Frage an Niema Movassat von Peter R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Movassat,
Wie stehen Sie zur Zukunft der Wehrpflicht in Deutschland?
Mit freundlichem Gruß
Peter A.W. Rosenthal
Sehr geehrter Herr Rosenthal,
die Zukunft der Wehrpflicht in Deutschland sehe ich allein in ihrer Abschaffung oder zumindest ihrer Aussetzung. Dass sie heute noch besteht, ist nicht mehr zu begründen und nicht mehr zeitgemäß. Im Einzelnen möchte ich meine Argumente darlegen und dabei auch auf die Argumente von Wehrpflichtanhängern eingehen:
1. Wehrgerechtigkeit
Diese ist heute nicht mehr gegeben. Mittlerweile wird nicht mal mehr jeder 5.Mann zum Dienst herangezogen. Es leisten mehr Männer Zivildienst als den Wehrdienst. Die Kapazitäten der Bundeswehr reichen auch nicht mehr aus, jeden Mann überhaupt einzuberufen. Die Kreiswehrersatzämter haben nicht mal mehr die Kapazität jeden Mann zu mustern. Mit anderen Worten: Wer Wehrdienst leistet und wer nicht, dass gleicht mittlerweile einem reinen Glücksspiel. Denn auch die Tauglichkeitskriterien wurden in den letzten Jahren einfach verändert, um nach außen noch irgendwie den Schein der Wehrgerechtigkeit zu wahren. Dieses Defizit der Wehrgerechtigkeit allein ist guter Grund für die Abschaffung des Dienstes, denn: Die Wehrpflicht ist ein massiver Eingriff in die Freiheitssphäre junger Männer. Denn diesen werden viele Monate ihres Lebens genommen. Dass muss aber dann wenigstens gleich und gerecht sein - wenn dies nicht mehr der Fall ist, ist der Eingriff auch nicht mehr gerechtfertigt.
2. Beispiel anderer Länder / "Staat im Staat"?
Andere Länder wie Italien, Spanien, Frankreich, USA, Niederlande und Großbritannien haben bereits die Wehrpflicht abgeschafft oder ausgesetzt. Oft sagen ja Wehrpflichtanhänger: Ohne Wehrpflicht seien demokratische Strukturen in Gefahr. Es drohe ein "Staat im Staat". Dies aber ist in den anderen Staaten, die die Wehrpflicht ausgesetzt oder abgeschafft haben, nicht eingetreten. In keinem dieser Staaten gibt es nun eine Militärdiktatur oder eine Armee, die sich selbstständig gemacht hat. Man darf wohl davon ausgehen, dass was in anderen Ländern klappt, auch in Deutschland klappt.
3. Volkswirtschaftlicher Aspekt
Laut einer Studie aus August 2008 kostet die Wehrpflicht die deutsche Volkswirtschaft sechs Mrd. Euro pro Jahr. Geld, das in anderen Bereichen gut aufgehoben wäre.
Ich möchte diesen Text nicht zu lang halten. Ich verweise auch auf mein Buch, in dem ich ausführlich auf die verschiedenen Argumentationsstränge eingehe und auch ausführliche Berechnungen vorlege Niema Movassat: Abschied von der Wehrpflicht? München 2007, ISBN 3-638-66331-0.
Mit freundlichen Grüßen,
Niema Movassat