Frage an Norbert Jung von Hagen H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Jung,
was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?
Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?
Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?
Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.
Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?
Vielen Dank schon vorab für die Beantwortung der Fragen.
Freundliche Grüße
Hagen Herholdt
Sehr geehrter Herr Herholdt,
untenstehend erhalten Sie meine Antworten zu ihren Fragen vom 10.08.:
Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?
Neben den bekannten allgemeinen Ursachen spielen in Sachsen Anhalt die Abwanderungsbewegungen der 1990 Jahre und fehlende Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt, sowohl die zahl der Stellen als auch die Art der Stellen betreffend (Zunahme der Kurzzeitbeschäftigungen was einer Sesshaftigkeit entgegensteht) die Hauptrolle.
Lösungen können aus meiner Sicht nur mit einer intensiveren Zusammenarbeit der Kommunen fruchten; ansonsten laufen alle Maßnahmen wie Qualifizierung, für Familien attraktivere Gestaltung der Arbeitszeiten, Wirtschaftsförderung, Anpassung der Infrastruktur, kreative Lösungen bei der Gesundheitsversorgung in die falsche Richtung: der Vorteil einer Kommune zieht den Nachteil der umliegenden ggf. nach sich. Das Subsidiaritätsprinzip muss dabei konsequent beibehalten werden, die Kommunen brauchen mehr Luft zum atmen. Erfreulicherweise gibt es mittlerweile Studiengänge, die sich mit den Ursachen und dem Umgang mit der Tatsache des demografischen Wandels beschäftigen; diese Forschungsrichtung halte ich für sehr sinnvoll und unterstützungswürdig. Die Prognosen für Sachsen Anhalt sehen im Jahr eine Bevölkerung von unter 2 Millionen im Jahr 2030 bei steigendem Durchschnittsalter. Eine Herausforderung, Forschung benötigt und ganz neue, kreative Lösungen in allen Bereichen.
Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?
Überall wachsen die Großstädte und Ballungsgebiete. Ein Trend, der anhalten wird. Wie in Frage 1 angerissen, sind neue, kreative Lösungen bei Infrastruktur, ÖPNV, Gesundheitsversorgung, Einzelhandel u.v.m. zu entwickeln und der Konkurrenzkampf zwischen Kommunen und Landkreisen muss hinter einer intensiveren Zusammenarbeit zurückstehen, um die Folgen des demografischen Wandels abzufedern und in Grenzen zu halten. Begleitende und Grundlagenforschung ist dabei unerlässlich. Ebenso ist selbstverständlich die finanzielle Ausstattung der betroffenen Kommunen elementar wichtig, welche u.a. aus dem Europäischen Fonds für ländliche Entwicklung gezielt gefördert werden kann. Weiterhin kann die heute existierende Förderstruktur u.a. durch gezielte Ausrichtung auf die Verwendung nachhaltiger, ökologischer regionaler Produkte dazu beitragen, Wertschöpfungen in der Region zu halten.
Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?
Abgesehen von negativen Folgen für die SchülerInnen längere Wege etc. betreffend, werden die betroffenen Gemeinden erheblich an Attraktivität verlieren durch einen Verlust an Alltagsleben, was weitere Abwanderung zur Folge haben wird. Alles Effekte, die der Förderung des ländlichen Raumes entgegenstehen. Ein erhoffter Spareffekt ist gegenüber den negativen Auswirkungen nicht zu rechtfertigen.
Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.
Sie sollte aufgehoben werden, denn die Schließung von Grundschulen u.a. nach Mindestschülerzahl ist viel zu pauschal. Wie bereits oben mehrfach erwähnt, sind neue und kreative Lösungen auch hier gefragt, um nach Möglichkeit eine Schließung auch kleiner Grundschulen zu verhindern und damit die Attraktivität der entsprechenden Orte zu fördern. Schließungen können nur ganz individuell diskutiert werden.
Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?
Ohne Umbauten bei der Finanzierung und auch hier dem Entwickeln und Ausprobieren neuer, kreativer Lösungen sind die Chancen gering. Die Grundschulen sind nur ein Beispiel für die gewaltigen Herausforderungen des demografischen Wandels. Mit dem Drehen an wenigen Stellschrauben wird es dabei nicht getan sein. Auch muss hier eine Zusammenarbeit über kommunale Grenzen hinweg sowie zwischen den beteiligten Gruppen fortgesetzt und gefördert werden.
Über ein Feedback würdeich mich freuen und verbleibe
mit freundlichem Gruß
Norbert Jung