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Frage von Marcus G. •

Frage an Nina Hauer von Marcus G. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Hauer,

als Vater, Rechtsanwalt und Mitglied des Vorstands des Frankfurter Kreisvereins des "Väteraufbruch für Kinder e. V." habe ich - und mache ich weiterhin - fast täglich die Erfahrung gemacht, dass Familiengerichte trotz der gesetzlichlichen Anordnung der Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge regelmäßig jedenfalls auch dann die elterliche Alleinsorge auf Mütter übertragen, wenn diese im "Sorgerechtskrieg" einen Kollisionskurs fahren und damit die gemeinsame elterliche Sorge unmöglich machen.
Dies, obwohl in der kinderpsychologischen Lehre - und in einigen obergerichtlichen Entscheidungen - ganz klar definiert wird, dass der Elternteil, der die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge aus Gründen, die in der Paarebene liegen (z.B. Rache für das "Verlassenwordensein"), unmöglich macht, erziehungsungeeignet ist und ihm deswegen das Sorgerecht gegebenenfalls zu entziehen ist.

Durch den Kollisionskurs in gerichtlichen Sorgerechtsverfahren wird die Kindschaftsrechtsreform von 1998 umgangen und für die jeweiligen Einzelfälle der alte Rechtszustand herbei geführt.

Ich bin der Ansicht, dass der Gesetzgeber gefordert ist, § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB um folgende Formulierung zu ergänzen, um zu verhindern, dass auch zukünftig der Kollisionskurs insbesondere der Mütter deren Kindern die Väter Kindeswohl widrig entzieht:

"Regelmäßig entspricht es nicht dem Wohl des Kindes am besten, wenn die alleinige elterliche Sorge auf den Elternteil übertragen wird, der die weitere Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge unmöglich macht."

Wie stehen Sie und Ihre Partei zu der vorbezeichneten Problematik?
Würden Sie sich in Ihrer Partei und als Abgeordnete des Bundestages für eine solche Ergänzung des § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen
Marcus Gnau, Bad Nauheim

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gnau,

vielen Dank für Ihre Frage vom 23. August 2005 zum Thema "Familie".

Ich kann Ihren Vorschlag gut nachvollziehen und habe Verständnis für Ihr Anliegen.

Ihren Vorschlag, eine widerlegbare Vermutungsregelung in den § 1671 Abs. 2 Ziffer 2 als Satz 2 einzubauen, halte ich allerdings für etwas zu weitgehend. Denn würde durch die Norm vermutet werden, dass stets dem Kindeswohl am ehesten gedient ist, das Sorgerecht dem Elternteil zuzusprechen, der die Unmöglichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge verschuldet hat, so könnten sich in Theorie und Praxis viele Fälle ergeben, in denen diese Vermutungsregelung nicht greift.

Grundsätzlich steht Eltern, die bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind, nach geltendem Recht die elterliche Sorge nur dann gemeinsam zu, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen oder einander heiraten. Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge. Die Regelung gibt der Mutter insoweit eine stärkere Rechtsstellung, als sie ohne Abgabe einer entsprechenden Erklärung Inhaberin der Alleinsorge bleibt.

Hintergrund dieser Regelung ist, dass nichteheliche Kinder nicht nur in intakten nichtehelichen Lebensgemeinschaften geboren werden, sondern auch im Rahmen flüchtiger und instabiler Beziehungen. Der Gesetzgeber hat deshalb angenommen, dass unverheiratete Eltern nicht immer die für die gemeinsame elterliche Sorge notwendige Kooperationsfähigkeit besitzen. Er hat die gemeinsame Sorge davon abhängig gemacht, dass die Eltern ihre Bereitschaft durch die Abgabe übereinstimmender Sorgeerklärungen dokumentieren.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelung in seinem Urteil vom 29. Januar 2003 im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt. Es hat jedoch festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die gesetzlichen Annahmen auch vor der Wirklichkeit Bestand haben. Zu diesen Annahmen gehört, dass eine Mutter, die mit dem Vater und dem Kind zusammenlebt und gleichwohl keine Sorgeerklärungen abgeben will, dafür schwerwiegende Gründe hat, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden.

Diesem Beobachtungsauftrag ist die SPD-Bundestagsfraktion durch eine Expertenanhörung nachgekommen. Der Vergleich mit anderen Rechtsordnngen
ergab, dass wir bei der Erlangung der gemeinsamen Sorge für Nichtverheiratete im europäischen Vergleich mit die höchste Hürde errichtet haben. Viele europäische Nachbarstaaten gewähren nicht verheirateten Eltern die gemeinsame Sorge unabhängig vom Familienstand. In einigen Fällen ist die gemeinsame Sorge an das Zusammenleben der Eltern geknüpft.

Aufgrund der vielfältigen Kritik an § 1626 a BGB haben wir die Anhörung auch zum Anlass genommen zu erörtern, ob die Regelung politisch weiterhin wünschenswert ist. Von der Diskussion umfasst war auch die Regelung des § 1672 Abs. 1 BGB, wonach auch die Übertragung der Alleinsorge von der Mutter auf den Vater ihrer Zustimmung bedarf. Die große Mehrheit der Sachverständigen forderte Korrekturen bei der gemeinsamen Sorge nicht verheirateter Eltern.

Wir werden auch zukünftig intensiv prüfen, ob eine Änderung des Rechts der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern sinnvoll ist. Ich werde dabei auch Ihr Anliegen im Auge behalten.

Mit freundlichen Grüßen
Nina Hauer, MdB