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Norbert Geis
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Frage von Swen S. •

Frage an Norbert Geis von Swen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Geis,

Demokratie stützt sich auf Mehrheiten. Unser Wahlrecht lässt eine Mehrheitsbeteiligung nicht zwingend zu.

Beispiel:

Partei A: 41% Partei B: 30% Partei C: 17% Partei D: 7% Partei E: 5%

Aufgrund möglicher Konstellationen, kann Partei A immer von der Regierungsbildung ausgeschlossen werden, obwohl die demokratische Mehrheit des Volkes Partei A zur Regierungsmitbildung beauftragt hat. Mögliche vorabgetroffene Koalitionszusagen sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da Parteien sich nicht an diese Zusage halten (müssen).

Wann wird eine verfassungsmäßige Änderung des Wahlrechtes angestrebt, um Volkes Willen durchzusetzen und eine längerfristige Konstanz in die Regierungsgeschäfte zu bringen.

Vor allem könnte so eine Regierungsunfähigkeit, wie in der Weimarer Politik (durch zuviel kleine / temporäre Parteien -> z.b. Piraten) ausgeschlossen und bekannte Gesamtfolgen der nachhaltigen Regierungsunfähigkeit verhindert werden.

MfG
S. Schulle

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schulle,

haben Sie vielen Dank für Ihre interessante Frage. Ihre Sorge halte ich für nachvollziehbar, auch wenn ich sie nicht ganz teile.

Sie haben recht, dass die Weimarer Republik aufgrund der extremen Zersplitterung der Parteienlandschaft letztendlich zum Scheitern verurteilt war. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben deshalb die 5-Prozent-Hürde eingeführt, um einer solchen selbstzerstörerischen Zersplitterung des Parlamentes vorzubeugen. Theoretisch könnte der Bundestag zwar dennoch in bis zu 20 verschiedene Bundestagsfraktionen aufgesplittert werden. In der politischen Praxis ist dieses Szenario aber äußerst unwahrscheinlich. Seit Gründung der Bundesrepublik haben es lediglich die Grünen geschafft, sich als neue Partei neben den vier etablierten Parteien (CDU, CSU, SPD, FDP) dauerhaft im Bundestag zu halten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die politische Landschaft zukünftig entwickeln wird, ob auf Bundesebene tatsächlich neue Kräfte hinzukommen oder gar alte Kräfte verschwinden. Das zu entscheiden liegt ganz allein bei den Wählerinnen und Wählern.

Unsere Demokratie stützt sich selbstverständlich zuvorderst auf den Wählerwillen. Allerdings müssen Sie unterscheiden zwischen absoluter und relativer Mehrheit der Wählerstimmen. In Ihrem Szenario hat es keine der Parteien geschafft, die absolute Mehrheit der Wählerstimmen (50% + X) zu erreichen. Nur diese absolute Mehrheit wäre eine Garantie für die Regierungsbildung. Partei A kommt mit 41% lediglich auf eine relative Mehrheit. Um die Regierung bilden zu können braucht sie mindestens einen Koalitionspartner, um über 50 Prozent der Wählerstimmen zu erhalten und damit die absolute Mehrheit der Wählerstimmen auf sich zu vereinen.

Als stärkste Kraft hat Partei A im Bundestag beste Voraussetzungen, um den Bundeskanzler zu stellen und die Regierung zu bilden. Bisher war es in der Geschichte der Bundesrepublik immer so, dass der Spitzenkandidat der stärksten Partei auch Bundeskanzler geworden ist. Es gibt daher sozusagen ein Gewohnheitsrecht, dass die stärkste Partei als erstes mit Koalitionsgesprächen beginnen darf. Es liegt dann an der Parteispitze eine oder mehrere der kleinere Parteien zu einer Koalition zu bewegen. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Programme der unterschiedlichen Parteien ausreichend viele inhaltliche Gemeinsamkeiten aufweisen, um einen gemeinsamen Koalitionsvertrag beschließen zu können. Erst dann ist eine gute Regierungszusammenarbeit möglich.

Sollten sich nun aber die Parteien B, C und D zu einer Koalition zusammenraufen, vereinen sie 54 % der Wählerstimmen auf sich und haben damit die absolute Mehrheit der Wählerstimmen und das Recht zur Regierungsbildung. Partei A muss trotz ihrer relativen Mehrheit in die Opposition. Das ist hart, entspricht aber den demokratischen Spielregeln. Letztendlich wird eine Koalition jedoch umso instabiler, je mehr Koalitionspartner es gibt bzw. je größer die Unterschiede zwischen den Partnern sind. Die Parteispitzen wissen das für gewöhnlich und verhandeln entsprechend.

Sehr geehrter Herr Schulle, ich hoffe, dass ich Ihre Sorgen etwas zerstreuen konnte. Einen Grund für eine Verfassungsänderung, für die nicht nur eine absolute Mehrheit, sondern eine 2/3 Mehrheit notwendig wäre, sehe ich angesichts der aktuellen politischen Lage in Deutschland jedoch nicht. Das Grundgesetz hat bisher für sehr stabile Verhältnisse in Deutschland gesorgt und ist auch deswegen zu einem wahren Exportschlager geworden und wurde vielfach kopiert.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Geis MdB