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Norbert Geis
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Frage von Tobias F. •

Frage an Norbert Geis von Tobias F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Geis,

auf Focus Online (01.08.2012) werden Sie in Bezug auf die geplante Legalisierung der "Beschneidung" wie folgt zitiert: "Es geht um das Wohl des Kindes (...) Ich sehe deshalb körperliche Unversehrtheit und Religionsfreiheit nicht als Gegensatz."

Das Grundgesetz schreibt die Würde des Menschen als höchstes Gut vor. Die Rechte des Individuums zählen folglich mehr, als die religiöser Gruppierungen. Es ist also Aufgabe des Staates, nicht das Kind einer rituellen Körperverletzung auszuliefern, sondern es vor eben dieser zu schützen.

Ferner stellt die "Beschneidung" eine Zugehörigkeitsmarkierung dar, was ein direkter Eingriff in die Religionsfreiheit des Kindes ist. Zur Religionsfreiheit gehört auch das Recht, keiner Religion angehören zu müssen und folglich keine (irreversiblen) Zugehörigkeitsmarkierungen zu erhalten. Die Religionsfreiheit des Kindes steht also in Verbindung mit Art. 1 GG über der Religionsfreiheit der Eltern.

Die "Beschneidung" stellt damit einen Eingriff in gleich vier Grundrechte des Kindes dar:
Art. 1 GG – Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Menschenrechte sind
unveräußerlich und unverletzlich.
Art. 2 GG – Freie Entfaltung der Persönlichkeit; Recht auf körperliche Unversehrtheit
Art. 3 GG – Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Art. 4 GG – Religionsfreiheit

Mit welcher Begründung ordnen Sie vier Grundrechte des Kindes hinter dem Recht auf Religionsfreiheit der Eltern ein?

Inwiefern sehen Sie insbesondere das Recht des Kindes auf Religionsfreiheit gewährleistet, wenn das Kind ohne seinen ausdrücklichen Wunsch irreversible Zugehörigkeitsmerkmale erhält?

Der Gesetzentwurf (§ 1631d BGB) sieht keine religiös motivierte Begründung vor. Folglich kollideren keine Grundrechte des Kindes mit denen der Eltern. Halten Sie das geplante Gesetz für verfassungskonform und werden Sie diesem zustimmen?

Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Norbert Geis
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Pulsnitz,

haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihre Frage zur Beschneidung. Ich kann Ihre Kritik verstehen, kann Sie aber nicht teilen.

Der Staat muss in dieser Frage Rechtssicherheit schaffen, nachdem dies nicht durch ein Urteil eines höheren Gerichts erfolgt ist. Neben dem hohen Gut der körperlichen Unversehrtheit müssen in dieser Frage noch andere Rechtsgüter abgewogen werden und zwar das Recht auf Erziehung (Art 6 Abs. 2 GG) und das Recht auf freie Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG). Mit dem vorliegenden Entwurf sind wir dieser Rechtssicherheitspflicht nachgekommen.

Der Gesetzgeber muss nun eingreifen und per Gesetz Klarheit schaffen. Dabei dürfen wir vor allem nicht über die Köpfe der entsprechenden Religionsgemeinschaften und der Betroffenen hinweg entscheiden. Grundsätzlich bin ich aber schon der Meinung dass dieser integrale Bestandteil der Religionsausübung unter entsprechenden Bedingungen möglich sein muss. Dies wird in so gut wie allen Rechtsstaaten der Erde genauso beurteilt. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier zu einer vernünftigen Lösung kommen können.

Ich plädiere dafür, dass niemand in Deutschland aufgrund seiner religiösen Überzeugungen ausgegrenzt wird und wir insgesamt zu einer fairen Debattenkultur zurückkehren.

Mit freundlichen Grüßen