Frage an Norbert Röttgen von Regina L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Dr. Röttgen,
Im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuererhöhung erklären die Mitglieder Ihrer Partei immer wieder, dass Familien von ALG-II-Empfängern und Geringverdiener ja nicht so davon betroffen wären, weil der ermäßigte Steuersatz erhalten bleibt. Kinder bringen aber das, was Sie sich wünschen - nämlich Wachstum. Und Kleidung unterliegt dem Mehrwertsteuersatz von 16, dann 18 Prozent. Bedeutet Ihr Richtungswechsel also: Zurück zu den „Zille-Kindern“ der Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts?
Sehr geehrte Frau Lichtwald,
vielen Dank für Ihre Frage über „Kandidatenwatch“ vom 15. September 2005.
Die Union wird die Rahmenbedingungen für Familien und Kinder verbessern. Anders als die SPD wollen wir Familien grundsätzlich mehr Freiheit geben.
Dazu gehört, dass Familien finanziell besser gestellt werden als bisher. Deshalb werden wir ab 1. Januar 2007 einen einheitlichen Grundfreibetrag von 8.000 Euro bei der Einkommensteuer und einen Kinderbonus von 50 Euro für jedes neugeborene Kind in der Rente einführen. Dieser Bonus und die beitragsfreie Kinderversicherung in der Krankenversicherung wird in Zukunft von der Allgemeinheit und nicht allein von den Beitragszahlern finanziert werden – dass ist gerechter und nachhaltiger.
Genauso wichtig ist der Ausbau einer verlässlichen Infrastruktur für Betreuung und Erziehung durch die Länder, gerade für die kleineren Kinder. Die unionsgeführten Bundesländer werden daher alles daran setzen, das Angebot an flexiblen Betreuungsangeboten zu erweitern, insbesondere für Kleinkinder und in der vorschulischen Phase. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist zugleich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier muss die Wirtschaft mitziehen. Es lässt sich eine Vielzahl von Vereinbarkeitsmöglichkeiten denken, von der Unterstützung durch Tagesmütter bei Krankheit bis hin zu betrieblichen Kindergärten. Das gilt nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für kleine und mittlere Betriebe, wo sich zeigt, dass gemeinsame Einrichtungen das leisten, was ein Betrieb allein nicht kann.
Die Union wird mit einer soliden Finanzpolitik die Schuldenmacherei zu Lasten der künftigen Generationen beenden und dafür sorgen, dass die Finanzbasis der Ländern und Kommunen wieder gesichert wird, damit sie ihre Familieninfrastruktur ausbauen können. Nichts ist so familienfeindlich wie das finanzpolitische Versagen der jetzigen Bundesregierung.
Es steht jedoch außer Frage, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen unmittelbar von der Senkung der Lohnnebenkosten profitieren werden. Mittelbar und langfristig kommt die Senkung der Lohnnebenkosten jedoch allen zu Gute.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass schon durch eine Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge um 1 Prozent, finanziert durch die Anhebung der Mehrwertsteuer um 1 Prozent, 100.000 bis 150.000 neue Arbeitsplätze entstehen können.
Eine Verbesserung der Lage am Arbeitmarkt wirkt sich positiv auf die Finanzierung des Sozialstaates aus. Das ist ein klarer Vorteil für die gesamte Gesellschaft. Dies darf bei der aktuellen politischen Diskussion nicht übersehen werden.
Ich glaube aber auch, dass der Warenkorb der ermäßigten Mehrwertsteuer im Zusammenhang des parlamentarischen Verfahrens zur Mehrwertsteuererhöhung überarbeitet werden muss. Die heutige Differenzierung ist bei vielen Produkten nicht immer nachvollziehbar.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Norbert Röttgen