Frage an Norbert Röttgen von Paul-Günter P. bezüglich Recht
Obwohl kandidatenwatch.de das wichtige Thema "Recht" aus mir nicht bekannten Gründen ausgespart hat, unternehme ich den Versuch zu fragen, welche Bedeutung Sie Fragen der Rechtspolitik zumessen, wie Sie insbesondere die Entscheidung des BVerfG zum Europäischen Haftbefehl beurteilen und welchen Stellenwert die europäische "Gesetzgebung" auf dem Gebiet des Rechts für die CDU hat?
Sehr geehrter Herr Pötz,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 13. August 2005.
Nach meiner persönlichen Einschätzung kommt der Rechtspolitik weiterhin eine zunehmende Bedeutung zu. Deutschland steht heute vor neuen existenziellen Herausforderungen. Die Bedrohung durch den islamistischen Extremismus und Terrorismus ist die größte sicherheitspolitische Gefahr für die absehbare Zukunft. Auch Deutschland ist von dieser Gefahr sowohl von innen als auch von außen bedroht. Doch nicht nur vom islamistischen Terrorismus geht eine Gefahr für unsere Sicherheit aus, auch die Kriminalität, insbesondere die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, stellt eine Bedrohung dar. Angesichts steigender Kriminalitätszahlen dürfen Straftaten nicht verharmlost werden. Im Gegenteil: Auch der Alltagskriminalität muss wirksam begegnet werden. Das Strafrecht darf sich dabei nicht nur um die Täter kümmern, sondern muss die Interessen der Opfer schützen.
Doch Rechtspolitik umfasst nicht nur das Strafrecht. Vielmehr gehört zur Rechtspolitik auch das gesamte Zivilrecht. Damit regelt dieser Politikbereich viele Lebenssachverhalte, die Sie zu Hause, bei der Arbeit, im Alltag und im Urlaub betreffen. Aber auch das Wirtschaftsrecht der großen Aktiengesellschaften, der mittelständischen GmbH’s und der Handwerksbetriebe wird von der Rechtspolitik erfasst. Gerade hier gibt es vor dem Hintergrund der fortschreitenden Vertiefung der europäischen Integration großen Veränderungs- und Modernisierungsbedarf.
Nicht nur im Strafrecht und Zivilrecht müssen Antworten auf die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen gefunden werden. Auch unser Staat muss sich modernisieren, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Reformanforderungen richten sich somit nicht ausschließlich an die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch an den Staat.
Wer den genannten Herausforderungen begegnen will, muss eine klare und moderne Rechtspolitik verfolgen. Dafür steht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Die Erweiterung der Europäischen Union (EU) auf nunmehr 25 Mitglieder macht die stetig wachsende Bedeutung europäischer Themen und Politik deutlich. Wir machen in Deutschland die Erfahrung, dass immer mehr Lebensbereiche einen konkreten Bezug zu Brüssel aufweisen. Diese Tendenz spiegelt sich auch in der Rechtspolitik des Deutschen Bundestages wider: Immer stärker prägt die EU unsere Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Europäischen Haftbefehl macht darüber hinaus deutlich, wie ahnungslos, konzeptionslos und ergebnislos die rot-grüne Bundesregierung oft auf europäischer Bühne handelt. Die EU lässt sich heute eben nicht mehr als eine reine Wirtschaftsgemeinschaft beschreiben. Im Rahmen der fortschreitenden europäischen Integration gibt es vielmehr einen starken politischen Willen, die Harmonisierung auf neue Politikbereiche auszuweiten. Dies gilt auch für den Bereich der Rechtspolitik. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Zahl der Gesetze, die einen europäischen Ursprung haben, also auf eine EU-Verordnung oder Richtlinie zurückgehen, stetig zunimmt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion befasst sich daher im Interesse Deutschlands mit den europäischen Rechtsakten aus Brüssel so früh wie möglich. Idealerweise - in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen im Europäischen Parlament - schon zum Zeitpunkt der Entstehung der Rechtsakte.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Norbert Röttgen