Frage an Niels Annen von Rene L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Annen,
zunächst herzlichen Dank für die ausführliche Antwort ( http://abgeordnetenwatch.de/niels_annen-650-5702--f154701.html#frage154701 ). Da manchmal Antworten auch eine gewisse Reife brauchen, sehe ich in den zwei Monaten auch überhaupt kein Problem, für welches Sie sich entschuldigen müssten.
Zunächst würde mich - wie in der Ausgangsfrage - nach Ihren Ausführungen immer noch interessieren, worin Sie die Abgrenzung zur PDS / Linkspartei sehen. Diese verwendet wie Sie den Begriff "demokratischer Sozialismus" als Grundlagenbegriff ihrer Politik. Es müssen daher wohl Gemeinsamkeiten bestehen und nachdem Sie in zuletzt Hessen mit der PDS eine Koalition eingehen wollten und in MeckPom und Berlin Koalitionen hatten / haben, scheinen hier die Näherungswerte nicht allzu klein zu sein.
Es stellt sich natürlich dann auch die Frage, warum es nicht eine sozialistische Partei gibt, wenn schon der identische Begriff gewählt wird.
Zum anderen ergeben Sie aus Ihrer Antwort neue Fragen:
Sie schreiben: „Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft". In was für einer Gesellschaft leben wir dann derzeit? Unfrei? Ungerecht? Unsolidarisch?
Dabei würde mich natürlich auch die Beurteilung der Politik Ihrer Partei in der Vergangenheit interessieren, die zum erheblichen Teil eben jene Gesellschaft mit geformt hat, zuletzt die Solidargesetze um Hartz IV entwickelte und nunmehr in der Grossen Koalition - Ihre heimliche Parteivorsitzende behauptete gestern auf n-tv zu 80 Prozent - die Konjunkturpakete gestaltet hatte.
Sie schreiben: "sich ... mit Lenin und Trotzki über die Diktatur des Proletariats bewusst vom Terror der Bolschewiki abzugrenzen"
Ist Ihnen bewusst, dass Lenin wie Trotzki Bolschewiki waren? Vielleicht handelt es sich nur um ein Missverständnis, aber Lenin war an der Vorbereitung und Trotzki auch an seiner Ausführung beteiligt, zumal der "rote Terror" nicht erst unter Stalin begann.
Herzlichst
Rene Lima
Sehr geehrter Herr Lima,
vielen Dank für Ihre Nachfrage!
Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, dass ich es nicht als meine Aufgabe sehe, für DIE LINKE den Begriff "demokratischer Sozialismus" zu erklären. Mir war es ein Anliegen, Ihnen mein Verständnis dieses Grundwertes sozialdemokratischer Politik zu erläutern.
Über meine Haltung in Sachen Verhältnis SPD / DIE LINKE und mögliche Zusammenarbeit habe ich mich im Schriftwechsel auf diesen Seiten mehrfach geäußert; meine Position können Sie über die Stichwortsuche leicht finden. Aus meinen Antworten sollte aber auch deutlich werden, warum es deutliche Unterschiede zwischen SPD und Linkspartei gibt und nach meiner Einschätzung auch weiterhin geben wird. Dass sich auch DIE LINKE auf demokratischen Sozialismus bezieht, bedeutet ja weder, dass der Begriff identisch genutzt wird noch das identische Vorstellungen und Konzepte dahinter stehen.
Ihre Anmerkungen zum demokratischen Sozialismus als Leitidee konkreter sozialdemokratischer Politik scheinen mir - mit Verlaub - rhetorischer Natur zu sein. Eine gesellschaftliche Vision zu formulieren bedeutet nicht, davon auszugehen, dass wir das genaue Gegenteil dieses Zieles erleben bzw. darin leben. Dennoch ist es ja nicht so, dass wir gepflegt die Hände in den Schoß legen könnten, weil sämtliche "Un-" vor Begriffen wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität schon flächendeckend abgeschafft sind.
Für mich bleibt es daher die Aufgabe sozialdemokratischer Politik, die im Hamburger Programm formulierte Leitidee in konkrete Politik zu übersetzen. Wo es dafür meiner Meinung nach Hebel gibt, habe ich Ihnen ja bereits geschrieben.
Mit freundlichen Grüßen,
Niels Annen