Frage an Norbert Geis von Yussuf K. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Geis,
als Betroffener stelle ich immer wieder fest, dass gerade der familienrechtliche Bereich der Justiz regelrecht entrümpelt werden muss. Meine Gedanken dazu habe ich an Sie einmal in einigen Fragen formuliert:
1. Sorgerecht: Der Begriff „Sorgerecht“ ist doch eine leere Worthülse ohne jeglichen Wert. Wäre eine Ersetzung durch „das Recht des Kindes auf Betreuung durch beide Eltern“ per Gesetz nicht wesentlich besser?
2. Was halten Sie von einer Kopplung des Unterhaltes an den Umgang? Kurzum: Wird Umgang boykottiert, gibt es keinen Unterhalt.
3. Was halten Sie davon, diesen Begriff „Umgang“ durch „Betreuung“ zu ersetzen und in diesem Sinne von einer gemeinsamen Betreuung des Kindes durch seine Eltern zu sprechen?
4. Eine gerichtliche Elternvereinbarung ist strafbewehrt. Meist geht der Vollzug einer Geldstrafe bzw. Erzwingungshaft in´s Leere. Ist es nicht besser, dieses „teure“ Konstrukt ohne "Mehrwert" abzuschaffen?
5. Was halten Sie davon, dass Richter sich regelmäßig einer berufspsychologischen Untersuchung (Tauglichkeitsuntersuchung) unterziehen müssen. Schließlich arbeiten sie mit Menschen und verursachen ggf. irreparable seelische Folgen.
6. Wie stehen Sie zu einer fachspezifischen Ausbildung von Richter z. B. durch eine kinderpsychologische Zusatzausbildung?
7. Halten Sie die gesetzliche Parafierung wissenschaftlicher Standards für gerichtspsychologische bzw. Erziehungsfähigkeitsgutachen für überfällig?
8. Wie stehen Sie dazu, dass die Anwaltschaft, auch wenn es lukrative ist, aus Sorgerechts-/Umgangsverfahren im Sinne der Kindesinteressen und zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung zwischen den Eltern herausgelöst wird?
9. Wann bringt es der Gesetzgeber fertig, den Begriff "Kindeswohl" als verbindliche Arbeitsgrundlage für Familiengerichte und Jugendämter juristisch eindeutig zu definieren?
In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich mit freundlichsten Grüßen.
YK
Sehr geehrter Herr Kuramluri,
Ihre Fragen auf abgeordnetenwatch beantworte ich wie folgt:
Frage 1) Der Begriff „Sorgerecht“ ist keine leere Worthülse. „Sorgerecht“ besagt, dass die Eltern – also beide Eltern – das Recht und die Pflicht haben, für das minderjährige Kind zu sorgen. Das elterliche Sorgerecht umfasst die Personen- und die Vermögenssorge. Das Sorgerecht ist zum Wohle des Kindes auszuüben.
Frage 2) Unterhalt ist eine regelmäßige Geldleistung zur Deckung des Lebensbedarfs. Unterhalt ist also an den Lebensbedarf gekoppelt und nicht an den Umgang. Dabei soll es auch bleiben.
Frage 3) Ich verweise auf meine Antwort zu Frage 1. Der Oberbegriff ist das „Sorgerecht“ beider Eltern.
Frage 4) Vereinbarungen beider Eltern vor Gericht über die konkrete Ausübung der Sorge für ihr Kind sind grundsätzlich ein sinnvolles Instrument zur Ausübung des Sorgerechts. Dies gilt auch dann, wenn die Anwendung eines Zwangsmittels bei Nichteinhaltung der Vereinbarung im Einzelfall „ins Leere geht“.
Fragen 5 und 6) Von einer regelmäßigen „berufspsychologischen Untersuchung“ der Richter – Sie meinen wahrscheinlich vor allem die Familienrichter – halte ich eher wenig, mehr dagegen von einer kinderpsychologischen Zusatzausbildung der Familienrichter im Rahmen der beruflichen Fortbildung. Allerdings weiß ich auch um die jetzt schon bestehende enorme Arbeitsbelastung der Richterschaft.
Frage 7) Ich habe Zweifel, dass die von Ihnen genannten „wissenschaftlichen Standards“ für gerichtspsychologische Gutachten in praxistaugliche Gesetzesform gefasst werden können. Denn es wären wohl so viele Einzelheiten in den Gesetzestext aufzunehmen, dass dieser überfrachtet und damit eben nicht für die familiengerichtliche Praxis tauglich wäre.
Frage 8) Ich bin der Meinung, dass es den Eltern nach ihrer freien Entscheidung möglich sein und bleiben muss, in Sorgerechtsverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Frage 9) Das „Kindeswohl“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Inhalt nicht durch einen fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird. Sein Inhalt wird vielmehr bei der Rechtsanwendung auf den jeweiligen Einzelfall jeweils für diesen konkreten Einzelfall im Einzelnen bestimmt. Deswegen kann man den Begriff nicht im Gesetz – wie Sie es fordern – „eindeutig“ definieren.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis, MdB