Frage an Nina Brandt von Matthias T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Hallo,
1.Ihre Partei also auch Sie werben auf Plakaten mit dem Slogan "30 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich" - wie haben Sie dies vor zu realisieren?
2. Slogan: "Vertrauen ist gut - Kontrolle besser" Lässt sich dieses Zitat auch so deuten das sie das kommunistische Machtsystem Lenins unserem vorziehen? Und denken sie privat das Kommunismus besser ist als Demokratie - wo sehen Sie Vor- und Nachteile der Staatsformen?
MfG
Matthias
Hallo Matthias Trommer,
Sie sprechen mit Ihren Fragen 2 Brennpunkte an, die ich Ihnen gerne beantworte.
Momentan haben wir fast 44 Arbeitsstunden pro Arbeiter in Deutschland bei einer Massenarbeitslosigkeit von offiziell 5. Mio. Bei einer Arbeitszeitverkürzung und einer drastischen Kürzung der Überstunden auf eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleichwürden wir rein rechnerisch 8 bis 10 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Die 30-Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich kann und muss auf Kosten der Profite durchgesetzt werden, denn die Kosten dafür haben die Arbeiter in den letzten 15 Jahren längst durch die gigantische Steigerung ihrer Arbeitsleistung aufgebracht. Wofür ein Industriearbeiter 1991 in der Produktion noch 40 Stunden brauchte, musste er 2004 nur noch 17,5 Stunden aufbringen. Die Produktivität ist also um mehr als 50% gestiegen, genauso wie der Umsatz und Gewinn der Großbetriebe massiv gestiegen sind.
Die Arbeitszeitverkürzung ist nicht teurer, wie immer wieder behauptet wird. Das ist volkswirtschaftlich längst widerlegt. Denn was z.B. mehr an Löhnen und Gehältern gezahlt wird, würde bei der Sozialhilfe, beim Arbeitslosengeld II, beim Wohngeld und der Unterstützung der ganzen sozialen Einrichtungen eingespart.
Das häufigste Argument gegen die Arbeitszeitverkürzung ist, dass die kleinen und mittleren Unternehmen das gar nicht bezahlen könnten. Dazu muss man wissen, dass die paritätische Sozialversicherung aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg stammt. Das waren noch andere Verhältnisse. Inzwischen ist es doch so, je größer ein Konzern, desto weniger Beschäftigte hat er im Verhältnis zu seinem Umsatz. Wir hatten in Deutschland 2004 in der Industrie gerade noch 7,9 Prozent Lohnanteil am Umsatz. Das ist übrigens weniger als in den sogenannten Niedriglohnländern Osteuropas. Aber in den kleinen Betrieben, in denen die meisten Leute arbeiten, da beträgt der Lohnanteil am Umsatz ca. 50-60%. D.h. bei einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, würden die pleite gehen. Deswegen schlagen wir vor, das ganze Sozialversicherungssystem anders zu finanzieren. 1. dass die Sozialversicherungsbeiträge vollständig vom Unternehmer bezahlt wird und 2. dass die Sozialversicherungen durch eine umsatzbezogene Sozialsteuer finanziert werden. Mit einer Umsatzsteuer von 6,2 % könnten heute sämtliche Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungsbeiträge bezahlt werden.
Diese Forderung nach der 30-Stunde Woche wird jedoch auf erbitterten Widerstand vor allem von Seiten der Geschäftsführungen der Großindustrie stoßen.. Deshalb kommt es drauf an, eine Partei zu wählen, die auch kämpfen kann, was die MLPD z.B. in der Montagsdemonstrationsbewegung und dem Streik 2004 bei Opel gezeigt hat.
Zu Lenin: Ich habe kürzlich eine Umfrage des Allensbacher Institut gelesen.. Dort hielten 85% der Befragten, den Satz „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“ für zutreffend. Diese Losung hat Lenin für den sozialistischen Aufbau ausgegeben.
Ich denke eigentlich, dass sich hinter demokratischer Fassade die Monopole ihre Diktatur über die ganze Gesellschaft errichtet und den Staat untergeordnet haben. Sozialismus ist für mich Basisdemokratie, Demokratie für die Menschen, die hier alle Werte schaffen usw. In unserem Parteiprogramm haben wir geschrieben: »Der Sozialismus ist die Zusammenfassung der fortgeschrittensten Ideen und Errungenschaf-ten der Menschheit. Er ist kein ausgedachtes Schema und schon gar keine Gleich-macherei, sondern erwächst aus dem vielfältigen Leben und Kampf der Massen. Er ist der nächste gesellschaftliche Schritt vorwärts, in dem der revolutionäre Fortschritt der Produktivkräfte zum Nutzen der ganzen Gesellschaft angewandt wird.« (Programm der MLPD, S. 49) Der Sozialismus ist ein notwendiger Übergang zum Kommunismus, da der Kommunismus mit seinen Prinzipien voraussetzt, dass die Men-schen dazu bereit sind nach dem Verteilungsprinzip „Jeder nach seinen Bedürfnissen“ zu leben. Das kann nicht gegen die Menschen durchgesetzt werden, sondern muss sich entwickeln.
Der Sozialismus ist nicht »gescheitert« - er wurde verraten. Über mehrere Jahrzehn-te wurde der Sozialismus bereits erfolgreich aufgebaut – in der Sowjetunion oder in der DDR bis in die 50er, in China bis in die 70er Jahre.. Danach gelang es einer neuen bürokratischen Kapitalistenklasse, die Macht an sich zu reißen und den Sozialis-mus zu zerstören. Das konnte jedoch nur geschehen, weil die demokratische Kontrolle über die Verantwortlichen in Wirtschaft, Staat und Partei ungenügend entwickelt war. Heute tun die Vertreter des modernen Antikommunismus dagegen so, als sei das Thema Sozialismus erledigt. Das ist reine Zweckpropaganda, die nur ablenken soll von der Krise des Kapitalismus. Auch die PDS rechtfertigt die frühere Ausbeutung, Unterdrückung und Bespitzelung der DDR-Bevölkerung als angeblich »realen Sozialismus «. Marx und Lenin würden sich im Grab umdrehen, hätten sie diese Verhältnisse gekannt!
Die MLPD hat Lehren gezogen wie eine solche negative Entwicklung zu verhindern ist. Mit einer kleinbürgerlichen Denkweise kann der Sozialismus nicht aufgebaut wer-den. Diese strebt nach Privilegien, unterdrückt ehrliche Kritik und mißbraucht die Macht aus egoistischen Motiven. All das verbrämt sie mit sozialistisch klingenden Phrasen. Nur mit der proletarischen Denkweise können revolutionäre Theorie und Praxis eine Einheit bilden, denn sie ist allein den Interessen der Arbeiterklasse und dem Aufbau des Sozialismus verpflichtet. Die Frage der Denkweise ist so wichtig, daß sie immer kontrolliert werden muß. In der MLPD wird ein System der Selbstkon-trolle schon heute praktiziert, wie in unseren Wählerinitiativen. Dort müssen die Kan-didaten regelmäßig Rechenschaft ablegen, wird alles selbst organisiert, die Kasse geprüft und über die Ausgaben Bericht erstattet.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre (übrigens Frau) Nina Brandt