Frage an Norbert Geis von Jürgen K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Geis,
Sie haben gegen die sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke in der Bundesrepublik gestimmt.
Meine Fragen:
Können Sie sich vorstellen, dass in Ihrem Wahlkreis ein Endlager für Atommüll entstehen kann?
Wie schätzen Sie die Reaktion der Bevölkerung ein, wenn so eine Möglichkeit in Betracht gezogen würde?
Wo soll nach Ihren Vorstellungen der bereits vorhandene Atommüll für die nächsten 1 Million Jahre sicher gelagert werden? Haben Sie eine Idee?
Mit dem Weiterbetrieb entsteht neuer Atommüll. Wohin damit?
Sie haben sich doch sicher vor Ihrer Entscheidung für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke darüber Gedanken gemacht.
Werden Sie für die Wiederanschaltung der nach der atomaren Katastrophe in Japan abgeschalteten AKW\´s stimmen, sollte diese Frage im Bundestag zur Abstimmung kommen?
Biblis ist ca. 50 km von Aschaffenburg entfernt!!!
Der Bundestag hat mit den Stimmen von CDU/CSU in das Grundgesetz eine Schuldenbremse mit dem Argument geschrieben, dass man zukünftigen Generationen nicht die Schulden ihrer Vorfahren aufbürden darf.
Was ist mit der Umwelt? Dürfen wir zukünftigen Generationen eine atomar verstrahlte Erde hinterlassen?
Ich wende mich ganz gezielt an Sie, da ich viele Jahre in ihrem Wahlkreis gewohnt habe.
Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kabey
Sehr geehrter Herr Kabey,
Ihre Sorgen bezüglich der Atomenergie sind vor dem Hintergrund der schrecklichen Katastrophe in Japan, die durch das Erdbeben und die Tsunami ausgelöst wurde, nur allzu verständlich. Die Bundesregierung hat gezeigt, dass Sicherheit oberste Priorität hat und hat mittels des Moratoriums die älteren Kernkraftwerke (KKW) vom Netz genommen. Ebenso wie sie durch die Schuldenbremse gezeigt hat, dass verantwortungsvolle Politik die kommenden Generationen berücksichtigen muss.
Zwar wurden bereits im Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 die hohen Sicherheitsstandards für deutsche KKW nochmals deutlich verschärft - was übrigens unter Rot-Grün bei ihrem Konsens noch sträflich vernachlässigt worden war. Trotzdem stehen nun alle deutschen KKW nochmals intensiv auf dem Prüfstand. Die Ereignisse in Japan haben deutlich gemacht, dass das Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 im Grundansatz richtig war. Zum ersten Mal wurde dort der Energiewende in Deutschland und damit dem Atomausstieg eine realistische und finanzierbare Perspektive gegeben. Die Laufzeiten der KKW wurden zum Teil zwar verlängert, jedoch in erster Linie um die hohen Investitionskosten mitzutragen, die die fehlenden Speicherkapazitäten und der massive Ausbau unserer Stromnetze verursachen werden. Im Grundsatz hatte die Bundesregierung der Atomenergie bereits 2010 keine Zukunft mehr gegeben. Angesichts der schrecklichen Bilder aus Japan müssen wir nun versuchen den Ausstieg aus der Atomenergie zu beschleunigen. Das wird die gewaltige Aufgabe der Energiewende zusätzlich erschweren. Wir müssen uns dieser Herausforderung mit Bedacht und Umsicht stellen.
Ein einseitiger deutscher Atomausstieg wird unsere Sicherheit und die der kommenden Generationen nicht wirklich erhöhen, solange in unseren direkten Anrainerstaaten über 70 KKW unter zum Teil weniger scharfen Sicherheitsauflagen laufen und zur Zeit allein in Europa mindestens 6 neue KKW gebaut werden. Ebenfalls müssen wir die Umweltbelastungen berücksichtigen, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien entstehen, beispielsweise durch tausende Kilometer neue Stromleitungen und Speicherkraftwerke oder im Meer durch die gewaltigen Windparks. Auch die Frage nach dem Endlager spielt dabei eine wichtige Rolle. Dieses Problem darf nicht ignoriert werden, wie es noch unter Rot-Grün der Fall war, sondern muss angepackt und gelöst werden. Sicherlich will niemand vor seiner Haustür atomaren Müll gelagert haben. Ebenso wenig wollen die Leute aber Hochstromleitungen, Windparks, Pumpspeicherkraftwerke oder höhere Energiepreise. Letztere können vor allem in der Metall und Chemiebranche tausende von Jobs in Deutschland bedrohen. Trotzdem wollen alle Bürger weiterhin das Internet nutzen und einen bezahlbaren Gefrierschrank und eine funktionierende Heizung. Hier kommt die effiziente Nutzung von Energie ins Spiel. Gebäude müssen dazu saniert und stromfressende Haushaltsgeräte ausgetauscht werden. Bei der Energiewende müssen also sehr viele komplexe Faktoren berücksichtigt werden.
Letztendlich ist der Atomausstieg in Deutschland aber längst beschlossene Sache. Die Frage ist nur noch, wie wir ihn hinbekommen ohne unseren Lebensstandard zu gefährden und ohne uns um die Atomkraftwerke im Ausland Sorgen machen oder sie sogar mitfinanzieren zu müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis