Frage an Nils Schmid von Birte W. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Dr. Schmid,
im Koalitionsvertrag konstantieren Sie, dass sich ihre bildungspolitischen Ziele in der Gemeinschaftsschule für alle Kinder bis Klasse 10 am besten erreichen lassen.
Nun meine Fragen:
Woher wollen Sie im Ländlichen Raum die Schülerzahlen für Gemeinschaftsschulen mit mehreren Zügen nehmen? Müssen die Schüler dann einfach weitere Wege zur Schule in Kauf nehmen oder werden gar unabhängig von íhren Fähigkeiten einfach weiter in einer Klasse unterrichtet? Wird der gymnasiale Zug der Gemeinschaftsschule, sofern es dann einen gibt, wirklich dasselbe Niveau wie ein Gymnasium haben?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Sehr geehrte Frau Wiele,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
Zunächst betone ich, dass die Gemeinschaftsschule ein Konzept ist, dass in die Zukunft weist und sich deshalb - nach meiner Überzeugung - durchsetzen wird. Aber wir werden es nicht überstülpen, sondern dort genehmigen, wo pädagogische Konzepte vorliegen und die Kommunen dies beantragen. Viele Kommunen haben solche Pläne längst in der Schublade.
Insbesondere eröffnet die Gemeinschaftsschule die Chance, dort Schulstandorte zu erhalten und ein breites Angebot an Bildungsabschlüssen anzubieten, wo nach den Plänen der alten Landesregierung die Standorte über kurz oder lang vor der Schließung standen. Insofern wird die Gefahr, dass die Kinder gerade im ländlichen Raum weite Schulwege auf sich nehmen müssen, durch unser Konzept vermindert, also ganz im Gegenteil zu Ihren Befürchtungen.
Die Qualität der Schulbildung hängt nach Meinung der allermeisten Experten nicht von der Mehrzügigkeit ab, sondern von einer guten Unterrichtsversorgung (d.h. weniger Stundenausfall), von flexiblen Unterrichtsmodellen - am besten zu verwirklichen in Ganztagsschulen - und von individueller, differenzierter Förderung der Schülerinnen und Schüler. Diese drei Ziele haben wir uns auf die Fahnen geschrieben und wir werden dafür die nötigen Maßnahmen ergreifen.
Es ist eine Illusion zu glauben, dass durch das mehrgliedrige Schulsystem die individuellen Fähigkeiten einzelner Kinder besser gefördert werden könnten, denn schon jetzt sind die Klassen keineswegs homogen - weder an Haupt-, noch an Realschulen oder Gymnasien. Das belegen übrigens Leistungsstudien, laut denen z.B. gute Hauptschüler leistungsmäßig mit dem vorderen Mittelfeld an Realschulen mithalten können. Warum sollten diese also nicht gemeinsam unterrichtet werden können, wenn es zudem eine Binnendifferenzierung gibt? Letzteres ist der Schlüssel zu einer Förderung gemäß den individuellen Fähigkeiten, die Sie zurecht anmahnen, nicht die Selektion in Schularten, die eben keine Chancengleichheit gewährleistet.
Bereits jetzt gibt es einen gymnasialen Zug, nämlich das Berufliche Gymnasium der dreijährigen Aufbauform, das sich - spätestens seit der Einführung des G8 - größter Beliebtheit erfreut. Die Leistungsanforderungen sind mit dem allgemeinbildenden Gymnasium vergleichbar und mir liegen keine Erkenntnisse vor, dass deren Abschlüsse auf geringere Akzeptanz stoßen. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass auch dieses Angebot bei den Schulträgern offene Türen einrennen wird. Es steht den Eltern dann ja frei, sich für ein anderes Gymnasium zu entscheiden, denn wir werden diese Schulform - entgegen der Behauptungen von CDU und FDP in der Endphase des Wahlkampfes - nicht abschaffen.
Wie Sie sehen, eröffnet das Konzept der Gemeinschaftsschule große Chancen, insbesondere im ländlichen Raum. Sie schafft mehr Wahlmöglichkeiten und sie ist ein Beitrag für mehr Chancengleichheit.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Schmid