Portrait von Norbert Geis
Norbert Geis
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Norbert Geis zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Martin S. •

Frage an Norbert Geis von Martin S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Geis,

wie man auf der Internetseite des Bundestags sehen kann, haben Sie am 27.02.2012 für das "Griechenland II"-Paket gestimmt.

Nun stellt sich heraus, daß die Ihnen damals als Entscheidungsbasis vorgelegten Daten über Griechenland falsch gewesen sind.

Insbesondere die von der Troika für Griechenland angegeben Wachstumszahlen lagen vollständig daneben.

Jeder Zeitungsleser in Deutschland hätte stets und immer sagen können, daß diese Einschätzung der Troika falsch war. Wie soll eine Wirtschaft, die fast keine Industrie hat, ein Wirtschftswachstum hinlegen, wenn der Einzelhandel auf breiter Basis schließt und Arbeitslosigkeit herrscht?

Das war übrigens der Grund, warum sich so viele Bürger mit der Bitte an ihre Bundestagsabgeordneten gewendet haben, gegen Rettungsmaßnahmen für Griechenland zu stimmen. Es ist nun Allgemeingut, daß diese Gelder verloren sind.

Hier
http://blogs.telegraph.co.uk/finance/ambroseevans-pritchard/100021059/the-german-bloc-will-have-to-take-its-bitter-medicine-in-greece/
kann man zu den von der Troika falsch vorgelegten Zahlen genaueres nachlesen. Entsprechend dieser Nachrichten sind die wahren Zahlen -4.5% für 2010, -6.9% für 2011, -6.5% für 2012 und -4.5% für 2013. Aufsummiert macht das -17,9% für vier Jahre, anstelle eines positiven, von der Troika vorhergesagten Werts.

Die Einlassung des IWF, eine richtige Schätzung sei wegen der "chaotischen Verhältnisse" so schwer gewesen, ist nicht glaubwürdig, wie der obige Artikel begründet sagt.

Hier
http://www.timepatternanalysis.de/Blog/2012/11/23/troika-hut-ab/
finden Sie einen aktuellen Artikel, der denselben Mißstand anprangert.

Nun meine Fragen hierzu:

Wenn Ihnen die wahren Verhältnisse bei der Abstimmung zum ESM und Griechenland II bekannt gewesen wären, hätten Sie dann dagegen gestimmt, anstatt uns noch weiter in die Haftung zu reiten?

Oder wäre Ihnen dieser Aspekt bei der Abstimmung egal gewesen?

Portrait von Norbert Geis
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schweiger,

selbstverständlich sind die von Ihnen angeführten Aspekte für die Beurteilung der Hilfen für Griechenland nicht egal. Das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruches in Griechenland ist erschreckend. Jedoch handelt es sich bei den Wachstumsprognosen der Troika (EU IWF, EZB) eben nur um Prognosen. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese an der Realität zerbrechen können und korrigiert werden müssen. Auch deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute müssen ihre Prognosen für das deutsche Wachstum teilweise deutlich korrigieren, obwohl sie ihren Prognosen ein viel verlässlicheres und umfangreicheres Datenmaterial zugrunde legen können. Angesichts der in vielerlei Hinsicht chaotischen Zustände in Griechenland mangelt es den Experten der Troika an ähnlich verlässlichen Daten. Dazu kommen die Jahre der Krise und der Rezension, die eine unvorhersehbare Eigendynamik entwickeln. Vor diesem schwierigen Hintergrund eine 100prozentig verlässliche Prognose abzugeben, ist kaum möglich.

Es ist gerade diese große Unsicherheit, die das Krisenmanagement stark prägt. Niemand kann verlässlich vorhersagen, wie sich die Krise in Griechenland und dem Rest der Euro-Zone entwickeln wird und was die beste Lösung ist. Eine Patentlösung gibt es definitiv nicht. Die renommiertesten Ökonomen widersprechen sich in ihren Analysen und Ratschlägen teilweise diametral. Alle warnen sie aber vor dem unkontrollierten Zerfall der Euro-Zone. Als verantwortliche Politiker müssen wir trotz dieser Unsicherheit verantwortliche Entscheidungen treffen und stehen dabei oft unter erheblichem Zeitdruck. Die Bundesregierung geht daher immer nur Schritt für Schritt. Einfach Nein zu sagen, die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten ist für mich keine Option. Bevor man Nein sagt, muss man eine gangbare Alternative parat haben. Eine solche realistische, verantwortbare und umsetzbare Alternative ist für mich aber derzeit nicht in Sicht.

Seit 2010 hat sich gezeigt, dass das griechische Wirtschaftswachstum kein echtes Wachstum war, sondern in erster Linie auf Kredit finanzierter Konsum. Der nun zu beobachtende Schrumpfungsprozess ist ein überaus schmerzhafter, aber unvermeidlicher Anpassungsprozess an die Realität. Sowohl der griechische Staat, als auch die griechische Wirtschaft unterliegen einer umfassenden Transformation, wie sie in ähnlicher Weise in den Länder Osteuropas nach dem Fall der Mauer beobachtet werden konnte. Zweifellos ist das heute erkennbare Ausmaß der Krise in Griechenlands Wirtschaft ebenso wie im öffentlichen Sektor aber erschreckend.

CDU/CSU und FDP hatten die griechische Haushaltlage und Wirtschaftskraft bereits im Jahr 2000 sehr kritisch beurteilt und sich massiv gegen eine Aufnahme des Landes gewehrt. Mein Kollege, der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller MdB, sagte dazu in seiner Bundestagsrede für die Unionsfraktion am 29. Juni 2000 wörtlich: „Herr Eichel, die Aufnahme Griechenlands in den Eurokreis zum jetzigen Zeitpunkt war ein schwerer Fehler. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Staatsverschuldung betrug 104 Prozent. Bei der Inflationsbekämpfung wurde manipuliert. Sie haben die Kriterien einfach einmal mit links hinweggeschoben und das Vertrauen in den Euro beschädigt.“ (Drucksache 14/111 s.57-59) Die damalige rot-grüne Bundesregierung hat unsere Warnungen aber ignoriert und ein paar Jahre später auch noch den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht und Deutschland zum größten Schuldensünder in der Euro-Zone gemacht. Die christlich-liberale Koalition muss nun ausgehend von diesen verheerenden Fehlern der Vergangenheit einen gangbaren Weg aus der Krise finden.

Die Prognosen für das griechische Wirtschaftswachstum sind nicht der einzige Aspekt, den es bei der Beurteilung für die Unterstützung Griechenlands als Euro-Staat zu berücksichtigen gilt. Die griechische Bevölkerung hat sich in der letzten Wahl mehrheitlich für den überaus schwierigen, aber m.A.n. richtigen Weg der Konsolidierung entschieden. Griechenland hat beachtliche Schritte unternommen, um seine Finanzen zu ordnen und zu stabilisieren. Die Troika hat trotz der nicht vorhersehbaren Entwicklungen in ihrem einvernehmlichen Bericht vom November 2012 bestätigt, dass Griechenland ein breit gefächertes Reformprogramm, den Haushalt für 2013 und eine ambitionierte mittelfristige Haushaltsstrategie bis 2016 in zufriedenstellender Weise auf den Weg gebracht hat. Das ist ausdrücklich zu würdigen. Griechenland hat Enormes geleistet. So wurden zum Beispiel die Staatsausgaben von 2009 bis 2012 um 20 Prozent reduziert. Bezogen auf den deutschen Bundeshaushalt käme das Ausgabenkürzungen in Höhe von rund 60 Milliarden Euro gleich. Auf das Jahr gerechnet entspricht das ungefähr den Ausgaben des Bundes für das Arbeitslosengeld II. Diese gewaltige Kraftanstrengung, die vor allem dem Druck der Krise geschuldet ist, muss nichtsdestotrotz anerkannt werden.

Ich habe stets gesagt, dass der Austritt eines Landes aus der Euro-Zone als "ultima ratio" nicht pauschal ausgeschlossen werden darf. Eine solche ultimative Option hätte auf alle Länder der Euro-Zone eine disziplinierende Wirkung und könnte daher die Rettungspolitik langfristig glaubwürdiger machen. Tatsache ist aber auch, dass ein Austritt eines Euro-Landes gewaltige Risiken mit sich bringt, die man nicht ignorieren darf. Man muss mit dieser "ultima ratio" also sehr vorsichtig sein. Denn ein Austritt könnte eine Kettenreaktion in Gang setzen, die die anderen Krisenländer, die gesamte Euro-Zone und letztendlich die ganze Weltwirtschaft massiv beschädigen könnte. Eine solche Weltwirtschaftskrise hätte natürlich auch verheerende Folgen für die Exportnation Deutschland. Einen Eindruck der Risiken eines Austritts gibt Ihnen die folgende Studie der Bertelsmann Stiftung: http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-034FF3D1-B29A9036/bst/hs.xsl/nachrichten_113793.htm

Sehr geehrter Herr Schweiger, der eingeschlagene Weg der Bundesregierung ist sicherlich nicht risikofrei. Meine Zustimmung zu den von Ihnen genannten Beschlüssen halte ich aber nach wie vor für richtig. Ich bin überzeugt, dass diese Beschlüsse nach Abwägung aller derzeit bekannten Risiken richtig waren und auch aus heutiger Sicht richtig sind. Mit dem Fiskalpakt und neuen Kotrollmechanismen auf EU-Ebene (Europäisches Semester, Two Pack, Six Pack) werden die EU-Staaten zu mehr Haushaltsdisziplin angehalten und der zahnlose Stabilitätspakt gestärkt. Der ESM garantiert, dass im Notfall kein Flächenbrand entsteht und versäumte Reformen in den Krisenländern nachgeholt werden. Natürlich ist man im Nachhinein immer schlauer. Alle Beteiligten mussten dazulernen. Diese Bundesregierung tut aber seit Beginn der Krise alles, um das Risiko für den deutschen Steuerzahler so gering wie möglich zu halten und nutzt den Druck der Krise, um ganz Europa auf ein stabileres Fundament zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Geis MdB