Frage an Norbert Geis von Ralf T. bezüglich Wirtschaft
Herr Geis,
1. welche Begründung hatte es überhaupt, ausgerechnet und obendrein einzig und allein das Hotelgewerbe mit dem verringerten MwStSatz zu beglücken?
2. warum gibt es immer noch keine MwSt-Verringerung oder besser noch -Befreiung für Medikamente?
Warum bezahlen die Bundesbürger für alle möglichen Schabernack verringerte MwSt, aber lebensnotwendige Medikamente sind voll besteuert?
Sehr geehrter Herr Tonollo,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen zur Mehrwertsteuer.
Ad 1. Da in 21 der 27 EU-Staaten der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Übernachtungen in Hotels gilt, hatten die deutschen Hoteliers einen deutlichen Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten. Als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise hatte sich die angespannte Situation der Branche mit über 1 Milliarde Euro an Umsatzeinbrüchen dramatisch verschärft. Der deutschen Tourismusbranche sollte deswegen ein wesentlicher Wettberwerbsnachteil genommen werden, da in dieser Branche der internationale Konkurrenzdruck sehr hoch ist. Die meisten Hotels sind kleine oder mittelständische Unternehmen, die in Deutschland rund 350.000 Arbeitsplätze auch für geringer qualifizierte Menschen sicherstellen, die nicht einfach in das Ausland verlagert werden können. Ebenfalls sind weitere Branchen von einem funktionierenden Hotelgewerbe abhängig.
Ad 2. Ihre Frage nach dem reduzierten Mehrwertsteuersatz für Medikamente ist verständlich. Jedoch bedeutet ein reduzierter Mehrwertsteuersatz nicht automatisch eine Preissenkung. Wenn man sich die Entwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt ansieht, so stellt man eine massive Preisexplosion in den letzten Jahren fest. Allein 2009 stiegen die Ausgaben der der Gesetzlichen Krankenkassen für Arzneimittel um 5,3% bzw. 1,5 Milliarden Euro an. Diese Verteuerungen würden den Effekt eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes sofort relativeren. Würde damit eine ebenso massive Verbesserung der Medikamente einhergehen, wären die Verteuerungen nachvollziehbar. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Viele "neue" Medikamente haben nur einen minimalen zusätzlichen Nutzen zum aus medizinischer Sicht ebenso wirksamen Vorgänger. Eine neue Verpackung hat aber oft eine deutliche Preissteigerung zur Folge. Um dies zu verhindern hat die Bundesregierung letztes Jahr ein Gesetz verabschiedet, dass den Pharmaunternehmen vorschreibt, den Zusatznutzen ihres neuen Produktes gegenüber den Vorgängern nachzuweisen. Andernfalls dürfen die Preise nicht erhöht werden. Das wird die Preisentwicklung auf dem Arzneimittelmarkt langfristig positiv beeinflussen.
Durch solche und zahlreiche weitere Reformmaßnahmen versucht die Bundesregierung das Gesundheitssystem auf eine stabile finanzielle Basis zu stellen. Natürlich darf eine gute medizinische Versorgung nicht am Geld scheitern. Doch der Alterungsprozess in unserer Gesellschaft in Kombination mit dem medizinischen Fortschritt werden den Kostendruck in Zukunft weiter ansteigen lassen. Deswegen müssen wir unsere Mittel im Gesundheitssystem immer effizienter einsetzen.
Übrigens, für rund 75% der Produkte aus dem alltäglichen Bedarf gilt der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7%. Der Löwenanteil entfällt dabei auf Nahrungsmittel. Danach kommen kulturelle Waren wie Bücher, Zeitungen und Gemälde. Dann folgen schon medizinische Produkte wie Prothesen, Herzschrittmacher, Rollstühle etc.
Sicherlich haben Sie Recht, dass die Mehrwertsteuerregelungen in mancherlei Hinsicht nicht nachvollziehbar sind. Ich setze mich deswegen, ebenso wie die CSU-Landesgruppe, seit längerem für eine grundlegende Steuerreform ein.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis MdB