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Frage von Martin S. •

Frage an Norbert Geis von Martin S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Geis,

vielen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort vom 11.12.2012 auf meine Frage vom 03.12.2012.

Sie verteidigen die Troika damit, daß eine "100prozentig verlässliche" Prognose nicht möglich war, weil die Situation so schwierig gewesen sei.

Dies berücksichtigt aber nicht, daß es sich nicht um eine Abweichung der Prognose von ein paar Prozent handelt, sondern es handelte sich statt der prognostizierten Zunahme um 10% um eine Abnahme um fast 20%. Es kam also statt eines großen Gewinns am Schluß ein riesiger Verlust heraus.

Dabei ist es der Troika besonders anzulasten, daß zum Zeitpunkt Ihrer Abstimmung im Bundestag im Januar 2012 die Hälfte des Zeitraums, für den die Prognose abgegeben wurde, schon verstrichen war. Dieser Teil der Informationen war also gar nicht Bestandteil der Prognose.

Nachdem die griechische Volkswirtschaft in 2010 und 2011 um mehr als 10% geschrumpft war, was die Troika wußte, weil man es sogar in jeder Tageszeitung nachlesen konnte, hat sie offenbar damit gerechnet, daß in 2012 und 2013 ein Wirtschaftswachstum von über 20% aufweist, d.h. rund 10% pro Jahr. Nur so kann über den prognostizierten 4-Jahreszeitraum noch ein Gesamtgewinn von 10% entstehen. Ein solches Jahreswachstum hat nicht einmal China im Durchschnitt der letzten Jahre geschafft, und bei den anhaltend schlechten Meldungen aus Griechenland über Unruhen, Insolvenzen, Arbeitslosigkeit, etc. konnte dies gar nicht zutreffen.

Nun frage ich mich, ob Sie die Unterlagen noch haben, die Ihnen im Zuge der Griechenland-Abstimmungen im Januar 2013 vorgelegt worden sind. Es wäre zum einen schön, wenn Sie diese Unterlagen ungekürzt veröffentlichen, und mich würde im Anschluß an eine Prüfung dieser Unterlagen Ihre Antwort auf meine Frage interessieren, ob Sie im Januar 2013 bei der Griechenland-Rettung anders abgestimmt hätten, wenn die oben angeführten Überlegungen Teil dieser Unterlagen gewesen wären.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schweiger,

von einer Abstimmung über Griechenland im Januar 2013 ist mir nichts bekannt.

Die Unterlagen, die mir im Vorfeld zu den bisherigen Abstimmungen zu den Hilfen für Griechenland vorlagen wurden im wesentlichen längst veröffentlicht. Auf der Seite www.bundestag.de können Sie alle entsprechenden Drucksachen bezüglich der Hilfsgarantien für die hellenische Republik einsehen. [z.B. Drs. 17/11649 ff. (Nov. 2012), 17/8731 ff. (Feb. 2012)]

Bezüglich Ihrer Frage nach den Prognosen der Troika kann ich mich im Grunde nur wiederholen. Es ist müßig im Nachhinein über solche hypothetischen Fragen zu spekulieren. Insbesondere da die Banken-, Staatsschulden- und Wirtschaftskrise in der Euro-Zone von einer Krise der Wirtschaftswissenschaften gekennzeichnet ist und die Entscheidungsträger trotz des damit verbundenen hohen Grad an Ungewissheit schnell handeln mussten.

Fakt ist, dass kaum eine der zahlreichen Prognosen bezüglich der Euro-Krise tatsächlich eingetroffen ist. Es gab zu positive Prognosen wie sie zweifellos auch seitens der Troika getroffen wurden. Gleichzeitig hatten andere renommierte Ökonomen wie der US-Amerikaner Nouriel Roubini oder der Ifo-Chef Prof. H-W. Sinn den Zusammenbruch der Euro-Zone bis zum Ende 2012 vorausgesagt. Heute steht das Euro-System dank unserer Entscheidungen jedoch deutlich stabiler da, als noch vor einem Jahr. Darüber besteht nun auch breiter Konsens in der Fachwelt.

Diese Stabilisierung der Euro-Zone ist auch ganz wesentlich mit der politischen Solidarität gegenüber den Krisen-Ländern insbesondere auch dem Sonderfall Griechenland verbunden. Die Menschen und insbesondere die Investoren auf den internationalen Finanzmärkten haben eingesehen, dass sich die Euro-Zone nicht so einfach auseinander spekulieren lässt.

Dennoch habe ich stets betont, dass ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone als Ultima Ratio nicht ausgeschlossen werden darf. Die CSU hat das auch immer wieder unterstrichen. Dies schon allein deshalb, weil eine solche letzte Option eine stark disziplinierende Wirkung auf alle Mitgliedsstaaten hat. Allerdings bedeutet Ultima Ratio, dass zunächst alle anderen zur Verfügung stehenden Optionen ausgeschöpft werden.

In diesem Zusammenhang muss ich erneut auf das alternative Szenario hinweisen, welches ein "Grexit" vor allem in der Situation im Frühjahr 2012 nach sich gezogen hätte. (vgl. Studie der Bertelsmann-Stiftung) Die Folgen eines Austritts aus der Euro-Zone hätte das gesamte System in seinen Grundfesten erschüttert und Spekulationen gegen andere Länder Tür und Tor geöffnet. Eine unkontrollierbare Kettenreaktion wäre innerhalb Europas in Gang gesetzt worden, die den deutschen Staat und die deutschen Bürger am Ende wohl weitaus mehr hätte kosten können, als bisher über Bürgschaften für Griechenland aufgeboten bzw. riskiert wurde.

Um Ihre Frage abschließend zu beantworten: Ich würde auch heute noch dem zweiten Griechenland-Paket zustimmen. Die Entspannung auf den Finanzmärkten, die rückläufigen Target-II Salden, die sinkenden Zinsen auf Staatsanleihen der Krisen-Länder, die schrumpfenden Haushaltsdefizite trotz Rezension und die Rückkehr des Vertrauens der Investoren in die Banken und Staaten der gesamten Euro-Zone zeigen eindrücklich, dass es richtig war, ein kalkulierbares Risiko über den Rettungsschirm in Kombination mit entsprechenden Reformen einzugehen, anstatt frühzeitig das unkalkulierbare Risiko eines Austritts einzugehen und damit der Krise tatenlos ihren Lauf zu lassen.

Inwiefern die Reformen in den einzelnen Euro-Ländern erfolgreich für neuen wirtschaftlichen Schwung sorgen können, muss abgewartet und stetig neu beurteilt werden. Daher spricht sich die christlich-liberale Bundesregierung im Gegensatz zur rot-grünen Opposition klar gegen eine vorbehaltlose Vergemeinschaftung der Schulden in der Euro-Zone aus. Solidarität darf es nur im Gegenzug für Solidität geben. Dieses Prinzip muss auch weiterhin bei der Bewertung der Fortschritte in den Krisenländern angewandt werden. Bürgschaften dürfen nur im Gegenzug für deutliche Reformfortschritte bereitgestellt werden. So hatte Griechenland im Vorfeld zum zweiten Rettungspakte alle geforderten Maßnahmen (prior actions) umgesetzt.

Trotz aller Fortschritte ist die Krise noch längst nicht überwunden. Wir müssen die hart erarbeitete Atempause nun konsequent nutzen, um die Reformen in den Krisenländern und in den Institutionen der EU konsequent voranzutreiben. Auch bei uns gibt es in Sachen Haushaltskonsolidierung noch einiges zu tun.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Geis MdB