Frage an Norbert Geis von Michael G. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Geis,
im Dez. 2009 wurde vorm EuMGR der §1626a für Menschenrechtswidrig erklärt. Im Juli kam das Bundesverfassungsgericht - 1 BvR 420/09 - zum selben Entschluss und hob den §1626a auf.
Trotz mehrfacher Ankündigungen ist bisher aber keiner Neuregelung in Sicht.
Der deutsche Bundestag für die Menschenrechtswidrige nachträgliche Sicherungswahrung von schwerstkriminiellen sofort reagiert und binnen drei Monaten eine neue Gesetzeslage geschaffen.
Meine Frage:
Wie stehen Sie zu den Rechten, im Besonderen der gemeinsamen Sorge, von Vater und Mutter, und warum handelt der Bundestag hier nicht?
Vielen Dank.
Hochachtungsvoll
Michael Gaese
Sehr geehrter Herr Gaese,
vielen Dank für Ihre Frage. Die noch nicht beschlossene Neuregelung des gemeinsamen Sorgerechts von nicht miteinander verheirateten Eltern bedeutet nicht, dass wir uns nicht mit diesem Thema beschäftigen würden. Sowohl im Rechtsausschuss als auch im Familienausschuss arbeiten wir seit längerem an einer neuen gesetzlichen Regelung. Jedoch gestaltet sich die Lösung beim "Sorgerecht" deutlich schwieriger, als dies bei der "Sicherungsverwahrung" der Fall war. Dort konnte sehr schnell Einigkeit erzielt werden, da es sich insgesamt um eine relativ homogene Problematik handelt. Das Sorgerecht muss heute aber vielen unterschiedlichen Lebenssituationen gerecht werde. Eine Regelung fällt deshalb deutlich komplexer aus und ein Konsens ist schwieriger zu erzielen.
In der Diskussion stehen zunächst zwei Grundmodelle. Einerseits gibt es die "Widerspruchslösung", die von einer gemeinsamen Sorge der Eltern ausgeht und der Mutter innerhalb einer Frist das Recht einräumt dem zu widersprechen. Die Entscheidung darüber liegt dann beim Familiengericht. Die "Antragslösung" geht hingegen grundsätzlich vom Alleinsorgerecht der Mutter aus. Der Vater kann aber einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen. Sollte keine gütliche Einigung zwischen den Eltern erzielt werden, wird eine Entscheidung durch das Familiengericht herbeigeführt.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte sich bereits dafür ausgesprochen, dass das gemeinsame Sorgerecht nicht nur durch übereinstimmende Sorgerechtserklärungen oder Heirat der Eltern begründet werden sollte. Denn in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat sich mit der Herausbildung neuer Formen des familiären Zusammenlebens auch die Rolle der Väter nichtehelicher Kinder erheblich verändert. Entgegen einem lange verbreiteten Vorurteil übernehmen heute immer mehr nichteheliche Väter ebenso wie die Mütter Verantwortung für ihre Kinder und beteiligen sich aktiv an deren Erziehung. Diesem geänderten Rollenbild sollten die gesetzlichen Vorschriften dadurch Rechnung tragen, dass das gemeinsame Sorgerecht nicht ausschließlich von der Einwilligung der Mutter abhängig ist.
Aus der Sicht der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag ist bei der Reform des Sorgerechts der entscheidende Maßstab das Wohl des betroffenen Kindes. Im Regelfall wird eine gemeinsame Sorge von Mutter und Vater dem Kindeswohl am besten entsprechen. Denn dem gedeihlichen Aufwachsen eines Kindes tut es gut, wenn beide Elternteile gemeinsam Verantwortung für seine Erziehung und Entwicklung übernehmen. Dies bestätigt auch der Endbericht des Forschungsprojekts des Bundesministeriums der Justiz.
Wir setzen uns daher auch für eine gesetzliche Neuregelung des materiellen Rechts ein, d.h. bei den gesetzlichen Bestimmungen, nach denen die Familiengerichte in Sorgerechtsstreitigkeiten zu entscheiden haben. Denn die gemeinsame Sorge als gesetzlicher Regelfall entspricht auch der Forderung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, wonach „Pflege und Erziehung der Kinder […] das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ sind. Die Elternverantwortung, die ihren gesetzlichen Ausdruck in der Regelung des Sorgerechts findet, kommt nach unserer Verfassung also auch bei nichtehelichen Kindern sowohl Mutter als auch Vater zu.
Zugleich darf der Gesetzgeber jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass es mehr als nur vereinzelte Fälle gibt, in denen nicht miteinander verheiratete Eltern nicht zu einer gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung bereit oder in der Lage sind. Auch und gerade für diese Fälle, die oftmals durch erhebliche Konflikte zwischen den Eltern gekennzeichnet sind, muss der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffen. Denn diejenigen Eltern, die sich untereinander auf die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts verständigen, können wie bisher vor oder nach Geburt des Kindes eine verbindliche gemeinsame Sorgeerklärung abgeben.
Nach meiner Auffassung muss die gesetzliche Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen Seite des Sorgerechtes dieser Konstellation Rechnung tragen. Als CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag wollen wir erreichen, dass möglichst viele Eltern schon zu Beginn des Lebens des Kindes eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben, weil hierdurch die Kommunikation und Kooperation zwischen den Eltern gestärkt wird, die für eine förderliche Wahrnehmung des Sorgerechts und für die Eltern-Kind-Beziehung von entscheidender Bedeutung ist. Eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Eltern, gemeinsam die tatsächliche und rechtliche Verantwortung für ihr Kind tragen zu wollen, ist um ein Vielfaches besser als ein gesetzlicher Automatismus oder ein Gerichtsurteil, durch welche das Sorgerecht zwangsweise geregelt wird. Dies entspricht auch unserem christlichen Menschenbild, mit dem sich staatliche Einmischung nur dort verträgt, wo die Beteiligten nicht zu einer eigenverantwortlichen Regelung ihrer Lebensverhältnisse in der Lage sind.
Zusammenfassend spreche ich mich daher für eine gesetzliche Regelung der elterlichen Sorge aus, bei der das Kindeswohl im Mittelpunkt steht. Die Verantwortung für das Wohl des Kindes liegt in allererster Linie bei den Eltern, die gefordert sind, sich untereinander auf eine gemeinsame Ausübung des Sorgerechts im Interesse ihres Kindes zu verständigen und eine entsprechende Sorgeerklärung abzugeben. Hierfür soll jede denkbare Unterstützung auch staatlicher Stellen angeboten werden. Vor allem Jugendämter können aufklärend und als Mediatoren wirken. Wird trotzdem keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben, bleibt es zunächst bei der Alleinsorge der Mutter. Dies entspricht auch der Tatsache, dass über 90% der Alleinerziehenden Mütter sind. Jedoch hat der Vater die Möglichkeit, eine Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen, bei der den Eltern die Sorge gemeinsam übertragen wird, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Zum besseren Verständnis des aktuellen Standes der Diskussion darf ich Sie auch noch auf folgendes Informationsschreiben des Bundesministerium der Justiz zum Thema Sorgerecht hinweisen. http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Sorgerecht_nicht_miteinander_verheirateter_Eltern_FAQ.pdf;jsessionid=69DD0FB0F4A31F81D6CF925049967BAC.1_cid155?__blob=publicationFile
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis MdB