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Norbert Röttgen
CDU
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Frage von Michael S. •

Frage an Norbert Röttgen von Michael S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Doktor Röttgen !

Für Ihre Antwort ich mich recht herzlich bedanken möchte.

Da Sie als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Recht des Deutschen Bundestages vertreten sind, möchte ich mir folgende Frage erlauben:

Sie möchten die Ehe, auch wenn sie durch Scheidung beendet, unter besonderen Schutz stellen. Das ehrt Sie aus der Sicht der Betroffenen.
Bislang der aus den Ausschüssen mitgeteilten Informationen sind die nichtehelichen Mütter nachrangig derer die nachehelich kinderbetreuend sind.
Ich gehe da mit Ihnen nicht konform, da Artikel 6 des GG, die Ehe und/oder Familie unter besonderen Schutz stellt.
Ich möchte nicht in Kasuistik verfallen, jedoch wenn der geschiedene Unterhaltspflichtige eine neue Partnerschaft eingeht aus der ein Kind hervorgeht und mit der Kindesmutter zusammenlebt, dürfte sich der Definition des Artikels 6 GG nicht zu entziehen sein. Mithin der Begriff Ehe und Familie hier derartig kollidieren, dass die konservativen Äußerungen der Unionsparteien nicht beibehalten werden können.
Ihr Unionskollege "Norbert Geis" in der öffentlichen Darstellung der Meinung der Uniosnparteien ja deutlich versagt haben dürfte. Zum Einen fehlende Anwesenheit in der Sachverständigenanhörung am 16.10.2006 zur Unterhaltsrechtsreform trotz Anwesenheit im Hause, im Weiteren in TV-Veranstaltungen meint hierzu kompetent ohne inhaltliches Wissen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses Auskunft und im Sinne der Partei argumentieren zu können.

Ich würde gerne Ihre Einschätzung hierüber erfahren und verbleibe mit vorzüglicher Hochachtung und
freundlichen Grüßen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Sparwasser,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage zur Reform des Unterhaltsrechts. Gerne möchte ich Ihnen die Erwägungen und Argumente erläutern, die für die Union ausschlaggebend waren.

Bei der Reform des Unterhaltsrechts ging es uns nicht darum, einen vermeintlich „konservativen“ Standpunkt durchzusetzen. Unserer Kernanliegen war, den sachlich besseren Interessen- und Risikosausgleich zwischen den Betroffenen zustande zubringen. Hier hat sich die Union zu Recht gegenüber dem Koalitionspartner durchgesetzt, weil wir die besseren Argumente auf unserer Seite hatten.

Ihrer Zuschrift entnehme ich, dass Ihnen insbesondere die Situation der sog. „Zweitfamilien“ bzw. die Situation unterhaltspflichtiger Väter am Herzen liegt.

Selbstverständlich hatten wir auch diese Problematik klar im Blick. Aus der Praxis bei den Familiengerichten wissen wir, dass viele Väter mit ihren Unterhaltsverpflichtungen finanziell überfordert sind. Auf Drängen der Union hin haben wir nun einen angemessen und gerechten Risikoausgleich gefunden, der die Belange der unterhaltspflichtigen Väter bzw. deren „Zweitfamilie“ und die berechtigten Interessen der Kinder und betreuenden Mütter in Einklang bringt.

Zum besseren Verständnis möchte ich Ihnen die Hintergründe und die nun gefundene Lösung näher darlegen.

Bereits nach der „alten“, noch geltenden Rechtslage gilt der Grundsatz der Eigenverantwortung, vergleich § 1569 BGB. Trotz dieses Grundsatzes wird hier in der bisherigen Praxis der Familiengerichte recht großzügig ein lang andauernder Anspruch auf Unterhalt nach den „ehelichen Lebensverhältnissen“, d.h. orientiert am ehelichen Lebensstandard gewährt. Die Anforderungen an die eigene wirtschaftliche Selbständigkeit wird nach dem bisherigen „Altersphasenmodell“ der Rechtsprechung eher zurückhaltend bemessen, von der Möglichkeit der Befristung oder Absenkung auf einen niedrigeren Standard in der Praxis wenig Gebrauch gemacht. Im Fall der Kindererziehung wird eigene Berufstätigkeit in Teilzeit i.d.R. erst ab dem 9. Lebensjahr eines Kindes und Vollzeitberufstätigkeit erst ab dem 15. Geburtstag erwartet. Bei mehreren Kindern verschieben sich diese Fristen noch weiter. Bestehen gleichzeitig Unterhaltspflichten gegenüber der Mutter eines nicht-ehelichen Kindes bzw. einer zweiten Ehefrau, so wird deren Anspruch nach noch geltender Rechtslage nachrangig. Dieser relativ umfassende und vorrangige Unterhaltsanspruch der ersten Ehefrau führt dazu, dass eine zweite Familiengründung nach Scheitern der ersten Beziehung finanziell eingeschränkt ist. Aus Sicht der zweiten Familie wird dies zu Recht als provozierend empfunden, wenn dort die finanziellen Verhältnisse deutlich schlechter sind und die nichteheliche Mutter bzw. zweite Ehefrau deshalb bereits früher wieder erwerbstätig werden muss.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf von Frau Bundesjustizministerin Zypries sah als Lösung dieser Problematik den Gleichrang aller erziehenden Mütter und von Ehefrauen nach langer Ehedauer im zweiten Rang vor. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Kinder aus beiden Beziehungen gleichberechtigt sind und ohne Rücksicht auf den rechtlichen Status ein gleichberechtigtes Interesse an Erziehung durch die Mutter haben.

Der Ausgangspunkt – Gleichberechtigung der Kinder – ist sicher richtig; ihm wird in der Gleichrangigkeit der Unterhaltsansprüche aller Kinder im ersten Rang Rechnung getragen. Nach Auffassung der Union reichte dies jedoch nicht aus, um sämtliche sonstigen Unterschiede in den Lebenssituationen der Mütter bedeutungslos werden zu lassen und einen gleichrangigen Anspruch der Mütter zu begründen. In dem Fall, dass zwei Mütter mit kleinen Kindern (z.B. eheliche Kinder von 2 und 4 Jahren, nichteheliches Baby) in Konkurrenz stehen, würden bei Gleichrang weder die Reihenfolge der Partnerschaften, noch die bereits manifesten Nachteile der ersten Ehefrau noch der zusätzliche Vertrauenstatbestand der Ehe eine Rolle spielen. Dies wäre auch schwer mit Art. 6 GG (Schutz der Ehe) vereinbar gewesen. Die Privilegierung der geschiedenen Ehegatten beruht folglich nicht auf einem vermeintlich „konservativen“ Gesellschafsbild, sondern auf der Erkenntnis, dass geschiedene Ehegatten in besonderem Maße auf den Bestand der gemeinsamen Lebensentscheidung und -planung vertraut haben.

Die Union hat daher vorgeschlagen und sich am Ende damit durchgesetzt, einen angemessenen Interessen- und Risikoausgleich nicht über den gleichen Rang, sondern über deutlich gesteigerte Erwerbsobliegenheiten an die erste Ehefrau herbeizuführen. Bei bestehender Betreuungsmöglichkeit kann von der ersten Ehefrau zumindest ab dem 3. Geburtstag des Kindes eine Teilzeittätigkeit erwartet werden, die sodann mit zunehmender Verfügbarkeit und Inanspruchnahme von schulischer Ganztagsbetreuung auch deutlich früher als bisher bis hin zur Vollerwerbstätigkeit aufzustocken ist. Bei der Frage, welche Berufstätigkeiten zumutbar sind, soll verstärkt an frühere Tätigkeiten angeknüpft werden, von Möglichkeiten zur Befristung und Herabsetzung des Unterhalts soll verstärkt Gebrauch gemacht werden.

Unabhängig von der Frage der Kindererziehung soll eine Ehe auch nach Willen unserer Fraktion nicht länger eine dauerhafte „Lebensstandardgarantie“ begründen. Wenn die Ehe, insbesondere nach kurzer Ehedauer, gescheitert ist, muss nach einer Übergangszeit grundsätzlich wieder der auf der selbständigen Erwerbstätigkeit basierende Lebensstandard reichen. Allerdings müssen Abweichungen von dieser Regel dann möglich sein, wenn etwa die Berufsrückkehr der ersten Ehefrau schwierig wird, weil sie aufgrund gemeinsamer Familien- und Lebensplanung mit ihrem Mann längere Zeit aus dem Beruf ausgeschieden ist, wenn ein Kind durch eine Erkrankung überdurchschnittlichen Betreuungsbedarf hat oder wenn der Anschluss im Beruf verpasst wurde, weil das Paar für die Karriere des Mannes öfter umziehen musste. Im Rahmen einer angemessenen Risikoverteilung müssen auch diese Nachteile gemeinsam getragen werden, indem dies bei Umfang und Dauer des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt wird.

Bei der Neuordnung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche ging es weder um Schuldzuweisungen noch um die Diskriminierung der zweiten Beziehung, sondern allein um eine angemessene Risikoverteilung. Welcher der Ehepartner welchen Beitrag zum Scheitern der Ehe geleistet, wer ausgezogen ist oder die Scheidung beantragt hat, ist nicht entscheidend. Hier gilt weiterhin das Zerrüttungsprinzip.

Der zweiten Familie kommen ohnehin folgende finanzielle Vorteile zugute: Durch den alleinigen Vorrang der Kinder wird der Anspruch des nichtehelichen Kindes in der Regel werthaltiger, im ersten Jahr nach der Geburt eines nichtehelichen Kindes bezieht die zweite Partnerin Elterngeld und im Fall einer zweiten Heirat kommt der Steuervorteil aus dem Ehegattensplitting ausschließlich der zweiten Familie zugute und steht dann trotz des Nachrangs für den Unterhaltsanspruch der zweiten Ehefrau zur Verfügung.

Ich hoffe, dass ich Ihnen die Erwägungen und Argumente der Union näher bringen konnte und würde mich freuen, wenn das nun gefundene – in meinen Augen sehr gute – Ergebnis, Ihre Zustimmung finden würde.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Norbert Röttgen

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