Portrait von Norbert Röttgen
Norbert Röttgen
CDU
0 %
/ 50 Fragen beantwortet
Frage von Tanja B. •

Frage an Norbert Röttgen von Tanja B. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Röttgen,
das Wahlprogramm der CDU beinhaltet unter anderem die Besteuerung von bisher zumindest teilweise steuerfreien Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschlägen. Wird dies durchgeführt, so fallen auf diese Beträge in Zukunft auch Sozialabgaben an, die auch vom Arbeitgeber getragen werden müssen. Dies gefährdet in vielen Bereichen ohnehin schon kritische Arbeitsplätze weiter. Sollte die von Ihrer Partei propagierte Lohnnebenkosten-Senkung nicht anders aussehen?
Darüber hinaus verliert durch eine solche Besteuerung ein durchschnittlicher Schichtarbeiter im Jahr etwa einen Monatslohn, was die Binnennachfrage sicherlich auch nicht gerade anschieben wird. Zudem sollten Sie sich vielleicht einmal fragen, was für Menschen einer Beschäftigung im Schichtsystem nachgehen, denn dies tun in den wenigsten Fällen wohl Leute, die Spaß daran haben, nachts zu arbeiten oder morgens um 4 Uhr aufzustehen, weil sie zur Frühschicht müssen. Die meisten dürften dieses System, das das Privatleben auch nicht gerade unkompliziert macht, wohl vorziehen, weil sie auf das zusätzliche Geld angewiesen sind.
Ich selbst arbeite übrigens nicht im Schichtdienst, frage mich aber trotzdem, wie eine solche Besteuerung die deutsche Wirtschaft ankurbeln soll, wenn das Unternehemen UND der Arbeitgeber drauf zahlt.
Vielleicht können Sie mir das ja mal erklären.
MfG Tanja Brüggemann

Portrait von Norbert Röttgen
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Brüggemann,
herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema Zulagen. Ihre Überlegungen betreffen die Reformvorhaben der Union auf dem Gebiet der Steuerpolitik. Ich möchte Ihnen im Folgenden einen Überblick über unser Konzept geben und dabei selbstverständlich auch konkret auf Ihre Frage eingehen: Das deutsche Steuerrecht ist so kompliziert, unübersichtlich wie sonst nirgendwo auf der Welt und überdies mit vergleichsweise so hohen Steuersätzen ausgestattet. Es belohnt Leistung nicht, schreckt ausländische Investoren ab und führt zu Ungerechtigkeit und Staatsverdrossenheit bei Bürgern und Unternehmen. Das Steuerrecht hat sich aber in seiner jetzigen Form als nicht reformierbar erwiesen. Wir brauchen einen Neuanfang, bei dem die Bürger erkennen, dass es bei den Steuern einfach und gerecht zugeht. Die Unternehmen brauchen dringend ein international wettbewerbsfähiges Steuerwesen, damit sie in Deutschland investieren und Arbeitsplätze schaffen. Der Staat muss sich endlich auf berechenbare Einnahmen verlassen können, um seine Aufgaben finanzieren zu können.
Kernpunkt der Steuerpolitik einer von der CDU geführten Bundesregierung wird eine Einkommensteuerreform sein. Ziel dieser Reform ist es, das deutsche Steuerrecht zu vereinfachen. Nur was nachvollziehbar ist, wird von den Menschen auch als gerecht empfunden. Deshalb werden wir zahlreiche Ausnahmen (Schlupflöcher) schließen, die bisher insbesondere von Besserverdienenden und Spitzenverdienern genutzt wurden, um sich vor dem Finanzamt „arm“ zu rechnen. Im Gegenzug werden wir die Einkommensteuersätze senken, ab 1. Januar 2007 den Eingangssteuersatz auf 12 Prozent, den Spitzensteuersatz auf 39 Prozent. Wir wollen, dass jeder Bürger entsprechend seiner persönlichen Leistungsfähigkeit auch tatsächlich Steuern bezahlt. Im Ergebnis werden viele Spitzenverdiener mehr und die meisten Normalverdiener weniger Steuern zahlen. Zu den Vereinfachungen und Rückführungen in der Steuerpolitik zählt auch die Neuregelung der Pendlerpauschale. Es ist falsch, dass die CDU die Pendlerpauschale abschaffen will. Wir wollen sie nur für die täglichen Heimfahrten auf 50 KM begrenzen, Familien-Heimfahrten an Wochenenden und eine doppelte Haushaltsführung bleiben weiterhin steuerlich absetzbar. Wir wissen um die Härten, die dies für manche Arbeitnehmer bedeuten kann, deren Familien ortsgebunden sind. Aber bei allem Verständnis für die persönliche Betroffenheit müssen wir damit rechnen, dass sich der weltweite Wettlauf um Investitionen und Arbeit weiter verschärfen wird und dass sich auch die Arbeitnehmer in Deutschland im Wettbewerb um Arbeitsplätze in Zukunft immer mobiler verhalten müssen. Der Staat kann diese Entwicklung immer weniger „abfedern“ und wird es sich in Zukunft deshalb immer weniger leisten können, die Mobilität seiner Bürger finanziell zu unterstützen.
Ebenso verhält es sich mit dem Abbau der Steuervergünstigungen für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge, die Sie angesprochen haben. Um besondere Härten auszugleichen, werden wir die bisherigen Steuervorteile schrittweise innerhalb von sechs Jahren abbauen. Die Tarifpartner haben also genug Zeit, um sich darauf einzustellen und eine entsprechende Erhöhung der Zuschläge zu vereinbaren. Dabei ist wichtig: Die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge werden nicht abgeschafft. Sie werden lediglich, so wie alle anderen Lohnbestandteile auch, besteuert. Besondere Aufregung in der öffentlichen Meinung verursacht die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent. Ich kann Ihnen versichern, die CDU hat sich die Entscheidung auch nicht leicht gemacht. Aber wir haben aus zwei Gründen keine andere Wahl:
1. Die anhaltend hohe Massenarbeitslosigkeit und die verantwortungslose Politik von Rot-Grün haben dazu geführt, dass immer weniger Arbeitnehmer in die Kassen unserer sozialen Systeme eingezahlt haben und die Rücklagen längst aufgebraucht sind.
2. Im laufenden Jahr ist der deutsche Staat nicht mehr in der Lage, aus seinen Einnahmen die laufenden Ausgaben für Personal, Pensionsansprüche und Zinsen zu bezahlen.
Es ist daher zwingend notwendig, dass wieder mehr Menschen in Deutschland in Arbeit kommen, um die Einzahlung in die sozialen Kassen dauerhaft zu sichern. Deshalb senken wir den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent des Bruttolohns. Die eine Hälfte dieser Summe entlastet alle Arbeitnehmerhaushalte, die am Ende mehr in der Kasse haben: Die Mehrbelastung auf der Steuerseite in Form der Mehrwertsteuer steht einer Entlastung auf der Seite der Sozialversicherung gegenüber. Die andere Hälfte entlastet die Unternehmer in Deutschland, die weltweit mit unter den höchsten Abgabenlasten leiden, und hilft ihnen, bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wird somit gesteigert, zumal viele andere europäische Länder Mehrwertsteuersätze haben, die bei 20 Prozent und drüber liegen. Unter dem Strich wird der Aufschwung gefördert. Um die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung solide finanzieren zu können, wird die CDU den Mehrwertsteuersatz um zwei Prozentpunkte anheben. Dies steht auch in keinem Widerspruch zu früheren Aussagen der Union: Wir haben immer dann zu Steuererhöhungen nein gesagt, wenn sie ohne eine Gesamtkonzept für Wachstum und Beschäftigung erfolgen.
Das gilt auch für die Ökosteuer, die wir auf längere Sicht abschaffen werden, weil sie Energie in Deutschland unnötig verteuert. Im Augenblick muss es aufgrund der von Rot-Grün hinterlassenen Kassenlage im Bundeshaushalt dabei bleiben, bis wir die nötigen Wege zu einer Gegenfinanzierung gefunden haben. Die Einnahmen aus einer höheren Mehrwertsteuer nutzen wir dagegen konsequent, um die Abgabenlast bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu senken. Das ist sozial und gerecht. In einer besonderen Situation stehen ohne Zweifel Rentner und Arbeitslose, denn sie ziehen keinen direkten Nutzen von einer Senkung der Arbeitslosenversicherung. Hier bitte ich Sie, zwei Dinge zu bedenken: 1. Wenn wir jetzt nicht die Massenarbeitslosigkeit energisch bekämpfen, damit wieder mehr Arbeitnehmer in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen, dann wissen wir nicht, ob wir morgen die Renten überhaupt noch bezahlen können und ob Arbeitslose überhaupt eine realistische Perspektive auf einen Arbeitsplatz erhalten. 2. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer betrifft nicht den ermäßigten Satz von 7 Prozent, der auf die Dinge des täglichen Bedarfs angerechnet wird: Nicht betroffen sind also Lebensmittel, der Busfahrschein, Bücher und Zeitungen, Eintrittskarten zu Theatern, aber auch medizinische Hilfen (Hörgeräte, Gehhilfen, Herzschrittmacher). Die Bezieher von kleinen Renten und von Sozialhilfe sind also in der überwiegenden Zahl im täglichen Leben weniger betroffen, können aber in der Gewissheit leben, dass sie weiterhin ihre Rente erhalten werden.
Ich bin mir bewusst, dass ich Ihnen mit diesem Schreiben nur eine grobe Übersicht über die steuerpolitischen Vorhaben und ihre Auswirkungen für den Bürger geben kann. Über die dargestellten Maßnahmen hinaus sind auch wichtige Änderungen bei der Besteuerung von Unternehmen geplant, die ebenfalls positive Beschäftigungseffekte und damit Nutzen für die allermeisten Menschen in unserem Land erzielen werden. Fakt ist: Erstmals seit langer Zeit kündigt eine Partei den Menschen ohne Schönfärberei an, was sie nach der Wahl erwartet. Wir glauben, wir haben ein gutes Konzept, um Deutschland wieder nach vorn zu bringen.

Mit freundlichem Gruß

Ihr Norbert Röttgen

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Norbert Röttgen
Norbert Röttgen
CDU