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Norbert Geis
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Frage von Franz H. •

Frage an Norbert Geis von Franz H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Geis,

in der aktuellen Videobotschaft auf der Homepage http://www.singhammer.net räumt Ihr Parteikollege als erster Unions-Bundestagsabgeordneter öffentlich ein, daß das gesamte Haftungsrisiko für Deutschand über eine Billion = tausend Milliarden liegt.

Dabei hat er allerdins vergessen, daß er vor zwei Wochen im Zuge der Euro-Katastrophe für den Bankenfonds Soffin gestimmt hat, das macht 560 weitere Milliarden.

Am 28.01.2012 meldete das Handelsblatt Online: "Am Donnerstag hat der Bundestag für die Reaktivierung des 480 Milliarden Euro schweren Bankenrettungsfonds Soffin gestimmt. Mit den EU-Hilfen stehen die deutschen Steuerzahler nun für mehr als eine Billion Euro gerade."

Mit den in Singhammers Videobotschaft angegebenen von der EZB aufgekauften PIGS-Bonds, dem derzeitigen Target2, und dem Griechenland II von gestern komme ich auf insgesamt 1,700 Milliarden Haftungsrisiken = etwa fünf Staatshaushalte.

Und das reicht wahrscheinlich gar nicht, denn die EZB akzeptiert derzeit ja vor allem von PIGS-Banken sogar schmutzige Unterwäsche als Sicherheit für ausgereichte Gelder, wenn diese damit nur fleißig PIGS-Bonds aufkaufen. Und für EZB-Verbindlichkeiten haften wir ja mit 27%, auch mit mehr, sofern einer oder mehrere der anderen Gesellschafter pleite gehen.

Wie haben Sie vorgestern für das Griechenland II gestimmt?

Nun wäre noch interessant, wie haben Sie vorher beim Soffin-Paket gestimmt?

Und außerdem wäre noch interessant, wie weit Sie beim Risiko insgesamt mitgehen werden bzw, wo für Sie die Grenze erreicht ist. Bei einem Gesamtrisiko für Deutschland von jetzt fünf Bundeshaushalten, oder bei zehn Bundeshaushalten? Oder wollen Sie uns gleich für eine ganze Generation die Zukunft rauben, beispielsweise indem Sie den ESM in der jetzt bekannten oder einer ähnlichen Form durchwinken?

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Honegger,

Ihre Besorgnis hinsichtlich der Haftungsrisiken, die Deutschland im Zuge der Finanzmarkt- und Staatsanleihenkrise eingegangen ist, kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Zahlen, die hier genannt werden, sind äußerst beunruhigend. Die Entscheidungen sowohl zum Rettungspaket für Griechenland, als auch zum EFSF waren daher sehr schwierig. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Ablehnung dieser Stabilisierungsinstrumente weitaus höhere Risiken für die deutschen Vermögenswerte zur Folge hätte, als die Zustimmung. Welches Vorgehen in der Krise das Beste ist, dazu gibt es leider keine klare Antwort. Führende Ökonomen widersprechen sich in ihren Analysen zum Teil diametral. Einig sind sich die Ökonomen nur darin, dass ein unkontrolliertes Auseinanderbrechen der Euro-Zone unabsehbare und zweifellos verheerende Folgen für Deutschland, Europa und die gesamte Weltwirtschaft hätte. In dieser von großer Unsicherheit geprägten Situation muss die Politik verantwortlich handeln. Ein wichtiges Element innerhalb der Stabilisierungsstrategie abzulehnen, ohne eine tragfähige Alternative zur Hand zu haben, ist hochriskant und deshalb in meinen Augen nicht zu verantworten.

Der Bankrott der US-Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 hat gezeigt, wohin die Untätigkeit der Politik in einer Krise führen kann. Die Pleite dieser einen Bank hat nicht nur den Finanzmarkt der USA in eine gewaltige Schieflage gebracht, sondern eine Kettenreaktion ausgelöst, deren Auswirkungen die gesamte Weltwirtschaft heute noch spürt. Deutschland ist aufgrund des guten Krisenmanagements der früheren und der aktuellen Bundesregierung, sowie des weitsichtigen Verhaltens der deutschen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besser als die meisten anderen Länder durch die Krise gekommen. Ein wichtiger Beitrag des Staates dazu war die Stabilisierung des deutschen Bankensektor mit dem Rettungsfonds SoFFin. Der SoFFin war bis Ende 2010 begrenzt. In den letzten Monaten hat sich jedoch ausgehend von der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum die Situation auf den Finanzmärkten erneut verschlechtert. Der Europäische Rat beschloss daher am 26. Oktober 2011, dass Banken zum 30. Juni 2012 temporär höhere Eigenmittelanforderungen erfüllen müssen. Die Reaktivierung des SoFFin war daher eine richtige, präventive Schutzmaßnahme, um den deutschen Finanzmarkt vorab zu beruhigen, so dass keine Kreditklemme für die deutsche Wirtschaft entsteht.

Ein erneutes Aufflammen der Finanzmarktkrise könnte den Zerfall der Euro-Zone zur Folge haben. Das könnte sämtliche deutschen Vermögenswerte bedrohen. Genau deshalb versucht die Bundesregierung den Märkte mit Garantien Sicherheit Stabilität zu geben. Bei einer Berechnung der gesamten Haftungsrisiken müssen Sie also unterscheiden zwischen den wirtschaftlichen Verflechtungen in der Euro-Zone, die vor allem für den hohen Target-2-Saldo verantwortlich sind, und den tatsächlichen Rettungsmaßnahmen. Innerhalb der Rettungspakete muss man wiederum differenzieren zwischen der gesamten in Aussicht gestellten Haftungssumme, dem kürzlich beschlossenen Griechenland II Paket, dem deutschen Anteil an der jeweiligen Garantiesumme, und den Krediten, die tatsächlich ausgezahlt wurden und somit in echtem Risiko stehen.

- Das größte Haftungsrisiko könnte Deutschland derzeit innerhalb der Europäischen Finanzmarkt-Stabilisierungs-Fazilität (EFSF) übernehmen. Die maximale Haftungssumme für Deutschland beträgt in der EFSF 211 Milliarden Euro. Das Gesamtvolumen der EFSF beträgt aber 440 Mrd. Euro.
- Aus dem EU-Haushalt kommen über den Europäischen Finanzmarkt-Stabilisierungsmechnismus (EFSM) weitere 60 Mrd. Euro hinzu. Der deutsche Anteil am EFSM liegt bei rund 20% (=12 Mrd. Euro).
- Weitere 250 Milliarden Euro an Garantien hat der Internationale Währungsfonds (IWF) zur Verfügung gestellt. Der deutsche Anteil am IWF liegt bei 6,12% (=15,3 Mrd. Euro). Diese insgesamt 750 Milliarden Euro werden gemeinhin als der "Rettungsschirm" bezeichnet. Die maximale Haftung die Deutschland übernehmen kann beträgt 238,3 Mrd. Euro.

- Von dieser maximalen Haftung über 238,3 Mrd. Euro wurden bisher erst 31,18 Milliarden Euro tatsächlich ausgezahlt und würden im Ernstfall für Deutschland einen Verlust bedeuten.

Diese Garantien verteilen sich auf die Krisenländer Portugal, Irland und Griechenland. Der Rettungsschirm hat Irland ein Hilfsprogramm über 85 Mrd. Euro und Portugal über 78 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Ausgezahlt werden diese Mittel in Tranchen. Vor der Auszahlung jeder Tranche kontrollieren die Experten der Troika ob die Auflagen eigehalten bzw. die erforderlichen Wirtschaftsreformen erfolgt sind. In Portugal und vor allem in Irland ist man auf einem guten Weg. Irland hat bisher 58,2 Mrd. aus seinem Rettungspaket erhalten. Deutschland bürgt davon via EFSM, EFSF und IWF für 7,5 Mrd. Euro. Die deutschen Bürgschaften für Irland können maximal auf 14,1 Mrd. Euro steigen. Portugal hat bisher 36,5 Mrd. Euro aus dem Paket erhalten. Davon hat Deutschland via EFSM, EFSF und IWF für 7,2 Mrd. die Haftung übernommen. Maximal bürgt Deutschland für 18,9 Mrd. Euro.

Da Griechenland das erste Krisenopfer war, wurde das erste Hilfspaket über 107,27 Mrd. Euro nicht unter den "Rettungsschirm" gepackt, sondern bilateral ausgezahlt. Die Länder der Euro-Zone haben dazu 77,27 Mrd. Euro beigesteuert und der IWF 26,43 Mrd. Euro. Deutschland haftet für Kredite an Griechenland über maximal 24,23 Mrd. Euro. Bisher wurden an Griechenland 6 Tranchen über insgesamt 73 Mrd. Euro ausgezahlt. Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat bisher Kredite in Höhe von 15,17 Mrd. gewährt. Über den IWF haftet Deutschland bisher für rund 1,1 Mrd. Euro. Die noch ausstehenden rund 33 Mrd. Euro (deutscher Anteil 7,73 Mrd.) sollen über die EFSF ausgezahlt werden. Im Zuge des nun beschlossenen Griechenland II Paketes von 130 Mrd. Euro könnte Deutschland maximal mit rund 34 Mrd. Euro haften. Zuvor muss jedoch sichergestellt werden, dass Griechenland die Reformen umsetzt und Fortschritte erzielt. Da das zweite Rettungspaket über den EFSF ausgezahlt werden wird, wird sich der deutsche Bürgschaftsrahmen dadurch nicht erhöhen.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wurde bisher noch gar nicht installiert. Die Regierungschefs der Euro-Zone haben inzwischen zwar die Eckpunkte beschlossen. Selbstverständlich müssen aber die nationalen Parlamente bzw. der Bundestag dem Vertrag noch zustimmen. Der ESM soll ein Volumen von 500 Mrd. Euro haben. Deutschlands Anteil daran soll 190 Mrd. betragen, wovon 22 Mrd. als Bareinlagen innerhalb der nächsten Jahre eingezahlt werden muss. Die übrigen 168 Mrd. Euro bestehen aus Garantien. Es steht jedoch noch nicht fest, ob der ESM nach seiner Einrichtung, die für den Sommer 2012 geplant ist, den bis 2013 befristeten EFSF ablösen wird oder ob ESM und EFSF parallel weiterbestehen werden, um so einen größeren Schutzwall zu erschaffen. Einige Fachleute argumentieren, dass das Risiko geringer wird, je höher der Schutzwall ist. Meine Zustimmung zum ESM mache ich davon abhängig, ob der Bundestag entsprechende Kontroll- und Mitspracherechte erhält. Das Bundesverfassungsgericht würde den Vertrag ansonsten kassieren.

Der hohe Target-2-Saldo der Bundebank ist in der Tat besorgniserregend. Dies ist ein äußerst komplexes Feld, das von den Fachleuten sehr unterschiedlich bewertet wird. Hier ist der Ursprung wohl in erster Linie in den eng miteinander verknüpften europäischen Volkswirtschaften zu suchen, deren Banken auch ohne die Währungsunion miteinander Verbindungen aufbauen und in wechselseitige Abhängigkeiten geraten würden. Die Staatsanleihenkäufe der EZB auf dem Sekundärmarkt beurteile ich ebenfalls sehr kritisch. Bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone wäre die gewaltige Summe von rund 500 Mrd. Euro aus dem Target-2 plus rund 59 Mrd. Euro (deutscher Anteil an den 219 Mrd. Euro für die die EZB Staatsanleihen der Krisenstaaten aufgekauft hat) verloren. Dies ist der Grund, warum wir alles daran setzen müssen, die Euro-Zone als Ganzes zu stabilisieren. Denn der Bankrott eines Mitgliedes der Euro-Zone könnte die wirtschaftlichen Folgen der Lehman-Pleite leicht in den Schatten stellen.

Die Bundeskanzlerin hat sicherlich recht, dass dieser Stabilisierungsprozess noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Ich denke jedoch, dass wir uns Schritt für Schritt einer Lösung annähern können. Der Fiskalpakt zur Konsolidierung der Haushalte, der Euro-Plus-Pakt bzw. die derzeitigen Verhandlungen zur Stärkung des Wirtschaftswachstums innerhalb Europa sind der richtige Weg. Angesichts der Macht der global agierenden Finanzmärkte ist die deutsche Politik mehr denn je auch die Kooperation innerhalb einer starken Staatengemeinschaft angewiesen. Deutschland braucht die EU, um langfristig im Konzert mit den USA, Japan und den großen, aufstrebenden Nation wie Indien, China, Brasilien und Russland eine Stimme zu haben. Das zeigt die Diskussion über die Finanzmarkttransaktionssteuer, die nur Sinn macht, wenn sie von möglichst vielen Staaten eingeführt wird. Man darf auch nicht vergessen, dass Deutschland mir seiner exportstarken Wirtschaft wie kaum ein anderes Land von dem zollfreien Zugang zu den 500 Millionen Kunden des europäischen Binnenmarktes enorm profitiert. Deutschlands Zukunft liegt daher in jedem Fall in Europa.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Geis MdB