Frage an Norbert Geis von Guido L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Geis,
ich habe sowohl die von Herrn J. K. am 06.05.11 an Sie gerichteten Fragen zu Ihrer Haltung zur Atompolitik als auch Ihre am 13.05.11 an Herrn Kalbey geschriebene Antwort gelesen. Dort schreiben Sie u.A., Zitat: "Die Bundesregierung hat gezeigt, dass Sicherheit oberste Priorität hat und hat mittels des Moratoriums die älteren Kernkraftwerke (KKW) vom Netz genommen." Zitat Ende.
Bei der Entscheidung zur Laufzeitverlängerung im Herbst letzten Jahres, bei der selbst die ältesten deutschen Atommeiler (Siedewaserreaktoren) nicht ausgenommen wurden, wurde seinerzeit keine sicherheitstechnische Überprüfung der 17 AKWs vor der Entscheidung "Laufzeitverlängerung ja/nein" vom Bundesumweltministerium (verantwortlicher Minister: Dr. Norbert Röttgen) angeordnet.
Insofern wirkt Ihre Aussage, dass Sicherheit oberste Prirität hat, heuchlerisch und -zumindest für mich- wenig überzeugend. Hätten Sie diesen Satz vor der Entscheidung zur Laufzeitverlängerung gesagt und sich schon damals für ein Moratorium eingesetzt, wären Sie in diesem Punkt glaubwürdig(er). Dass spätestens nach den Ereignissen von Fukushima nun auch in der CDU-/CSU-/FDP-Koalition ein Umdenken stattgefunden hat, ist begrüßenswert, leider aber auch längst überfällig gewesen.
Meine Frage:
Teilen Sie meine These, dass einzig und alleine die Vorgängerregierung (SPD und Bündnis 90/Grüne) in Sachen Atomausstieg glaubwürdig ist; denn die haben bekanntlich das Atomausstiegsgesetz (2002) beschlossen und mit den AKW-Betreibern ausgehandelt, welches von Ihrer Regierung im Herbst 2010 wieder "gekippt" wurde (Ausstieg vom Ausstieg)?
Für die Beantwortung meiner Frage bedanke ich mich im Voraus ganz herzlich und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Guido Langenstück
Sehr geehrter Langenstück,
die von Ihnen aufgestellte These halte ich angesichts der Tatsachen nicht nur für falsch, sondern auch für kurzsichtig und naiv. Die Rot-Grüne Bundesregierung hat 2000 einen ersten Schritt in Richtung Atomausstieg unternommen. Jedoch ist sie damit von einer realistischen Energiewende meilenweit entfernt geblieben. Weder konnte Rot-Grün ein tragfähiges Konzept vorlegen, wie denn die zukünftige Energieversorgung ohne Atomkraft gesichert und wie die Energiewende finanziert werden kann. Noch hat sie sich um die Sicherheit der Kernkraftwerke, die zum Teil noch Jahrzehnte gelaufen wären, Gedanken gemacht.
Die Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP hat im Herbst 2010 mit dem Energiekonzept einen Weg aufgezeigt, wie sich der Atomausstieg realisieren lässt, ohne dabei die Versorgungssicherheit, bezahlbare Strompreise oder die Klimaschutzziele zu riskieren. Zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen für KKW wurden damals nicht veranlasst, weil es keine Veranlassung dafür gab. Anders als das KKW Fukushima gehören die deutschen KKW laut IAEA zu den sichersten der Welt, da sie sowieso regelmäßig kontrolliert werden. Jedoch hat die Bundesregierung die von den KKW-Betreibern zu erfüllenden Sicherheitsstandards im Energiekonzept von 2010 nochmals deutlich erhöht. Zudem sollten die KKW-Betreiber die erheblichen Kosten der Energiewende mittragen. Beide Aspekte (Sicherheit und Kosten) hat Rot-Grün im damaligen "Ausstieg" dem Konsens mit den Energieunternehmen und einer populären Meldung geopfert, ohne jedoch dieses Vorhaben substantiell zu unterfüttern, geschweige denn einen echten Plan zu haben. Das zeugt weder von Glaubwürdigkeit, noch von Verantwortungsbewusstsein. Mit der Haushaltspolitik von Rot-Grün - damals riss Deutschland die Neuverschuldungsgrenze gemäß der Maastricht-Verträge mehrere Jahre in Folge - wäre die Finanzierung sicherlich nicht zu stemmen gewesen. Fukushima hat uns in schrecklicher Weise deutlich gemacht, dass das Restrisiko bei der Atomkraft, und sei es auch noch so klein, so enorme Auswirkungen in sich birgt, sollte es sich realisieren, dass diese einfach nicht politisch zu verantworten sind. Die Bundesregierung hat angesichts dieser Katastrophe Verantwortungsbewusstsein bewiesen und umgehend die ältesten 7 KKW vom Netz genommen. Ebenso wie das KKW Krümmel werden sie abgeschaltet bleiben. Damit wurde das Ausstiegstempo enorm beschleunigt. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit können wir auf unser Konzept von 2010 zurückgreifen, dessen Grundsätzen wir weiter treu bleiben werden. Die Atomenergie war für die Union immer eine Brückentechnologie, von der wir nun aber noch schneller loskommen wollen. Dies stellt eine gewaltige Aufgabe für alle Gesellschaftsteile dar. Glaubwürdig sind vor diesem Hintergrund die realisierbaren Konzepte der Bundesregierung. Hingegen erscheinen SPD und Grüne doch angesichts der Tatsache, dass der dringend nötige Ausbau der Stromnetze und der Speicherkapazitäten ebenso wie die Endlagerfrage unter Rot-Grün über Jahre hinweg ignoriert wurden, als das prinzipien- und verantwortungslose Gegenteil. Die in Deutschland allgegenwärtige Blockadehaltung der Grünen beim Bau von Pumpspeicherkraftwerken, Stromtrassen und Windparkanlagen zeigt überdeutlich, wie glaubwürdig diese Partei tatsächlich ist, wenn es an die Umsetzung von politischen Vorhaben in die Praxis geht.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis MdB