Frage an Norbert Geis von Ulla S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Geis,
ich komme ursprünglich aus Ihrer Region. Nachdem ich meine Arbeit verlor, bewerbe ich mich nun auch in Aschaffenburg und Umgebung.
Gestern fand der Demografiegipfel statt.
Während Innenminister Friedrich die vorhandene Potenziale besser ausschöpfen möchte, forderte Frau Bundeskanzlerin Merkel mehr Zuwanderung.
Was bleibt da von dem ursprünglichen CSU-Profil noch übrig?
Dabei zeigt die offizielle Statistik ein verzerrtes Bild über die tatsächliche Lage am Arbeitsmarkt.
Außerdem gibt es sehr viel Unterbeschäftigung, die die Bundeszentrale für Arbeit auch auflistet.
Warum verschweigen viele Politiker in den Debatten dies ständig?
Zukunftsforscher sagen vorher das die digitalen Entwicklungen viele Arbeitsplätze überflüssig machen wird.
Warum werden die Menschen die in Deutschland sind nicht besser gebildet, ausgebildet und warum werden sie nach der vierten Klasse einfach ausselektiert?
In einigen anderen Ländern ist das anders, da kann man m.W. ein Leben lang Abschlüsse nachholen und wird vom Staat dahingehend gefördert.
Warum bekommt man bei einer Zweitausbildung keine Hartz-IV-Leistungen?
Viele die keinen Job haben, könnten auch mit 35, 40 oder 45 Jahren noch eine Zweitausbildung machen, haben aber nicht die finanziellen Mittel um das zu machen.
Warum ändern Sie das nicht?
Zum besseren Verständnis sende ich Ihnen folgende Links als Beleg mit:
http://de.wikipedia.org/wiki/Unterbesch%C3%A4ftigung
http://www.gegen-hartz.de/urteile/0344e19b1708bfe01.html
Ich wäre sehr dankbar, wenn ich von Ihnen eine konkrete Antwort bekommen würde.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schwarzer
Sehr geehrte Frau Schwarzer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen. Gerne werde ich versuchen, Ihnen trotz der sehr breiten angesprochenen Themenpalette eine Antwort zu geben.
Zunächst sollte man festhalten, dass wir heute in Deutschland eine Rekordbeschäftigung haben. 2012 wurde 42 Millionen Erwerbstätige gezählt. Seit der Wiedervereinigung gab es nicht mehr so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie heute. Der Vorwurf, die guten Arbeitsmarktzahlen würden nur mit Minijobs geschönt stimmt einfach nicht. Gleichzeitig sind seit 2010 die Realeinkommen um drei Prozent pro Jahr gestiegen. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Bayern gehört auch in Sachen Arbeitsmarkt bundesweit zu den Spitzenreitern.
Diese Erfolge sind keine Selbstverständlichkeit, angesichts der seit 2008 andauernden die Krise in Europa und anderen wichtigen Absatzmärkten, wie den USA oder Japan. Dazu kommt ständig wachsender Konkurrenzdruck für die deutsche Wirtschaft aus aufstrebenden Schwellenländern wie China, Russland, Brasilien und Indien. Diese schwierigen Umstände machen die erfolgreiche Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes umso beeindruckender.
Es geht nun darum diesen Erfolg zu verstetigen und die künftigen Herausforderungen für den deutschen Arbeitsmarkt rechtzeitig anzupacken. Die zentrale Herausforderung ist auch in diesem Zusammenhang zweifellos der demographische Wandel. Bis 2030 wird die deutsche Bevölkerung um 5 Millionen schrumpfen. Bis 2050 werden wir nur noch 65 Millionen Menschen sein. Dabei sind gewisse Zuwanderungsquoten schon einberechnet.
Selbstverständlich hat der Bundesinnenminister recht, wenn er vor diesem Hintergrund den Vorrang der deutschen Arbeitnehmerschaft betont. Daher stimme ich auch Ihnen vollkommen zu, dass lebenslanges Lernen eine unabdingbare Notwendigkeit ist, angesichts der zunehmenden Anforderungen in einer hochkomplexen und sich stetig ändernden Arbeitswelt. Daher hatte sich die Bundesregierung bereits 2008 auf dem Dresdner Bildungsgipfel das Ziel gesetzt, bis 2015 eine Fortbildungsquote von 50 Prozent zu erreichen. Diese Zielmarke wurde bereits weitgehend erfüllt. Zwischen 2011 und 2012 haben 49 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland an einer Fortbildungsmaßnahme teilgenommen. Sowohl die Arbeitgeber, als auch die Bundesregierung unterstützt dieses sogenannte "Lebenslange Lernen".
Deswegen ist dieser Bundesregierung die Bildung enorm wichtig. Das lässt sich an der beispiellosen Aufstockung des Etats des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf über 13,7 Milliarden Euro ablesen. Noch nie hat eine Bundesregierung so viel Geld für Bildung und Forschung ausgegeben. Die Aufstockung geschieht, obwohl Bildung originär unter die Kultushoheit der Länder fällt und obwohl uns die Schuldenbremse zu Einsparungen zwingt. Die absolut notwendigen Einsparungen vollziehen wir aber in anderen Bereichen, gerade weil wir wissen, dass die gut ausgebildeten Menschen in unserem Land unsere wertvollste und einzige Ressource sind.
Nichtsdestotrotz bleiben heute schon viele Lehrstellen mangels Bewerbern unbesetzt. Allein in der Altenpflege werden laut Prognosen bis zum Jahr 2020 über 200.000 Pflegefachkräfte fehlen. Diese Lücken wird Deutschland angesichts seiner negativen Geburtenquote kaum aus eigener Kraft schließen können. Nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen Berufssparten sind deutsche Unternehmen auf ausländische Fachkräfte angewiesen, um ihren Standort in Deutschland langfristig zu halten. Vor diesem Hintergrund weißt auch die Bundeskanzlerin auf einen richtigen Punkt hin.
Nun zu Ihrer spezifischen Frage nach Hartz IV für die Zweitausbildung. Ihre Überlegung kann ich zwar nachvollziehen, jedoch dient das Arbeitslosengeld II grundsätzlich nur zur Sicherung des Lebensunterhalts im Notfall. Das Arbeitslosengeld II ist prinzipiell keine Studien- oder Ausbildungsförderung, die der Staat auf anderem Wege leistet z.B. über das BaföG. Dennoch können auch beim ALG II Ausnahmen genehmigt werden. Es kommt dabei jeweils auf die "Förderungsfähigkeit der Ausbildung" an. (vgl. http://www.arbeitsagentur.de/nn_434188/zentraler-Content/Veroeffentlichungen/WDB-SGB2/Kapitel-02/070007-Leistungsausschluss-Zweitausbildung.html)
Dennoch hat die Bundesregierung kürzlich gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit die Initiative „Erstausbildung junger Erwachsener“ gestartet. Ziel ist es, 100.000 jungen Menschen zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsausbildung eine zweite Chance zu geben. (Vgl. http://www.arbeitsagentur.de/nn_27030/zentraler-Content/Pressemeldungen/2013/Presse-13-009.html)
Sehr geehrte Frau Schwarzer, ich habe mich bemüht auf Ihre zahlreichen Fragen möglichst umfassend zu antworten. Abschließend möchte ich noch einmal ausdrücklich dem Eindruck widersprechen, dass sich die Koalition nicht um die Bildung der Menschen kümmern würde. Denn das genaue Gegenteil ist der Fall. Diese Bundesregierung hat den Etat für Bildung und Forschung trotz des allgemeinen Sparzwangs konsequent über Jahre hinweg auf ein historisches Rekordniveau angehoben. Dem deutschen Arbeitsmarkt geht es heute so gut wie seit langem nicht mehr. Sicherlich bleibt noch vieles zu tun, aber Deutschland steht dank seiner starken Wirtschaft, seinen leistungsbereiten Arbeitnehmern und Unternehmen und auch seiner umsichtigen Politik heute sehr gut dar. Wir abreiten ständig daran, dass es so bleibt.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis MdB