Frage an Özlem Demirel von Jens W. bezüglich Humanitäre Hilfe
Sehr geehrte Frau Demirel,
ich nehme mit Entsetzen zur Kenntnis, dass an der türkisch-griechischen Grenze Kinder, Frauen und Männer mit Waffengewalt daran gehindert werden, die EU zu betreten und unter katastrophalen Verhältnissen und ohne Zukunftsperspektive im frühen März auf offenem Feld und unter freiem Himmel bleiben müssen. Ich wende mich daher an Sie als meine gewählte Abgeordnete mit der Frage, wie Sie die Situation einschätzen und ob und wie Sie sich dafür einsetzen, dass diese unchristliche und inhumane Vorgehensweise der EU sofort beendet wird und dass die Menschen vor Ort die notwendige Versorgung erhalten sowie die Möglichkeit, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Wehrmann
Ich teile Ihre Entrüstung über die Zustände im griechisch-türkischen Grenzgebiet, und habe mir daher in der vergangenen Woche (10 KW 2020) mehrere Tage vor Ort ein Bild von der katastrophalen Lage verschafft. Ich bin überzeugt, dass schnelle humanitäre Hilfe und die Aufnahme der Geflüchteten jetzt vorrangig sind. Der Schutz der Menschenrechte und die Umsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention müssen zur obersten Priorität erklärt werden. Die aktuelle Situation ist Folge der verheerenden und gescheiterten EU-Politik. Die EU hatte - maßgeblich auf Initiative Deutschlands - mit der Erdoğan-Administration einen perfiden Deal in der Flüchtlingsfrage geschlossen. Für sehr viel Geld sollte Erdoğan Flüchtlinge daran hindern, über die Türkei nach Europa zu gelangen. Nun nutzt Erdoğan diesen Deal, um Druck auf die EU aufzubauen, weil er deren Unterstützung für seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Syrien erpressen möchte.
Jetzt geht es um eine Notsituation, auf die ohne Wenn und Aber wie folgt reagiert werden müsste: Erstens muss internationales Recht eingehalten werden. Das heißt, Menschen haben ein Recht auf ein geordnetes Asylverfahren. Zweitens müssen Deutschland und auch andere EU-Länder Menschen aufnehmen. Und die Städte und Gemeinden, die Unterbringung angeboten haben, müssen unterstützt werden. Inzwischen gibt es allein in Deutschland rund 140 Kommunen, die Geflüchtete aufnehmen wollen. Drittens müssen die riesigen Lager, in denen Menschen seit Jahren vor sich hinvegetieren, endlich aufgelöst werden. Alle Mitgliedstaaten der EU sind zur Aufnahme zu verpflichten, neu ankommenden Kindern muss der Zugang zur Schulbildung eröffnet werden. Integrationsmaßnahmen müssen dabei umgehend eingeleitet werden, damit Geflüchtete und Alteingesessene nicht gegeneinander ausgespielt werden können.