Frage an Norbert Geis von Martin H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Geis,
SPD, Grüne und Linke haben sich für eine juristische Rehabilitierung der etwa 20,000 "Kriegsverräter" (Deserteure und Kriegsdienstverweigerer) ausgesprochen, von denen die meisten von den Nazis erschossen wurden. Die CDU-CSU ist aber offenbar dagegen.
Können Sie mir erklären, warum man diese einfachen Leute, die sich Hitlers Kriegswahn mit unglaublicher Tapferkeit entgegengestellt haben, immer noch nicht rehabilitiert? Sind diese "Verräter" nicht die wahren Helden, die für die Ehre Deutschlands und für den Frieden gekämpft haben?
Wir feiern heute die (meistens adligen) Attentäter des 20. Juli 1944, obwohl sie lange an vorderster Front für Hitler gekämpft haben und mit Demokratie wenig im Sinn hatten. Immerhin haben Sie sich letztlich für den "Verrat" und damit für den Freiheitskampf entschieden.
Müssten wir den vielen einfachen Leute, die sich dem Krieg verweigert haben und dafür sehr teuer bezahlt haben, nicht dieselbe Ehre erweisen, und sie ebenso als Vorbild für die Nachgeborenen hinstellen? Warum können wir sie nicht wenigstens juristisch rehabilitieren?
Mit herzlichem Dank für Ihre Antwort
und freundlichen Grüßen,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Haspelmann,
selbstverständlich sollen und müssen wir bei zu Unrecht gesprochenem Urteil dieses aufheben und rehabilitieren. Dies ist seit 60 Jahren durch die Einzelfallprüfung jederzeit möglich. Eine pauschale Aufhebung aber würde alle Urteile zurücknehmen, eben auch jene, die möglicherweise auch nach heutigen Maßstäben Unrecht sind. Dementsprechend hat schon der Gesetzgeber 1998 und 2002 entschieden. Wir kennen ja nicht alle Urteile und können daher nicht wissen, ob diese wirklich alle zu Unrecht gesprochen wurden.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Geis