Olaf Michael Ostertag
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DIE LINKE
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Frage von Oliver M. •

Frage an Olaf Michael Ostertag von Oliver M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ostertag,

haben Sie vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ich bin leider bei meinem Beitrag an ein 2000-Zeichen-Limit gebunden und kann auch nur durch einen neuen Beitrag statt einer Antwort nachhaken.
Generell bin ich selbst gar nicht der Meinung, dass öffentlich-rechtliche Medien per se unzeitgemäß sind. Vielmehr fällt aber auf daß das Gros des Budgets von ARD&ZDF (immerhin 8,5 Mrd. pro Jahr excl. Werbeeinnahmen - mehr als z.B. das BMZ zur Verfügung hat) eben nicht auf Dokumentationen oder journalistische Arbeit entfällt sondern auf Sportveranstaltungen, Talkformate, Shows, Kochsendungen, Abklatsch privater Formate und insbesondere eine Altersvorsorge die gerade im Hinblick auf die in meiner Generation zu erwartende massenweise Altersarmut geradezu sittenwidrig ist. Der eine Kritiksatz zur Quotenorientierung von ARD&ZDF im Gutachten der Linken von 2013 erscheint mir da deutlich zu wenig.
Die prekären Arbeitsverhältnisse derer, die aus meiner Sicht einen wesentlichen Teil der Existenzberechtigung der Sender ausmachen (z.B. Dokumentarfilmer), haben Sie ja selbst erwähnt. Das Programmbudget geht also zu großen Teilen für Inhalte drauf, die jeder Privatsender ebenso produzieren könnte. Die Entscheidung, dafür Zeit (durch Schauen der Werbung) und Geld (durch Erwerb der beworbenen Produkte) zu investieren ist dabei den Nutzern selbst überlassen.
Zur 'journalistischen' Arbeit der Anstalten möchte ich nur ein Beispiel nennen:
Trotz des dichten Korrespondentennetzes basiert fast die gesamte Berichterstattung von ARD&ZDF über Syrien (aus dem ein Großteil unserer derzeitigen Zuwanderung stammt) auf den Aussagen des bekennenden Regierungsgegners Osama Suleiman (die sog. "syrische Beobachtungsstelle fuer Menschenrechte") mit fragwuerdiger journalistischer Expertise (siehe z.B. diese Programmbeschwerde: http://forum.publikumskonferenz.de/viewtopic.php?f=44&t=1158&sid=66ace4594d4c5869b4317ffbabf3efc1 ). Sowas ist kein Journalismus.

Olaf Michael Ostertag
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr M.,

jetzt hätte ich mir die Antwort einfach machen können und sagen, Sie haben in allem Recht. Dennoch haben Sie auch in Ihrer erneuten Anfrage einige Themen berührt, zu denen ich gerne ausführlicher Stellung beziehen würde, als dies in diesem Format sinnvoll erscheint. Falls Sie unser Gespräch fortsetzen wollen, schlage ich vor, dass Sie meine Bürgersprechstunde besuchen, die ich auch nach dem Wahltag regelmäßig abhalten werde.
Eine Ihrer Aussagen ist mir besonders aufgefallen: „eine Altersvorsorge die gerade im Hinblick auf die in meiner Generation zu erwartende massenweise Altersarmut geradezu sittenwidrig ist“. Das erscheint mir das Pferd vom Schwanz aufzuzäumen. Die massenweise Altersarmut ist das sittenwidrige, gegen das sich DIE LINKE immer mit vollem Einsatz gestemmt hat. Dass es Bereiche gibt, in denen die Versorgung im Alter funktioniert, ist doch vielmehr die Voraussetzung dafür, dass um wesentlich höhere Standards gekämpft werden kann. Anders ausgedrückt: Würde niemand mehr eine komfortable Altersversorgung erhalten, würden wir alle vergessen, dass eine solche möglich ist. Daher möchte ich mich – wie meine gesamte Partei – für höhere Renten einsetzen, für eine höhere Grundsicherung und eine Bürgerversicherung, in die alle Einkunftsarten einzahlen. Ebenso sind wir für eine Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze, aber eine Deckelung des Auszahlungsbetrages. In der Schweiz gibt es dazu den Merksatz: „Die Millionäre brauchen die Rentenkasse nicht, aber die Rentenkasse braucht die Millionäre“. Deshalb halte ich es nicht für sinnvoll, die Versorgungsleistungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich in Frage zu stellen – wohl aber die Gehaltsstruktur, auf deren Basis diese berechnet werden (siehe meine Antwort auf ihre erste Frage, Stichwort Höchsteinkommen). Schließen der Schere zwischen Arm und Reich durch deutliche Wohlstandsanhebung der breiten Bevölkerungsschichten ist Ziel meines politischen Wirkens, das bedeutet auch Beibehaltung erreichter Standards. Zweitens: Die Aufzählung „Sportveranstaltungen, Talkformate, Shows, Kochsendungen, Abklatsch privater Formate“ vermengt unterschiedlichste Sachverhalte.
Gerade Talkformate und Kochsendungen wurden breit ausgeweitet, weil sie im Verhältnis zu anderen Programmformaten spottbillig sind. Die Sendeanstalten rechnen nach Minutenpreisen und setzen diese in Bezug zu Einschaltquoten. Nach meiner Überzeugung verträgt sich das grundsätzlich nicht mit dem Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch dazu hatte ich Ihnen ja bereits geschrieben, ebenso meine Auffassung zum Ersteigern von Sportübertragungsrechten. Es sind nach meiner Auffassung zwei konkurrierende Zielstellungen, die aus Ihrer Formulierung abzuleiten sind: Einerseits soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk nichts kosten, andererseits soll er besseres Programm bieten. Beides zusammen ist nicht zu haben. Ob Shows zur Grundversorgung zählen? Das kann bezweifelt werden. Dennoch ist hier die Grenze fließend, denn für mich ist durchaus ein Qualitätsunterschied zwischen „Frag doch mal die Maus“ und „Schlag den Star“ erkennbar. Hier würde ich das Feld ungern ganz den Privaten überlassen, wobei ich finde, dass generell in der Fernsehunterhaltung in Deutschland zurzeit eine deprimierende Flaute herrscht. Und schließlich ist der „Abklatsch privater Formate“ ein ganz verallgemeinernder Vorwurf. Deutschland ist traditionell kein Markt für ausgedehntes Bezahlfernsehen (denken Sie an die Jahrzehnte, die Sky brauchte, bis es auch nur in die Nähe der Gewinnzone kam). Eine Kultur wie in den USA, wo hochwertige Programme vom Publikum finanziert werden, ist hierzulande weit und breit nicht in Sicht. Dass die öffentlich-rechtlichen Sender dann versuchen, den von anderen Ländern gesetzten Standards nachzueifern, begrüße ich. Auch wenn die Ergebnisse qualitativ unterschiedlich ausfallen. Auf „Ab morgen hör ich auf“ (Nachahmung von „Breaking Bad“) hätte ich verzichten können, „Die heute-show“ (Vorbild: „The Daily Show“) ist eine feste Größe im deutschen TV geworden. Gerade letzteres Beispiel stellt unter Beweis, dass Formate, die woanders erfolgreich privat produziert werden, im deutschen Privatfernsehen durch schieres Unvermögen floppen. RTL hat die „Freitag Nacht News“, SAT1 die „Wochenshow“ in den Sand gesetzt. Unsere TV-Landschaft wäre deutlich ärmer ohne ARD, ZDF und die Dritten. Schließlich ist die von Ihnen zu Recht kritisierte tendenziöse Berichterstattung glücklicherweise, wie Sie selbst ja auch anführen, Gegenstand der Kritik der Publikumskonferenz. Es wäre schön, wenn auch die Programmbeiräte diese Kritik verstärken würden. Dazu müssten sie aber anders zusammengesetzt sein, auch das hatte ich bereits ausgeführt. Fazit: Es liegt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern vieles im Argen, was durch Beschwerden, öffentliche Äußerungen und Kritik – sowie Beschlüsse in Parlamenten, wozu die Veränderung politischer Mehrheiten notwendig ist – aber behoben werden kann. Weniger Show und Schielen nach der Einschaltquote, dafür aber stärkeres Ausrichten am Programmauftrag – das möchte ich bei den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sehen.

Mit freundlichen Grüßen
Olaf Michael Ostertag