Frage an Nils Schmid von René S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Schmidt,
sie sagen, dass die Bildungspolitik "Dreh- und Angelpunkt für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes" sei. Alleine, auf welchen Umfang des Landes sie sich beziehen, wird nicht deutlich.
Hat die Länderverantwortung der Länder im Bildungswesen nicht dazu geführt, dass die Bundesländer sehr unterschiedlich im Bildungswesen abschneiden?
Hat dies nicht ebenfalls bewirkt, dass Schüler, die mit ihren Eltern aufgrund einer Arbeitsstelle innerhalb Deutschlands umziehen müssen, einem starken Risiko ausgesetzt sind, dass sie entweder schon weiter im Stoff oder halt auch weit dahinter liegen?
Sollte es nicht das eigentliche Ziel einer vernünftigen bundesweiten Bildungspolitik sein, dass Bildung wieder zum Bundesthema wird und eben nicht durch die einzlenen Länder entschieden wird?
Eine "einheitliche" Bildung in ganz Deutschland würde doch dazu führen, dass unsere Länder gemeinsam wieder stärker und besser werden. Ein Abbau der Hürden für die Lehrer, die, wenn sie hier ausgebildet wurden, in vielen anderen Bundesländern erst eine Weiterqualifikation benötigen, um in anderen bundesländern zu unterrichten sollte dabei doch auch ganz oben auf der Liste stehen.
Und haben sie nicht erst Lehrerstellen gestrichen, was ihrem Anspruch "Sofortprogramm zum Abbau von Unterrichtsausfall und Aufstockung der Krankheitsreserve - zur besseren Unterrichtsversorgung der Schüler und zur Entlastung der Lehrerkollegien" doch gnadenlos widerspricht?
Sehr geehrter Herr Schmalian,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Schulpolitik, die ich im Auftrag von Herrn Schmid gerne beantworte.
Die Bedeutung der Bildungspolitik für die Zukunft unseres Landes gilt unabhängig von Zuständigkeiten und Ländergrenzen in ganz Deutschland. Ihre Skepsis gegenüber unterschiedlichen Ausrichtungen und Regelungen in der Schulpolitik der einzelnen Bundesländer, ist verständlich. So sehe ich die Problematik, die zum Beispiel im Falle eines Umzugs in ein anderes Bundesland ensteht, durchaus. Die Konferenz der Kultusminister thematisiert solche Nachteile immer wieder und ist bestrebt sie zu minimieren.
Im Grundgesetz ist der föderale Staat als eines der Grundprinzipien unserer Verfassung festgeschrieben. Dies bedingt, dass die Bundesländer Regelungsbereiche haben, in denen sie weitgehend autonom (d.h. ohne den Bund) für die Gesetzgebung zuständig sind. Die Bildungspolitik gehört zu den klassischen Kompetenzen, die - von wenigen Ausnahmen abgesehen - vollstängig in der Hand der Länder sind. Dies hat die überparteiliche Föderalismuskommission zwischen Bund und Ländern im Jahr 2006 nochmals bekräftigt. Dafür gibt es auch gute Argumente. So fördert der Bildungsföderalismus beispielsweise pädagogische Innovationen, weil unterschiedliche Konzepte entwickelt, verglichen und bewertet werden können. Dass eine "einheitliche" Bildungspolitik, wie Sie schreiben, insgesamt zu einer besseren Schulbildung führen würde, halte ich hingegen für eine gewagte Behauptung. Denn nicht die Einheitlichkeit ist entscheidend, sondern das jeweilige pädagogische Konzept. Gleichwohl kann es sinnvolle Schritte geben, die z.B. eine bessere Vergleichbarkeit ermöglichen. Ein aktuelles Beispiel ist der Beschluss, eine gemeinsame Abitur-Prüfungsaufgabe in allen Ländern zu stellen.
Ihre letzte Frage bezieht sich auf die Lehrerversorgung im Land. Ihre Aussage trifft nicht zu: Bislang wurden keine Lehrerstellen gestrichen. Die grün-rote Landesregierung hat vielmehr bereits im Sommer 2011 die von der Vorgängerregierung beschlossene Streichung von 711 Lehrerstellen zurückgenommen. Zudem haben wir im vergangenen Schuljahr zusätzliche Mittel von fünf Millionen Euro freigegeben, als sich an den Schulen Engpässe bei der Lehrerversorgung abzeichneten.
Im laufenden Schuljahr hat die Landesregierung dafür gesorgt, dass die rund 3.300 Deputate, die aufgrund des Schülerrückgangs rechnerisch weggefallen wären, im Bildungssystem erhalten bleiben. Zum zweiten kommen 200 zusätzliche Stellen für Krankheitsvertreter hinzu, so dass jetzt insgesamt 1.466 Stellen zur Verfügung stehen und die bislang schlechte Ausgangslage verbessert wird. Und zum dritten wird die bisherige Deckelung bei den Finanzmitteln, mit denen Vertretungsverträge abgeschlossen werden können, aufgehoben. Die Kultusverwaltung erhält also im laufenden Schuljahr neuen Spielraum, um die Unterrichtsversorgung spürbar zu verbessern.
Da die Schülerzahl in den nächsten Jahren stark zurückgeht, kann bis 2020 auf 11.600 Lehrerinnen und Lehrer verzichtet werden, ohne die Unterrichtsversorgung zu verschlechtern. (Dies meinten Sie wahrscheinlich mit dem Streichen von Lehrerstellen). Entscheidend für die Unterrichtsversorgung ist dabei nicht die statische Zahl der Lehrer und Lehrerinnen, sondern die Schüler-Lehrer-Relation, bei der Baden-Württemberg gut da steht. Gleichzeitig werden wir unsere bildungspolitischen Reformen fortsetzen und damit auch im föderalen Wettstreit um die besten Konzepte positive Impulse geben.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. Michael Wechsler