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Norbert Müller
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Frage von Olaf H. •

Frage an Norbert Müller von Olaf H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Müller,

gestern ist leider wieder eine Vielzahl von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer umgekommen!
Wie lange soll diese Asylpolitik so weiter fortgesetzt werden?
Sollte nicht eine strikte Trennung von Einwanderungs- und Asylpolitik stattfinden?

Was würde geschehen,
wenn Asylanten generell eine Einbürgerung verwehrt bleiben würde?
wenn Asylanten ein außerhalb des Asylantrags geltendes Aufenthaltsrecht verwehrt werden würde?
wenn Asylanten kein Geld ausgehändigt werden würde?
wenn Asylanten ein generelles Arbeitsverbot erhalten würden?
wenn Asylanten nach Beruhigung der Situation in ihrem Heimatland wieder zurück geschickt werden würden?

Würde dann nicht sichergestellt sein, dass wirklich nur Flüchtlinge in unser Land kommen die wirklich Angst, um ihre Unversehrtheit oder gar um ihr Leben haben? Würde sich dann nicht auch die Bevölkerung weniger versperren, weil sie so die Gewissheit hätte, dass diejenigen die hier nach Asyl suchen auch wirklich Unterstützung benötigen.

Ist es im Augenblick nicht so, dass durch die jetzige Asylpolitik ein Strom von Wirtschaftsflüchtlingen in Bewegung gesetzt wurde, der von alleine niemals mehr zum Stillstand kommen wird?

Wie schätzen Sie die Situation ein, und wie wollen Sie dieser Herr werden?

Bitte vermischen Sie in Ihrer Antwort nicht die Themen Einwanderung mit Asylanträgen, denn ein Einwanderer kommt auf eigenes wirtschaftliches Risiko und ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen in ein fremdes Land.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Höch,

vielen Dank für ihre Fragen. Ich möchte sie wie folgt beantworten.

Warum fliehen Menschen, warum verlassen sie ihre Heimat? 
Weil sie Angst vor dem Tod haben, verursacht durch Bürgerkriege, zwischenstaatliche Konflikte oder religiöse Fanatiker. Vieles davon verursacht durch die Politik der europäischen Staaten in den letzten 150 Jahren. Auch die heutige EU-Politik zielt nicht primär darauf ab, die Konflikte in den Krisenregionen einzudämmen und die Staaten zu stabilisieren. Aus Angst, ist für vielen die  Flucht zum einzigen Ausweg geworden. Das bedeutet u.a.Deutschland und die EU sollten ihren Außen- und Wirtschaftspolitik überdenken. Menschen, die in stabile Staatensicher leben und eine Perspektive haben, flüchten selten. Aber auch, dass wir den Menschen einen sicheren Schutz gewährleisten.

Weltweit befinden sich ca. 51 Mio. Menschen auf der Flucht. Der größte Teil von ihnen (rund 33 Mio. Menschen) ist innerhalb des eigenen Heimatlandes auf der Suche nach einem neuen Lebensmittelpunkt. Rund 17 Mio. Menschen jedoch sind  gezwungen, ihr Land zu verlassen. Sie gelten nach völkerrechtlicher Definition als Flüchtlinge. Ein Großteil der Flüchtlinge stammt aus Afghanistan (2,5 Mio. Menschen), Syrien (2,4 Mio. Menschen) und Somalia (1,1 Mio. Menschen). Zielländer der Flüchtlinge sind aufgrund der räumlichen Nähe insbesondere Pakistan (1,6 Mio. Menschen) sowie Iran und Libanon (jeweils rund 850.000 Menschen).

In Deutschland sind 2014 ca. 200.000 Menschen angekommen, die Schutz und Asyl suchten. Gemessen an der Gesamtbevölkerung sind das nicht viele, bedenkt man, dass alleine der Libanon mit 4,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern 850.000 Flüchtlinge aufgenommen hat. Wer angesichts dieser Zahlen von einer Überforderung der deutschen Gesellschaft durch die Aufnahme von Flüchtlingen spricht, betreibt verbale Brandstiftung. Das Grundrecht auf Asyl gehört zu den tragenden Pfeilern unserer Verfassung und zu den wichtigsten Lehren aus der deutschen Geschichte. Ich engagiere mich für ein weltoffenes Land, das schutzsuchenden Menschen sichere Aufnahme bietet und für eine Flüchtlingspolitik mit humanitärem Kompass.

Asyl und Zuwanderung braucht nicht nur rechtliche Standards sondern eine Willkommenskultur und eine Kultur des Ankommens. Nur so entsteht Teilhabe.

Die zeitlich möglichst kurze und in der Ausstattung möglichst auskömmliche Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften muss so gestaltet werden, dass in kurzer Zeit Grundsteine für eine schnelle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gelegt werden. Sprachförderung, soziale, gesundheitliche und auch rechtliche Betreuung sind nicht nur für Asylsuchende wichtige Grundlagen für ein Ankommen in unserem Land. Sprache ist Zugang zu Bildung für Kinder und Jugendliche sowie für die Erwerbstätigkeit von Erwachsenen. Sprache ist Grundvoraussetzung für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Grundlage jeder politischen Reaktion ist  das Grundrecht auf Asyl und die grundgesetzlich garantierte Unantastbarkeit der Menschenwürde. Eine Flüchtlingspolitik mit humanitärem Kompass muss sich an den folgenden Eckpunkten orientieren:
Für ein unantastbares Grundrecht auf Asyl
Keine weitere Verschärfung des Asylrechts
Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz und der Residenzpflicht
Mehr finanzielle Verantwortung des Bundes
Sofortiger Zugang zu Sprach- und Partizipationskursen
Voller Zugang zum Arbeitsmarkt
Humanitäre Maßnahmen der Länder erleichtern
Bildung und Ausbildung müssen vor Abschiebung schützen
Für ein Bildungssystem ohne Lücken
Menschliche Härten im Bleiberecht abbauen
Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen verbessern
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterstützen

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Müller