Frage an Norbert Geis von Michael G. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Geis,
zunächst vielen Dank für die schnelle Antwort.
Zu Ihren Antworten möchte ich noch folgendes zu bedenken geben und erfragen:
Ihrer Meinung nach soll es keinen Automatismus für die gemeinsame Sorge geben, sondern lediglich eine Klagemöglichkeit für Väter?
Aus erlebtem kann ich sagen, das Jungendämter, Mütter fast grundsätzlich davon abraten, die gemeinsame Sorge zu erklären. Auch hat sich, ebenso meine Erlebnissen nach, das Jugendamt in Sachen Mediation als ungeeignet, schlimmer noch eher kontraproduktiv gezeigt, in dem es einseitig der Mutter Möglichkeiten aufzeigte, wie die gemeinsame Sorge auch später zu verhindern sei (Stichwort: behaupten von unüberbrückbaren Unstimmigkeiten).
Das nun der Vater klagen kann bedeutet, dass nun ein Richter entscheiden muss, gegeneinander stehende Aussagen zu werten.
Schrecken nicht viele Väter schon grundsätzlich von einer solchen Klage ab? Diese Erfahrung hab ich auch vor Gericht machen müssen, dass ein Vater, der für die Rechte seines Kindes eintreten möchte, wortwörtlich als "Störenfried" betrachtet wird. Ich würde ein solches Verfahren nicht noch einmal anstreben, schon wegen der entwürdigenden Behandlung vor dem Familiengericht, von der Kostenseite ganz abgesehen.
Für mich, als Betroffener und ich denke ich spreche hier für die allermeisten, die vor dem gleichen Problem stehen, wird sich also am tatsächlichen Ergebnis, die gemeinsame Sorge zu erhalten, nichts ändern.
Meine Fragen an Sie:
Sind Regelungen geplant, die Jugendämter zur Objektivität im Sinne der Kinder zwingen werden? (die große Masse der JA-Beschäftigen sind Frauen, was meines Erachtens die Sache nicht erleichtert und es gibt keinerlei Kontroll- bzw. Beschwerdeinstanz gegen das JA bzw. dessen Mitarbeiter).
Nach welchen Kriterien sollen Gerichte entscheiden und glauben Sie, dass die Beziehung von Mutter und Vater erleichtert wird, wenn ein Richter über dessen Köpfe entscheidet?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Hochachtungsvoll
M. Gaese
Sehr geehrter Herr Gaese,
der Anteil der abgegebenen Sorgeerklärungen im Verhältnis zu den nichtehelich geborenen Kindern ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Im Jahr 2008 betrug die Quote 50,7 %. Andere Untersuchungen weisen darauf hin, dass 62 % der nicht miteinander verheirateten Eltern kurz vor oder nach der Geburt eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht jedenfalls davon aus, dass sich dieser Anteil infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 signifikant erhöhen wird. Denn das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen einer Übergangsregelung angeordnet, dass das Familiengericht die elterliche Sorge auf Antrag des Vaters beiden Eltern gemeinsam, auch gegen den Willen der Mutter, überträgt. Entscheidend ist dabei allerdings allein das Kinderwohl.
Jugendämter können durchaus im Vorfeld über die Rechtslage informieren und durch Mediation unterstützend wirken. Ihre Einwände bzw. Beobachtungen, dass einige Mitarbeiterinnen in Jugendämtern nicht objektiv, sondern parteiisch handeln, habe ich zur Kenntnis genommen und würde sie gerne in die Diskussion einfließen lassen. Jedoch scheue ich mich, diesbezüglich ein pauschales Urteil abzugeben. Gerne würde ich deshalb mehr darüber erfahren und möchte Sie deshalb bitten, mir Ihre Erfahrungen detaillierter zu schildern. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir unter norbert.geis@bundestag.de oder postalisch an mein Berliner Bundestagsbüro einen kurzen Erfahrungsbericht zukommen lassen würden.
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass ein Gerichtsverfahren das Verhältnis zwischen Vater und Mutter keinesfalls entspannt. Mit Blick auf das Kindeswohl sollte deshalb zunächst alles versucht werden, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Geben die Eltern trotzdem keine gemeinsame Sorgeerklärung ab, muss es für den Vater aber möglich sein, eine Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen, bei dem natürlich das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen muss. Deswegen soll auch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens das Gericht darauf hinwirken, dass es nach Möglichkeit zu einer Verständigung zwischen den Eltern über die Ausübung des Sorgerechts kommt.
Verfahrensrechtliche Hürden für den Vater, wie ein zwangsweise vorgeschaltetes behördliches Widerspruchsverfahren, lehnen wir ab. Allerdings sollte das Gericht zum Schutz der Mutter nicht in den ersten Wochen nach der Geburt des Kindes einen Verhandlungstermin anberaumen oder eine Frist setzen. Auch deshalb sehe ich das Widerspruchsverfahren eher kritisch. Grundsätzlich muss man jedoch auch berücksichtigen, dass nach wie vor rund 90% der Alleinerziehenden die Mütter sind. Auch dieser Tatsache muss die neue Regelung Rechnung tragen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis MdB