Frage an Norbert Röttgen von Christian T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Röttgen,
soweit mir bekannt ist, haben Sie damals für den "Vertrag über eine Verfassung für Europa" AKA "EU-Verfassung" gestimmt.
Haben Sie den Text eigentlich mal durchgelesen?
Und wenn ja, warum haben Sie dann trotzdem zugestimmt?
In der Hoffnung auf die Rückkehr der Demokratie,
Christian Treczoks
Sehr geehrter Herr Treczoks,
ich habe Ihre Mail über www.abgeordnetenwatch.de erhalten und möchte mich herzlich dafür bedanken.
Der Deutsche Bundestag hat am 12. Mai 2005 mit großer Mehrheit dem Ratifikationsgesetz zu dem Vertrag über eine Verfassung für Europa zugestimmt. Auch der Bundesrat hat den Verfassungsvertrag positiv bewertet und das Ratifikationsgesetz am 22. Mai 2005 gebilligt. Ich habe mich im Vorfeld der Beratungen sehr intensiv mit dem Verfassungsvertrag beschäftigt und kann Ihre demokratischen Bedenken nicht nachvollziehen. Da Sie sie in Ihrem Schreiben nicht konkretisieren, vermag ich auch nicht auf Einzelheiten einzugehen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vertritt die Auffassung, dass der Verfassungsvertrag einen erheblichen Fortschritt gegenüber dem derzeit gültigen Nizza-Vertrag bedeutet. Der Verfassungsvertrag stärkt das Demokratieprinzip auf europäischer Ebene und gibt dem Deutschen Bundestag wichtige Rechte. So können wir in Zukunft bereits im Vorfeld europäischer Gesetzgebungsverfahren die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips prüfen und gemeinsam mit anderen Parlamenten die Kommission zu einer Überarbeitung ihrer Vorschläge zwingen. Deutschland erhält in Zukunft bei Abstimmungen ein höheres Gewicht. Diese politischen Fortschritte gilt es zu sichern.
Als Kompromiss ist der Verfassungsvertrag sicher nicht perfekt, aber er ist das beste Vertragswerk, das Europa jemals hatte. Ohne den Verfassungsvertrag bliebe die Europäische Union auf die komplizierten, für die Gemeinschaft als unzureichend angesehenen Entscheidungsstrukturen des Vertrages von Nizza angewiesen – mit einer unklaren Kompetenzaufteilung zwischen Mitgliedstaaten und Europäischer Union, ohne einen europäischen einklagbaren Grundrechtsschutz und ohne die für die Zeit ab 2009 vereinbarten, veränderten Bestimmungen für die Organe der Europäischen Union. Die Erweiterung der EU ohne den Verfassungsvertrag würde sie mittelfristig auf eine große europäische Freihandelszone zurückwerfen. Der Europäische Rat hat entschieden, der deutschen Ratspräsidentschaft, die am 1.1.2007 begonnen hat, das Mandat für einen neuen Anlauf in der Verfassungsdebatte zu erteilen.
Es wäre nach meiner Überzeugung ein unbestreitbarer Erfolg für die deutsche Ratspräsidentschaft, wenn es an ihrem Ende im Sommer 2007 einen neuen politischen Konsens gäbe, dem Verfassungsvertrag zum Durchbruch zu verhelfen.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Norbert Röttgen