Frage an Niema Movassat von Peter G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Movassat,
am 28. Juni erklärten Sie anlässlich eines Vortrags zum Thema Fluchtursachen in Bonn [1]:
(Zitat:) "Deutschland ist der drittgrößte Waffenlieferant der Welt. 2014 Waffenexporte im Wert von 6,5 Milliarden Euro!".
Das ist schlicht falsch. Sie beziehen sich in Ihrem Vortrag explizit auf das Jahr 2014. Der Rüstungskontrollbericht der Wirtschaftsministeriums [2] belegt, dass diese Waffenexporte lediglich einen Umfang von 1,8 Milliarden Euro ausmachten [3]. Die von Ihnen genannte Zahl von 6,5 Milliarden Euro bezieht sich auf die Gesamtheit aller Rüstungsgüter, die in der Mehrzahl nicht lethal sind. Zum Beispiel zählen auch gepanzerte Fahrzeuge für die UN und die OSZE oder Geräte zum Aufspüren von Bodenminen zu "Rüstungsausgaben".
(Zitat:) "Die Bundeswehr ist aktuell in 17 Einsätzen, so viele Auslandseinsätze wie noch nie..." [1]. Auch das ist falsch: Am Tag Ihres Vortrags waren es 14 Auslandseinsätze [4]. Zwei davon sogar auf Wunsch Ihrer Parteigenossen [5][6].
Sie stellen ferner die Ausgaben des Verteidigungshaushaltes (34,37 Mrd. Euro ) denen des Entwicklungsministeriums (7,4 Mrd. Euro) gegenüber und kommentieren das wie folgt: "Die Zahlen zeigen eigentlich relativ deutlich, wie die heutige Prioritätensetzung der Bundesrepublik Deutschland ist".
Dazu zwei Beispiele: 1) Die Begleitung der Schiffe des Welternährungsprogramms durch die Marine zur Sicherung dringend benötigter Lebensmittel für Somalia und 2) rd. 17.000 durch die Marine gerettete Menschen im Mittelmeer. Beides humanitäre Leistungen Deutschlands. Wo findet man die Kosten dafür? Unter "Rüstungsausgaben", die Sie zu "Waffen" erklären!
Wo die wirklichen Prioritäten Deutschlands liegen, sehen sie am Vergleich der Geberländer [7] und der Aussage des WFP [8].
Eine Erklärung wäre nett.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Gross
[1] bit.ly/29cgwKW
[2] bit.ly/29rykQ0
[3] bit.ly/29clbfC
[4] bit.ly/29rEWOr
[5] bit.ly/29hWA6i
[6] bit.ly/29ghV2H
[7] bit.ly/29d7FEL
[8] bit.ly/29d7SYj
Sehr geehrter Herr Gross,
Ich freue mich, dass Sie sich meinen Vortrag zu Fluchtursachen angehört haben. Ich danke Ihnen auch für die Hinweise hinsichtlich der von mir genannten Zahlen.
Tatsächlich war die Zahl von 17 Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht ganz korrekt - doch ihr Hinweis stimmt leider auch nicht. Die aktuelle Zahl (16) finden Sie auf der Website der Bundeswehr: http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKU1PjUzLzixJIqIDcxu6Q0NScHKpRaUpWqX5DtqAgASPKsIg!!/ .
In dem Bericht zu 2014, den Sie verlinkt haben, findet sich ein finanzielles Volumen der Rüstungsexporte von 3,974 Mrd. € - Sie haben jedoch sicher auch die Nachricht gelesen, dass sich das Volumen in 2015 verdoppelt hat ( http://www.welt.de/wirtschaft/article156758271/Deutsche-Waffenexporte-haben-sich-fast-verdoppelt.html ). Die Zahlen sind also mit knapp 8 Mrd. € noch verheerender, als ich in meinem Vortrag gesagt habe. Insofern danke ich Ihnen für den Hinweis, damit ich in Zukunft die korrekte, höhere Zahl verwende. Ihren Hinweis, zwischen Waffen und Rüstungsgütern bedachter zu unterscheiden, nehme ich in Zukunft gerne auf - an der von mir aufgezeigten Problematik von Deutschland als Profiteur von Krieg und Repression ändert das leider nichts.
Als Beispiel für die Verwendung der Rüstungsausgaben ausgerechnet die geretteten Menschen im Mittelmeer anführen, ist vor dem Hintergrund des Ausbaus von Frontex ( http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-12/frontex-fluechtlinge-eu-gipfel-bruessel ) und dem Ausbau der europäischen Grenzpolitik in die afrikanischen Länder durch sogenannte Migrationspakte ( http://movassat.de/2460 ) aus meiner Sicht sehr unpassend. Würde die Bundesregierung sich z.B. für mehr legale Migrationsmöglichkeiten und eine gerechte Handels- und Agrarpolitik stark machen, welche den Menschen ihre Lebensgrundlage nicht entzieht, würden gar nicht erst so viele Menschen den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer nehmen müssen. Zudem sollen zukünftig auch Gelder aus der Entwicklungszusammenarbeit für militärische und sicherheitspolitische Zwecke zweckentfremdet werden ( http://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-kommission-will-militaer-mit-entwicklungshilfe-staerken-a-1101301.html ). Eine Entwicklung, die ich für besorgniserregend halte.
Das Engagement der Bundesregierung im WFP und bei humanitären Zahlungen ist natürlich zu begrüßen - die Zahlungen kleinerer Volkswirtschaften wie der Türkei und Großbritannien, welche die der Bundesrepublik deutlich übertreffen, zeigen jedoch, dass auch hier noch viel mehr möglich ist (
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/201187/umfrage/groesste-geberlaender-von-hilfszahlungen-weltweit/ ).
Mit freundlichen Grüßen
Niema Movassat