Frage an Nina Stahr von Marcel W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Frau Stahr,
immer öfter kommt es auf Landesebene zu Volksentscheiden, zum Beispiel jetzt aktuell zur Energieversogung. Ich begrüße das sehr, und würde mir auch auf auf Bundesebene mehr Bürgerbeteiligung wünschen. Ich nehme an, Sie als grüne Kandidatin sind grundsätzlich auch für mehr direkte Demokratie. Aber wie würden Sie sich konkret dafür einsetzen, sollten Sie dem nächsten Bundestag angehören?
Vielen Dank!
Marcel Weber
Sehr geehrter Herr Weber,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema direkte Demokratie. Da mir dieses Thema persönlich sehr am Herzen liegt, freue ich mich über Ihr Interesse!
Die Grünen verstehen sich als eine Partei, die Mitbestimmung, bürgerschaftliches Engagement und den direkten Zugang zum politischen Meinungsbildungsprozess zu ihrem Grundpfeiler einer erfolgreichen Demokratie-Kultur gemacht hat.Direkte demokratische Verfahren können und müssen die alle vier Jahre stattfindende Bundestagswahl bereichern. Volksbegehren, -initiativen und -abstimmungen werden auf kommunaler und Landesebene schon intensiv genutzt, diesen Trend unterstützen wir.
Auf Bundesebene blockiert die Schwarz-Gelbe Regierung den Vorstoß der Grünen, solche Instrumente auch auf den Bund zu übertragen. Hierzu benötigt es eine Verfassungsänderung - die Grünen haben dazu einen konkreten Plan ausgearbeitet:
400000 Bürger können einen Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen, dieser muss darüber diskutieren und Repräsentanten der Initiative anhören. Das Parlament muss den Entwurf innerhalb von 8 Wochen verabschieden, gelingt das nicht, kann die Volksinitiative ein Volksbegehren einleiten. Orientiert an der 5%-Klausel müssen 3 Millionen Stimmberechtigte innerhalb von 6 Monaten das Volksbegehren unterstützen. Ist das Begehren erfolgreich, muss innerhalb von 6 Monaten das deutsche Volk in einem Volksentscheid über das Gesetz urteilen. Stimmt die Mehrheit der Stimmberechtigten für das Gesetz, gilt dieses als verabschiedet. Auch solche Gesetzesänderungen, die die Zustimmung des Bundesrats erfordern, kommen in unserem Modell zum Tragen. Hier können erfolgreiche Volksinitiativen die Stimme des jeweiligen Landes im Bundesrat darstellen.
Neben diesem Plan zur Änderung der Verfassung setzen wir Grüne schon vielfältig auf direktdemokratische Mitbestimmung: unsere Anträge und Gesetzesentwürfe werden meist offline wie online vor Einbringung in die Landtage oder in den Bundestag zur Diskussion gestellt. Diese Praxis wollen wir auch fortsetzen, wenn wir in Regierungsverantwortung sind.
Planungsvorhaben dürfen erst umgesetzt werden, wenn die betroffenen Bürger bei allen Prozessschritten beteiligt wurden und Mitbestimmungs- sowie Klagemöglichkeiten hatten. Bei Großprojekten in der Infrastruktur muss ein Forum geschaffen werden, in dem Verbände, Unternehmen und einzelne Bürger laufend und umfassend über den neusten Stand informiert werden und sich aktiv beteiligen können. Mediation und Schlichtung wollen wir als grundsätzlich neben einem größeren politischen Vorhaben laufendes Instrument einsetzen.
Durch mit Stimm- und Vetorechten ausgestattete Jugend-, Frauen- und RentnerInnen-Parlamente, sowie durch die direkte Einbeziehung von Migrantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderungen und von Armut Betroffenen wollen wir bürgerschaftliches Engagement und das freiwillige Beschäftigen mit regionaler und Bundespolitik stärken und fördern.
Als erste deutsche Partei haben wir unsere Doppelspitze über eine Urabstimmung unter allen grünen Mitgliedern gewählt, die Auswahl der wichtigsten Themen für den Bundestagswahlkampf ist durch einen Mitgliederentscheid zustande gekommen. Wir Grüne leben Transparenz innerhalb und außerhalb unserer Partei und wollen auch die Regierungsverantwortung in dieser Richtung gestalten.
Das Informationsgesetz wollen wir so ausbauen, dass die Daten in Zukunft barrierefrei und einfach per Mausklick erreichbar sind. Durch ein Lobbyistenregister soll die direkte demokratische Willensbildung gestärkt werden. Wer wie viel Geld erhält und wer mit wem zusammenarbeitet muss transparent für alle ersichtlich sein.
Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weiter geholfen. Für weitere Fragen stehe ich natürlich gern zur Verfügung.
Herzliche Grüße,
Nina Stahr