Frage an Norbert Brackmann von Gerd M. bezüglich Verbraucherschutz
Moin Herr Brackmann,
beim Umwelt- und Naturschutz, bei der Lebensmittelproduktion, in der Landwirtschaft, ja sogar beim Tierschutz ist offensichtlich alles in Butter.
Denn diese Themen kommen in den oft peinlichen Wahlkampfsendungen unserer Fernsehsender überhaupt nicht vor. Einzig die Energiewende wird angesprochen - natürlich nur wegen des Strompreises. Diesen Wahlkampf dominieren ausschließlich Themen, die sich um Geld, Vermögen, Steuern und Sozialleistungen drehen.
Offensichtlich ist Frau Aigner als Verbraucherschutzministerin nicht willens oder geeignet, für einen effektiven Verbraucherschutz zu sorgen. Deswegen fordere ich Sie auf, mir ihre Lösungen für gesunde Lebensmittel, nachhaltige Landwirtschaft, einen wirksamen Tierschutz (Massentierhaltung und - Schlachtung - siehe Wietze) und einen wirksamen Umwelt- und Naturschutz darzulegen. Warum kommen diese Themen im Wahlkampf nicht vor?
Gerd Makowka
Sehr geehrter Herr Makowka,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie haben Recht, dass die Themen Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz bisher im Wahlkampf eine weniger zentrale Rolle spielen. Das heißt aber nicht, dass die derzeitige christlich-liberale Koalition hier nichts vorzuweisen hätte.
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Zunächst lassen Sie mich auf die Verbraucherpolitik zu sprechen kommen: Frau Aigner hat hier meines Erachtens viel erreicht, weswegen ich Ihre Kritik nicht teilen kann. Beispiele dafür sind eine bessere Lebensmittelkennzeichnung, die Einführung von Fahrgastrechten mit Entschädigungspflicht bei Verspätungen und die bessere Information bei Geldanlagen.
Diesen erfolgreichen Weg wollen wir konsequent weiter gehen. Deshalb werden wir Organisationen zur Beratung der Verbraucher, wie zum Beispiel die Stiftung Warentest und den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), weiter unterstützen. Darüber hinaus werden wir einen "Sachverständigenrat für Verbraucherpolitik" mit unabhängigen Experten und Wissenschaftlern einrichten. Verbraucherbildung beginnt von klein an in der Kita, in den Schulen und geht bis zur Erwachsenenbildung, zum Beispiel in den Volkshochschulen. Zusammen mit den Ländern arbeiten wir daran, dass Verbraucherbildung ein fester Bestandteil in den Bildungseinrichtungen wird.
Im Alltag ist es für Verbraucher wichtig, dass sie schnell und einfach auf Verbraucherinformationen zugreifen können und vertrauenswürdige und kundenfreundliche Unternehmen schnell erkennen können. Deshalb wollen wir als Wegweiser für Verbraucher zum Beispiel Verbraucher-Apps und kompakt Informationen anbieten. Wir werden das Projekt "Klarheit und Wahrheit" mit der Internetplattform "Lebensmit-telklarheit.de" auch für andere Felder entwickeln, wie zum Beispiel bei Haushalts-waren und Bedarfsgegenständen. Auf dieser Internetplattform können Verbraucher Produkte nennen, von denen sie sich getäuscht fühlen. Die Verbraucherzentrale be-wertet die Kennzeichnung und die betroffenen Unternehmen können dazu Stellung nehmen. Gemeinsam mit Rechtsexperten, Verbraucher- und Datenschützern sowie Wissenschaftlern werden wir Kriterien für einen Check Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB-Check) entwickeln. Er soll die Verbraucherfreundlichkeit transparent machen.
Sichere Lebensmittel, klare Kennzeichnung und gesunde Ernährung sind für uns zentral. Dazu gehört Null-Toleranz bei Betrug im Lebensmittelbereich. Wir wollen Lebensmittelbetrug europaweit erschweren und härter bestrafen. Lebensmittelskandale können so rasch aufgedeckt werden. Die staatliche Überwachung auf Ebene des Bundes und der Länder muss verbessert werden. Wir wollen die Einfuhrkontrollen an den Außengrenzen der EU sowie die Kontrollen im Inland stärken. Wir brauchen EU- und bundesweit eine hohe Kontrolldichte und einheitlich hohe Standards. Private und staatliche Kontrollen werden wir noch besser verzahnen und die Anforderungen an die Eigenkontrollsysteme der Unternehmen erhöhen. Wir werden ein Frühwarnsystem für den Lebensmittelsektor in Europa entwickeln, das wirtschaftliche Anreize für Betrüger frühzeitig ausfindig machen soll. Keiner soll an Lebensmittelbetrug verdienen. Neben härteren Strafen wollen wir auch die Möglichkeiten zur Abschöpfung von Gewinnen, die durch kriminelle Handlungen im Lebensmittelbe-reich erzielt wurden, umsetzen.
Für uns gilt: Lebensmittel müssen klar gekennzeichnet sein. Dazu gehört, dass alle Angaben gut lesbar sind und die Verpackung dem Inhalt entspricht. Verbraucher sollen auch wissen, ob Lebensmittel mit gentechnischen Verfahren erzeugt worden sind, aus welcher Region ein Produkt kommt und unter welchen Bedingungen Tiere gehalten werden. Deshalb werden wir gemeinsam mit der Landwirtschaft sowie den Tierschutzverbänden eine "Transparenzoffensive Tierhaltung" starten, wozu eine verlässliche Tierschutzkennzeichnung gehört. Auch setzen wir uns für eine europaweit verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln, insbesondere von Fleischerzeugnissen, ein. Das Klonen von Tieren zur Nahrungsmittelerzeugung lehnen wir ebenso wie eine Vermarktung solcher Erzeugnisse in Deutschland und Europa ab.
Wir wollen das Bewusstsein für ausgewogene Ernährung stärken. Deshalb werden wir die Kampagne "IN FORM - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung" mit Informationen und Empfehlungen sowie Projekten und Aktionen für Familien, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Senioren fortführen und ausbauen. Strafsteuern für bestimmte Lebensmittel lehnen wir ab.
Tierschutz
Artgerechte Tierhaltung und ein hohes Tierschutzniveau sind für uns von zentraler Bedeutung. Mit der jüngsten Novellierung des Tierschutz-Gesetzes konnte die christlich-liberale Koalition hier eine Verstärkung erreichen. Wir wollen Ställe, in denen Tiere gute Haltungsbedingungen haben. Deshalb fördern wir neue tiergerechte Ställe und erhöhen die Forschungsmittel zur Verbesserung der Haltungsformen. Ebenso werden wir die Maßnahmen zur Verringerung des Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung vorantreiben. Sachkunde und Qualifikation sind für uns unabdingbare Voraussetzung für die Tierhaltung. Wir setzen uns für einheitlich höhere Tierschutzstandards mit einer Reduzierung und festen Begrenzung der Tiertransportzeiten in der EU ein. Der wichtigen Arbeit der Imker gilt unsere Wertschätzung. Zum Schutz der Bienen werden wir Forschungsprojekte ausbauen.
Umwelt- und Klimaschutz
Die deutsche Umweltwirtschaft und -technologie belegt weltweit den Spitzenplatz. Um den Klima und Umweltschutz weiter voranzubringen, wollen wir diese führende Rolle noch weiter ausbauen. Das schafft Arbeitsplätze. Umwelttechnologien stärken so unsere Wirtschaft und helfen, knappe Rohstoffe und Energie einzusparen.
Unser Ziel ist es, Umwelt und Landwirtschaft noch enger miteinander zu verzahnen. Wir stehen zum sogenannten "Greening", das heißt der noch stärkeren Bindung der Direktzahlungen an Umweltleistungen.
Deutschland hat seine Klimaschutzverpflichtungen mehr als erfüllt. Wir wollen, dass Deutschland auch in Zukunft weltweiter Impulsgeber für einen wirksamen Klimaschutz ist. Deshalb setzen wir uns für eine Anhebung des europäischen Klimaziels ein: Wir wollen erreichen, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase in Europa bis 2020 um 30 Prozent gegenüber 1990 vermindert wird. Da die technischen Voraussetzungen dafür innerhalb der EU sehr unterschiedlich sind, wollen wir, dass Deutschland als Hochtechnologieland seine größeren technischen Möglichkeiten voll ausschöpft und mit einem nationalen Minderungsziel von 40 Prozent einen größeren Beitrag dazu leistet. Auf europäischer Ebene legen wir weiterhin Wert auf die von den EU-Mitgliedstaaten mit Blick auf 2020 vereinbarten Ziele: Die Reduzierung der Treibhausgase, die Steigerung der Energieeffizienz um mindestens 20 Prozent und das Ausbauziel für die erneuerbaren Energien in Höhe von 20 Prozent am Gesamt-energieverbrauch. Es ist richtig, dass jüngst die CO2-Emmissionen in der Energieerzeugung wieder gestiegen sind. Der Grund liegt hier aber im beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie, die zum Teil durch fossile Energieträger, Kohle und Gas, ersetzt werden muss. Trotz dieser Einschränkung werden wir aber unsere Klimaziele erreichen.
Die jetzige Bundesregierung hat einen Rekordzubau bei den erneuerbaren Energien erreicht. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung ist seit 2009 bis Ende 2012 um rund 8 % Punkte gestiegen. Das ist Rekord. Damit lag der Gesamtanteil 2012 bei rund 23 %. Damit liegen wir im Plan und weit über allen Szenarien der rot-grünen Regierungszeit. Daneben sind die Ziele der Energieeffizienz zu nennen, wo wir trotz der guten Konjunktur in Deutschland eine Senkung des Energieverbrauchs im Jahr 2011 um 4,7 % gegenüber dem Vorjahr erreichen konnten. Dieser liegt damit auf dem niedrigsten Stand seit 1990. Schließlich investiert die Bundesregierung mit 3,5 Milliarden Euro (2011-2014) stark in die Erforschung erneuerbarer Energien, Netztechnik und Speichertechnologien.
Ich stimme Ihnen zu, dass in der öffentlichen Debatte derzeit die Kosten der Energiewende einen erheblichen Platz einnehmen. Dabei können Sie die Einseitigkeit der Debatte sowie die Darstellung der Medien kritisieren. Meines Erachtens bewegen die Kosten aber zu Recht die Menschen, weil es hier auch um Fragen der Gerechtigkeit und der sozialen Verträglichkeit geht. Wenn wir als Bundesregierung die Bezahlbarkeit der Energiewende in den Blick nehmen, dann wollen wir gerade die Akzeptanz der Energiewende retten. Denn eins ist klar: Die Bürger und Bürgerinnen werden die Energiewende nicht mittragen, wenn diese aufgrund der Subventionen zu teuer wird.
Nach der Wahl werden wir das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) in einer vernünftigen Art und Weise reformieren, sodass nicht nur der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern auch die Zukunfts- und Marktfähigkeit der Erneuerbaren Energien gewährleistet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann