Frage an Norbert Geis von Nico N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag!
Ich habe gelesen, dass Sie eine Rehabilitierung der Opfer der NS-Justiz ablehnen.
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Bundeswehr/deserteure.html
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1998/0527/none/0027/index.html
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitreisen/833850/
Trifft dies zu?
Was veranlasst Sie dazu?
Wie ließe sich diese Haltung nach ihrer Ansicht mit christlichen und demokratischen Werten vereinbaren?
Ich danke im Voraus für die Antworten!
Sehr geehrter Herr Nissen,
herzlichen Dank für Ihre Frage zum Thema Aufhebung aller NS-Urteil. Gerne nehme ich Stellung:
Ich bin gegen die pauschale Aufhebung aller Kriegsverratsurteile, die während der nationalsozialistischen Zeit ergangen sind. Mit dem Gesetz vom 25.08.1998 und der Erweiterung durch die rot-grüne Koalition vom 23. Juli 2002, hat der Gesetzgeber einen Katalog von Gesetzen aufgelistet, die den elementaren Grundätzen der Gerechtigkeit widersprochen haben. Urteile auf Grundlage dieser Gesetze wurden bereits alle pauschal aufgehoben.
Bei allen Abstrichen, die man bei den Kriegverratsurteilen machen muss, ist eine pauschale Aufhebung, ohne eine Prüfung des Einzelfalls, kritisch. Durch das Gesetz von 2002 ist geregelt, dass diejenigen Militärgerichtsurteile pauschal aufzuheben sind, die eindeutig dem elementaren Gedanken der Gerechtigkeit widersprechen, wie z.B. Urteile gegen Homosexuelle.
Wer aber durch Kriegsverrat in verwerflicher Weise seine eigenen Kameraden in Lebensgefahr gebracht hat und diesen erheblichen Schaden zugefügt hat, der hat auch nach heutigen Maßstäben falsch gehandelt. Hier kann Unrecht nicht in Recht umgewandelt werden. Aus diesem Grund hat die rot-grüne Koalition damals auch ausdrücklich davon abgesehen, die Urteile wegen Kriegsverrat pauschal aufzuheben. Derjenige, der, nur um die eigene Haut zu retten, seine Kameraden verraten und in Gefahr gebracht hat, hat nicht politisch und moralisch gehandelt, sondern gegen allgemein gültige Maßstäbe verstoßen und seine Kameraden in den Tod getrieben. Das Argument der Linken, dass durch solche Handlungen das Nazi-Regime zerbrochen wäre, hinkt. Erstens gab es hierfür noch ganz andere Grunde und zweitens kann Unrecht doch nicht durch weiteres Unrecht ersetzt werden. Das heißt aber nicht, dass eine solche Tat nicht als eine Widerstandstat gelten kann. Ganz im Gegenteil. Durch eine Einzelfallprüfung kann ein Unrechtsurteil immer aufgehoben werden. Eine generelle Aufhebung jedoch würde geschehenes Unrecht in Recht umwandeln.
Mit freundlichen Grüßen