Frage an Norbert Geis von Birgit S. bezüglich Wirtschaft
Herr Geis,
Sie haben am 29.09.2011 im Bundestag über die Erweiterung des EFSF - eine der schicksalhaftesten Entscheidungen für unser Land - abgestimmt. Laut der Panorama Sendung vom 29.09.2011 waren Sie aber vor der Abstimmung nicht in der Lage,weder die Höhe des Anteils Deutschland an den Kreditbürgschaften genau zu benennen, noch an welche Länder bereits Gelder aus dem EFSF vergeben wurden.
Nun möchte ich gerne wissen, wie Sie, Herr Geis, in der Lage sind, über ein Thema Ihre Stimme abzugeben, dessen Inhalt Sie nicht kennen. Denken Sie nicht, dass es Ihre Pflicht uns Bürgern/Bürgerinnen und unserem Land gegenüber ist, sich vor solch einer historischen Abstimmung kundig zu machen?
Birgit Stöger (Dipl.Inf.)
Sehr geehrte Frau Stöger,
sicherlich war der Auftritt keine Glanzleistung. Ich ärgere mich deshalb über mich selbst. Wie schnell das Fernsehen einen jedoch in ein viel schlechteres Bild rücken kann, hat diese Sendung gezeigt. Ihre Behauptung, ich würde den Anteil Deutschlands am EFSF nicht kennen, ist schlichtweg falsch. Diese Frage habe ich korrekt beantwortet. In dem kurzen Ausschnitt wurde lediglich die Frage gezeigt, bei der ich kurz unsicher war. Griechenland ist derzeit das Top-Thema in Sachen Euro-Stabilisierung, da dort die Lage besonders prekär ist. Der Großteil der Gelder aus dem ersten Rettungspaket ist bereits nach Athen geflossen. Dieses Hilfspaket stammt jedoch nicht aus dem EFSF, sondern eben aus bilateralen Krediten in Höhe von 80 Mrd. zwischen Griechenland und den Euro-Staaten, sowie dem IWF in Höhe von 30 Mrd. Der Anteil Deutschlands beläuft sich auf 22,4 Mrd. Euro oder 27,13% gemessen am EZB-Kapitalanteil, der sich aufgrund des Ausfalls Griechenlands auf 27,92% erhöht hat. Ob die Experten der Troika der Auszahlung der nächsten Tranche zustimmen, hängt vor allem von den Reformfortschritten in Griechenland ab.
Die Sachlage beim EFSF ist um einiges komplizierter als es die Fragestellung vermuten lässt. Das Hilfsprogramm für Irland hat ein Gesamtvolumen von 85 Mrd. Euro. Davon stammen 17,5 Mrd. aus irischen Pensionsfonds, 22,5 Mrd. aus der Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM), 4,8 Mrd. aus bilateralen Krediten von EU-Ländern wie Großbritannien und Dänemark, 22,5 Mrd. Euro vom IWF und 17,7 Mrd. vom EFSF. Der deutsche Anteil an diesem Paket beträgt 9,4 Mrd. Euro. Diese Mittel werden nicht alle auf einmal ausgeschüttet, sondern wie im Falle Griechenlands gestaffelt vergeben.
Im Falle Portugals gliedert sich das Hilfspaket von insgesamt 78 Mrd. Euro in drei Teile von jeweils 26 Mrd. Euro die vom EFSM, EFSF und dem IWF getragen werden. Wie im Falle Irlands beträgt der deutsche Anteil am EFSF Paket 29,2% (Deutschlands Anteil hat sich aufgrund des Ausfalls Irlands, Portugals und Griechenlands von ursprünglich 27,13% EZB-Anteil entsprechend erhöht). Der deutsche Gewährleistungsrahmen des EFSF von früher 123 und in Folge der Ausweitung jetzt 211 Mrd. Euro wurde für Portugal in Höhe von 13,6 Mrd. Euro in Anspruch genommen. Der deutsche Anteil am Hilfspaket des EFSM für Portugal liegt entsprechend des Finanzierungsanteils am EU-Haushalt bei rund 20 %. Die erste Tranche in Höhe von insgesamt 18,7 Mrd. Euro summierte sich aus 12,3 Mrd. von der EU (EFSF/EFSM) und 6,4, Mrd. vom IWF.
Sicherlich hätte ich diese Fakten auch ad hoc zwischen Tür und Angel parat haben müssen. Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass man angesichts der einzelnen Tranchen, die sich über bis zu drei Jahre verteilen, immer von der Zustimmung der Troika abhängig sind, sich deshalb verzögern können und eben aus verschiedenen Töpfen und nicht nur dem EFSF finanziert werden, auch mal zögerlich sein kann, weil man eben nichts falsches sagen will.
Den Vorwurf, ich würde mich mit der Materie nicht auskennen oder nicht auseinandersetzen, weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Selbstverständlich habe ich alle Diskussionen innerhalb und außerhalb des Bundestages um den EFSF verfolgt und mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht. Entgegen allen Trends habe ich mir für meine Meinungsbildung Zeit gelassen. Morgen am 05. Oktober 2011 habe ich zudem zum Thema "Wie sicher ist der Euro?" zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Aschaffenburg in den Konferenzsaal des Hotels „Wilder Mann“ eingeladen. Hier diskutiere ich gemeinsam mit Fachleuten das Thema Euro und stelle mich den Fragen der Bürgerinnen und Bürger.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis MdB