Frage an Nina Stahr von Michael G. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Stahr,
mich beunruhigt das Verhalten unserer Regierung, namentlich das von Frau Merkel und Herrn Pofalla in der Affäre um die Ausspähung deutscher (und anderer) Bürger durch Geheimdienste der USA (NSA) und Großbritanniens (GCHQ). Selbst wenn noch nicht alle Einzelheiten dieses Vorgehens bereits aufgedeckt sind, schält sich immer mehr heraus, dass Herr Pofalla permanent die Wahrheit verdreht (nur eine euphemistische Formulierung) und die Bevölkerung bewusst belügt. Da Frau Merkel dies duldet, ist sie damit ganz offensichtlich einverstanden. Ausflüchte gelten nicht mehr; es gibt noch(!) genügend mutige Medien, die sich dieser Problematik ernsthaft annehmen.
Daher meine Fragen an sie:
- Haben sie sich selbst mit dieser Problematik beschäftigt?
- Wie stehen sie dazu, dass in großem Maße deutsche Bürger durch ausländische (USA und Großbritannien - befreundete und verbündete Länder ?) und möglicher- weise auch einheimische Dienste rechtswidrig ausgespäht und abgehört werden (Echelon, PRISM, Tempora, XKeyscore)?
- Wie sehen sie die Problematik, dass Frau Merkel und Herr Pofalla scheinbar oder tatsächlich unser Grundgesetz und ihren Amtseid nicht wirklich ernst nehmen und die Verantwortung lieber irgendwo in die Vergangenheit verlagern?
- Wie schätzen sie es ein, dass die Opposition (SPD, Grüne) auch keine quali- fizierten Standpunkte zur Abhöraffäre einnehmen?
- Ist ihnen bekannt, welche Terroranschläge in Deutschland oder anderswo durch das Abhören und Ausspähen deutscher Bürger vereitelt wurden (das Ding mit den ferngesteuerten Modellflugzeugen ist bereits als Ente entlarvt)?
Und eine Frage zu einem anderen Thema:
- Wie stehen sie dazu, dass im jetzigen Bundestag Beschlüsse gefasst wurden, obwohl deutlich weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend waren?
Vielen Dank im Voraus für ihre engagierten Antworten
Michael Gericke
Sehr geehrter Herr Gericke,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meinen Positionen. Hier meine Antworten:
- Haben sie sich selbst mit dieser Problematik beschäftigt?
Natürlich - zum einen weil diese Problematik mich als Bürgerin genauso betrifft wie Sie, zum anderen weil ich es für selbstverständlich halte, dass ich mich als Kandidatin für den Bundestag über die aktuellen politischen Entwicklungen informiere. Und auch ich bin erschüttert über das Ausmaß der Überwachung und die mangelhafte Aufklärung durch die schwarz-gelbe Bundesregierung.
Weil dieses Thema uns Grünen sehr am Herzen liegt, haben wir in meinem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf kürzlich eine (öffentliche) Mitgliederversammlung veranstaltet, bei der es um die Spähprogramme ging und darum, wie jeder einzelne seine Daten schützen kann. Und am 3. September veranstalten wir auf meine Initiative hin einen Film- und Diskussionsabend unter dem Motto "PRISM, TEMPORA & CO - Big Brother is watching you?" im Cineplex Titania Palast. Falls Sie daran Interesse haben, finden Sie hier mehr Infos: http://gruenlink.de/loh
- Wie stehen sie dazu, dass in großem Maße deutsche Bürger durch ausländische (USA und Großbritannien - befreundete und verbündete Länder?) und möglicherweise auch einheimische Dienste rechtswidrig ausgespäht und abgehört werden (Echelon, PRISM, Tempora, XKeyscore)?
Die Vorgänge sind in meinen Augen ungeheuerlich. Die Sicherheit hat der Freiheit zu dienen, nicht umgekehrt. Es gibt kein Supergrundrecht der Sicherheit, so wie es Innenminister Friedrich darzustellen versuchte, und es darf vor allem keinen Generalverdacht gegenüber Bürgerinnen und Bürgern geben. Deshalb würde ich mich im Fall meiner Wahl in den Bundestag hier auch klar dafür einsetzen, dass solche rechtswidrigen Handlungen durch die Geheimdienste nicht weiter toleriert werden.
- Wie sehen sie die Problematik, dass Frau Merkel und Herr Pofalla scheinbar oder tatsächlich unser Grundgesetz und ihren Amtseid nicht wirklich ernst nehmen und die Verantwortung lieber irgendwo in die Vergangenheit verlagern?*
Ich finde es feige und nicht zielführend. Selbst wenn der damalige Kanzleramtsminister Steinmeier vor dem Hintergrund der einschneidenden Erlebnisse des 11. Septembers einer grundsätzlichen Zusammenarbeit der Geheimdienste zugestimmt hat, haben Frau Merkel und ihre Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere und Ronald Pofalla seit mittlerweile acht Jahren die Zuständigkeit. Und meines Wissens nach gibt es das Programm PRISM erst seit 2005, also dem Jahr von Frau Merkels Regierungsübernahme. XKeyscore und Tempora sollen erst später eingesetzt worden sein. Somit sind Frau Merkel, Herr de Maiziere und Herr Pofalla zweifellos für die Versäumnisse verantwortlich.
- Wie schätzen sie es ein, dass die Opposition (SPD, Grüne) auch keine qualifizierten Standpunkte zur Abhöraffäre einnehmen?*
In meinen Augen gibt es qualifizierte Standpunkte der Grünen, die auch von anderen Parteien wahrgenommen und gelobt werden. Am 22. August war ich bei einer Podiumsdiskussion mit Stefan Liebich, Bundestagsabgeordneter der Linken, der ausdrücklich das diesbezügliche Engagement meines Parteikollegen Hans-Christian Ströbele hervorgehoben hat.
Und auch sonst sagen wir Grüne eindeutig, wie wir zu der Abhöraffäre stehen und was wir ändern möchten. Dazu finden Sie hier mehr Infos: http://www.gruene-bundestag.de/themen/datenschutz/aufklaeren-statt-ausspaehen_ID_4389661.html
Zudem bemühen wir uns um die Aufklärung der Affäre. Hans-Christian Ströbele, Konstantin von Notz, Volker Beck und andere Mitglieder unserer Bundestagsfraktion haben dazu vor wenigen Tagen eine Liste mit mehr als 100 Fragen an die Bundesregierung gestellt.
- Ist ihnen bekannt, welche Terroranschläge in Deutschland oder anderswo durch das Abhören und Ausspähen deutscher Bürger vereitelt wurden (das Ding mit den ferngesteuerten Modellflugzeugen ist bereits als Ente entlarvt)?*
Mir selbst sind bestimmte Zahlen auch nur aus den Medien bekannt, was auch daran liegt, dass die Aufklärungsbereitschaft der schwarz-gelben Bundesregierung absolut mangelhaft ist. Ich hoffe sehr, dass im Zuge einer umfassenden Aufklärung deutlich wird, was diese falschen Geheimdienstpraktiken wirklich bewirkt haben.
- Wie stehen sie dazu, dass im jetzigen Bundestag Beschlüsse gefasst wurden, obwohl deutlich weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend waren?
Ich finde es richtig, dass es unter den Parteien Absprachen gibt, das z.B. im Falle von Krankheit eines Abgeordneten auch Abgeordnete anderer Fraktionen der Abstimmung fern bleiben, damit die Mehrheitsverhältnisse gewahrt sind. Diese Regelung darf jedoch nicht dahingehend ausgenutzt werden, dass bei bestimmten Abstimmungen nur noch ein (geringer) Bruchteil der Abgeordneten anwesend ist. Als Mitglied des Bundestags hat man in meinen Augen die Pflicht, sich an den Diskussionen und Abstimmungen des Bundestags zu beteiligen. Man wird als Abgeordneter von Steuergeldern bezahlt und ist deshalb den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet, sein Amt ernst zu nehmen. Das bedeutet für mich auch, möglichst an alles Diskussionen und Abstimmungen teilzunehmen.
Herzliche Grüße,
Nina Stahr