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Nicole Maisch
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Frage von Tovija S. •

Frage an Nicole Maisch von Tovija S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Geehrte Frau Maisch,

warum werden Studenten beim Bafög in die Pflicht genommen, für Ihren Unterhalt rückwirkend selbst aufzukommen, wenn ein Steuerbescheid der Eltern zu Ungunsten des Studenten abgeändert wird? Das Prinzip, dass generell vom Leistungsempfänger gefordert wird, sollte hier keine Geltung finden dürfen. Warum wird unter diesen Umständen eine Rückforderung an mich adressiert, während ich aber von Sachbearbeiter und Anwalt auf die Möglichkeit der Klärung vorm Familiengericht verwiesen werde? Das bedeutet doch, dass mehr oder minder erkannt wird, dass der Unterhalt von meinen Eltern hätte gezahlt werden müssen. Warum wird dieser eigentlich logischen Tatsache nicht Rechnung getragen? Eltern können doch auch (eig) problemlos rückzahlungspflichtig gemacht werden, wenn sie falsche Angaben gemacht haben oder Änderungsanzeigen unterlassen. Wobei hier in der Praxis sicher auch oft auf die Studenten abgewälzt wird, weil es vermutlich einfacher ist. So verstehe ich jedenfalls, dass sowohl ich als auch meine Eltern beispielsweise Änderungen in den Verhältnissen meiner Geschwister (z.B. Aufnahme eines Minijobs) mitteilen sollen. Im Zweifelsfall wird erst einmal mir etwas zur Last gelegt, bis ich mich ggf. gerichtlich dagegen wehre.
Der Gesetzgeber belässt mit von mir kritisierter Regelung ein enormes und unnötiges Konfliktpotenzial in der Gesellschaft. Eltern werden damit unrechtmäßig begünstigt.
Um mich zu versichern, dass mein Ungerechtigkeitsgefühl kein unbedeutendes, rein subjektives und übertriebenes ist, habe ich mich bei mehreren Kommilitonen um deren Zustimmung versichert.
Als mir letztes Jahr die Rückforderung in Höhe von 1200€ ( das ist ein Jahreseinkommen für mich!) mit der Post ins Haus flatterte, hat mir das alles andere als gesundheitlich gut getan.
Ich weigere mich, das hinzunehmen.
Bitte teilen Sie mir auch mit, ob und inwieweit dieses Problem bereits bekannt ist.

Ich hoffe, Sie sehen ebenso Änderungsbedarf wie ich.

MfG
hebr. Tovija / gr. Tobias

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Schönbach,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

ich teile ihre Kritik am aktuellen BAföG-System. Vor allem die von Ihnen geschilderten Rückzahlungspflichten veranschaulichen deutlich, dass die Studienfinanzierung hierzulande unzureichend ist und es einer mutigen Erneuerung bedarf. Notwendig ist ein Umbau der Studienfinanzierung, der gleiche Chancen und mehr Teilhabe verwirklicht. Die Studienfinanzierung muss endlich besser, gerechter, verlässlicher und leistungsfähiger werden. Hierbei wollen wir grundlegend andere Wege gehen als die schwarz-gelbe Bundesregierung.

Die Belastung durch Studiengebühren oder Verschuldungsrisiken durch Studienkredite und BAföG schrecken vor allem junge Menschen aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien vom Studium ab. Zugleich greift Statusfatalismus um sich - immer weniger Menschen mit niedrigem Einkommen und geringer Bildung sind zuversichtlich, dass es ihnen oder ihren Kindern einmal besser gehen wird.

Derzeit sind die Eltern die Hauptquelle zur Lebensunterhaltsfinanzierung der Studierenden. Danach folgen studentische Nebenjobs. Erst mit weitem Abstand kommt die staatliche BAföG-Förderung. Immer mehr Studierende gehen von einer unsicheren Finanzierung ihres Studiums aus. Ihre soziale Lage hat sich in den vergangenen Jahren insgesamt verschlechtert. Das belegt u.a. die Sozialerhebung des DSW.

Das BAföG ist derzeit die tragende Säule staatlicher Studienfinanzierung, muss aber weiterentwickelt werden. Es braucht einen mutigen Ausbau zum grünen Zwei-Säulen-Modell.

Unser grünes Zwei-Säulen-Modell kombiniert einen einheitlichen Sockelbetrag, der allen Studierenden elternunabhängig zugute kommt, mit einem Zuschuss für Studierende aus einkommensarmen Elternhäusern als starke soziale Komponente. Beide Säulen sind als Vollzuschüsse gestaltet.

Mit Säule 1 erhalten alle Studierenden eine Sockelförderung in gleicher Höhe als Basisabsicherung. Damit geben wir allen Studienberechtigten einen Anreiz, tatsächlich ein Studium aufzunehmen. Mit Säule 2 sichern wir die unerlässliche soziale Komponente: Der neue Bedarfszuschuss ist als Vollzuschuss geplant und muss - anders als das jetzige BAföG - nicht zurückgezahlt werden. Denn es sind überwiegend finanzielle Gründe, weshalb in einkommensarmen und bildungsfernen Familien derzeit die meisten Bildungspotenziale brachliegen. Daher begünstigen wir diese Studierenden hiermit ganz gezielt. Mit den beiden Säulen könnten Studierende, zuzüglich etwaiger Wohngeldansprüche und Ausgaben für die Krankenversicherung, deutlich mehr als beim derzeitigen BAföG-Höchstsatz erhalten.

Neu an unserem Modell ist, dass das Geld direkt bei den Studierenden ankommt. Im Falle eines Studiums wird allen Studierenden der bedarfsunabhängige Studierendenzuschuss direkt gezahlt, der aus dem bisherigen Kindergeld sowie Teilen der steuerlichen Freibeträge, die bislang den Eltern für studierende Kinder gewährt werden, gegenfinanziert wird. Diese direkte Förderung der Studierenden bringt mehr Gerechtigkeit und Zielgenauigkeit.

Unser Zwei-Säulen-Modell reagiert somit auf vielfältige Lebens- und Studienrealitäten und bringt all denen Verbesserungen, die bisher Probleme bei der Finanzierung ihres Studiums hatten. Studierende aus der unteren und mittleren Mittelschicht werden sich ebenfalls besser stellen. Damit tragen wir auch zur Überbrückung des „Mittelschichtslochs“ im heutigen BAföG bei. Für Familien mit mehreren Kindern ist besonders der neue Sockelbetrag eine Erleichterung.

Für Ihren konkreten Fall empfehle ich Ihnen, sich an die BAföG-Beratung Ihres Studierendenwerkes zu wenden. Je nach Hochschule bieten auch Fachschaften oder der AStA für Studierende kostenlose Rechtsberatung an.

Mit freundlichen Grüßen

Nicole Maisch