail: info@bmas.bund.de.

Oder Sie nutzen das Kontaktformular auf der Internetseite des Ministeriums unter http://www.bmas.de. Bei vielen Fragen kann auch das Bürgertelefon des Ministeriums weiterhelfen, die Telefonnummern finden Sie ebenfalls unter http://www.bmas.de.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Scholz

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