Frage an Norbert Geis von Frank B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Geis,
haben Richter die Freiheit Gesetze zu interpretieren, bzw. Straftaten zu verharmlosen?
Heute stand in der http://www.welt.de/wams_print/article3166939/Koelner-Koma-Schlaeger-kommt-wieder-einmal-frei.html , dass ein Serienstraftäter wieder in die Freiheit entlassen wurde.
Dennoch ist ein Straftäter, dessen Taten zusammengerechnet locker 30 Jahre Gefängnis ergeben könnten, frei.
Gestern bekam der "20 Cent Mörder" nur 2 Jahre auf Bewährung.
Nun zu meinen Fragen:
• Wann ist der Punkt angelangt, dass Opfer das Recht selber in die Hand nehmen dürfen, weil die deutsche Justiz das Leib und Leben seiner Bürger scheinbar nicht schützt? (Artikel 2, Absatz 2)
• Wann hat die Bevölkerung das Recht auf Widerstand, weil Richter, scheinbar willkürlich, Komaschläger, Räuber und Vergewaltiger frei lassen?
• In Osnabrück urteilte das Landgericht mit Berücksichtigung islamischer Traditionen, als es um die Vergewaltigung einer Elfjährigen ging http://www.noz.de/lokales/54431487/mutter-draengt-sohn-zum-missbrauch-einer-elfjaehrigen-landgericht-osnabrueck-verurteilt-26-jaehrigen-und-eltern ) Sind vor dem deutschen Gericht alle Menschen gleich, oder sind Manche gleicher?
• Wie weit wird die Scharia – das islamische Recht – in deutschen Gerichten Gehör finden, wie bereits geschehen ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,722220,00.html )?
• Sind solche Urteile wirklich im Namen des deutschen Volkes gesprochen worden?
• Warum dürfen Deutsche nicht über Gesetze abstimmen?
• Warum dürfen Deutsche nicht, wie in den USA, die Richter bestimmen?
• Müssen Richter nicht das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn das Gesetz schwammig formuliert ist?
• Warum sind unsere Gesetze so schwammig formuliert?
• Wie viel Einfluss auf Urteile haben die regierenden Parteien?
• Werden Richter durch politische Institutionen wie Parteien ernannt?
• Welchen Lernerfolg werden Straftäter aus zu milden Urteilen erzielen?
Ich bedake mich für die Beantwortung.
mfg
Frank Borgmann
Sehr geehrter Herr Borgmann,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen. Ihr Unmut über die erwähnten Gerichtsentscheidungen ist nachvollziehbar.
Es gibt immer wieder Gerichtsurteile, in denen die Belange des Täters zu stark und die Belange des Opfers zu wenig berücksichtigt werden. Doch der Gesetzgeber bzw. die Politik kann niemals alle Situationen des Lebens vorhersehen und per Gesetz regeln. Deshalb haben die Gerichte stets einen gewissen Interpretationsspielraum. Das jeweilige Urteil obliegt ausschließlich dem zuständigen Gericht. Die Politik muss sich dabei heraushalten, denn unsere rechtsstaatliche Verfassung schreibt die Gewaltenteilung vor. Das bedeutet, dass die Politik bzw. die Legislative lediglich die Gesetze macht. Die Justiz/Judikative interpretiert diese Gesetze und wendet sie an. Im Gegensatz zum anglo-amerikanischen Rechtssystem folgt unser kontinental-europäisches Recht der römischen Rechtstradition und versucht die Fälle im Voraus gesetzlich zu regeln, so dass dem Richter eine weitgehend ausführende Rolle zu kommt. Dadurch sind die Gerichtsprozesse in Deutschland vorhersehbarer als in den USA. In den USA haben Richter und Jury weitaus größere Interpretationsspielräume als hierzulande.
Ich habe mich sowohl im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages als auch in der Öffentlichkeit stets dafür ausgesprochen, dass auch jugendliche Gewalttäter mit der vollen Härte des Gesetzes, soweit dies nach heutiger Gesetzgebung möglich ist, begegnet werden muss. Als Rechtspolitiker habe ich stets dafür plädiert, von richterlicher Seite keine falsch verstandene Nachsicht bei Gewaltverbrechen walten zu lassen, da dies auf Dauer zu einer Aushöhlung des Rechtsstaates führt und die Gerichtsurteile ihre abschreckende Wirkung verlieren. Gleichzeitig verlieren auch die Bürger und v. a. die Opfer ihr Vertrauen in den Rechtsstaat, wenn Gerichtsurteile dem allgemeinen Gerechtigkeitssinn zu sehr widersprechen. Im Jugendstrafrecht ist es zudem wichtig, dass die jugendlichen Straftäter schnell und konsequent eine maßregelnde Reaktion auf ihr Fehlverhalten erhalten.
In keinem Fall ist zulässig, dass ein Bürger das Gesetz selbst in die Hand nimmt. Dies würde den Grundprinzipien unseres Rechtsstaates widersprechen, in dem das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat liegt. Vor diesem Hintergrund betrachte ich die Scharia, die heute bereits mittels sogenannter "Friedensrichter" außerhalb unseres Rechtsstaates angewandt wird, mit großer Sorgen. In welchem Ausmaß die Scharia in Deutschland tatsächlich als ein eigenständiges Rechtssystem existiert, kann bisher nur vermutet werden. Hier gibt es Aufklärungsbedarf.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis MdB