Frage an Nicole Bracht-Bendt von Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Bracht-Bendt,
bitte erklären Sie mir, warum Sie die Verschärfung der Gesetze gegen Abgeordnetenbestechung ablehnt haben.
Beeindruckt es Sie nicht, dass damit unsere Republik weltweit einer der ganz wenigen Staaten ist, der ein solches Gesetz nicht hat?
Sehr geehrter Herr Stegmaier,
herzlichen Dank für Ihr Schreiben, zu dem ich gerne Stellung nehmen möchte:
Es ist für viele Bürger und nicht nur für Sie unverständlich, dass die Bundesrepublik Deutschland eine von ihr unterzeichnete Konvention der UN nicht ratifiziert. Es entsteht der Eindruck, die Abgeordneten wollten sich vor Bestrafung schützen. Das ist aber nicht der Beweggrund, warum es bisher nicht zu einer Ratifizierung gekommen ist. Bereits vor der Unterschriftsleistung der Bundesregierung haben alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, die damals regierenden Sozialdemokraten und Grünen, aber auch CDU/CSU und FDP als Oppositionsparteien, die Bundesregierung darauf aufmerksam gemacht, dass die in der UN-Konvention vorgenommene Gleichstellung von Amtsträgern (beispielsweise Beamten) und Mandatsträgern (beispielsweise Abgeordneten) nach der Verfassungsrechtslage der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich sei. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung immer wieder darauf hingewiesen, dass Abgeordnete keine Amtsträger im Sinne der deutschen Rechtsvorschriften sind.
Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages habe ich keinen Diensteid geleistet, weil Artikel 38 des Grundgesetzes (GG) den Abgeordneten das freie Mandat garantiert. Als Abgeordnete kann ich einseitig Interessen vertreten, beispielsweise die des Wahlkreises, in dem ich kandiert habe. Es ist nicht möglich, Abgeordnete wie Beamte strikt und objektiv dem Gemeinwohl zu unterwerfen und Abgeordnete sind auch nicht verpflichtet, ein gleiches durchschnittliches Gesamtinteresse zu vertreten. Sie dürfen – und das ist gut so – auch Interessen einzelner Interessengruppen vertreten. Ich begrüße es außerordentlich, dass es immer wieder Gewerkschaftsvorsitzende im Deutschen Bundestag gegeben hat, die sehr einseitig die Interessen der Arbeitnehmer vertreten haben, obwohl der Kollege als Vorsitzender der Gewerkschaft für die Wahrnehmung gleicher Interessen von der Gewerkschaft Gehalt bezogen hat.
Genau dieses Mitwirken hat den Diskussionen im Deutschen Bundestag immer wieder gut getan.
Der Deutsche Bundestag hat deshalb bei der Verabschiedung des Tatbestandes des § 108 e StGB, wie ich finde, zu Recht ausgeführt:
„Der Tatbestand der Abgeordnetenbestechung kann nicht dem der Beamten- und Richterbestechung nachgebildet werden (§§ 331, 332 StGB). Im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist es generell verboten, einen persönlichen Vorteil für eine Diensthandlung oder im Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit anzunehmen oder zu gewähren. Der Amtsträger soll seine Entscheidung im Rahmen der maßgeblichen Rechtsvorschriften stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen treffen. Beim Träger eines Abgeordnetenmandats fehlt es hingegen bereits an einem genau umgrenzten Pflichtenkreis, wie er für Amtsträger existiert. Bei der Ausübung von Stimmrechten im Parlament spielen oft auch politische Gesichtspunkte und Rücksichtsmaßnahmen eine Rolle. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Stimmabgabe politische Zwecke mitverfolgt werden, die den eigenen Interessen des Stimmberechtigten entgegenkommen. Bei zahlreichen Abgeordneten ist die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe von wesentlicher Bedeutung für ihre Aufstellung als Kandidat. Von dem Abgeordneten erwartet die gesellschaftliche Gruppe denn auch, dass er sich für ihre Belange einsetzt. […] Zwar sind auch bei Abgeordneten Fälle denkbar, in denen Vorteile nicht für eine Stimmabgabe, sondern für ein anderes Verhalten in strafwürdiger Weise angenommen bzw. gewährt werden. Bei der Art des Aufgabenbereichs der Abgeordneten ist es jedoch nicht möglich, solche andersartigen Handlungen, die Gegenstand einer Bestechung sein könnten, begrifflich in einem klar begrenzten Tatbestand zu erfassen. Die Tätigkeit der Abgeordnete reicht über das eigentlich parlamentarische Wirken hinaus in das allgemeine politische Geschehen, wo scharf abgrenzbare Verhaltensvorschriften fehlen.“
Dies ist der Grund, warum die Große Strafrechtskommission über 15 Jahre hinweg keinen akzeptablen Vorschlag für eine weitere Fassung des Tatbestands der Abgeordnetenbestechung vorlegen konnte. Die Entwürfe, die von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der Linkspartei in den Deutschen Bundestag eingebracht worden sind, sind kürzlich Gegenstand einer Anhörung des Rechtsausschusses gewesen. Im Rechtsausschuss hat bei der entsprechenden Anhörung eine breite Mehrheit der Sachverständigen durchgreifende Bedenken gegen diese Gesetzesvorlagen erhoben. Nach Auffassung der gehörten Sachverständigen verstoßen alle Entwürfe entweder gegen Artikel 38 GG, der die Freiheit des Mandats gewährleistet, und/oder gegen Artikel 103 Abs. 2 GG, wonach gesetzliche Bestimmungen klar und eindeutig verfasst sein müssen, damit der Bürger weiß, was strafbar ist oder nicht. Es war interessant zu beobachten, dass trotz breiter Anwesenheit von Medienvertretern nur eine Berichterstattung darüber stattgefunden hat, dass die Entwürfe der Opposition untauglich waren.
Mit welchen Methoden hier bei einer verfassungsrechtlich schwierigen Lage gearbeitet wird, zeigt folgender Vorgang: Es wird immer wieder behauptet, es gäbe einen neuen Entwurf von CDU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS‘90/DIE GRÜNEN. Das ist falsch. Keine dieser Fraktionen hat sich den Entwurf von vier Kollegen bisher zu eigen gemacht. Er ist deshalb auch nicht eingebracht. Siegfried Kauder hat in einem Interview vom 25.04.2013 mit dem Weser-Kurier ausgeführt: „Ich möchte klarstellen, wir wollen eine Neuregelung des Gesetzes zur Abgeordnetenbestechung nicht in erster Linie, um die UN-Konvention unterzeichnen zu können.“ Er räumt damit selber ein, dass sein Entwurf den Anforderungen der UN-Konvention nicht genügen könnte. Interessant ist übrigens auch, dass immer verschwiegen wird, dass neben Deutschland auch Japan als weiterer großer demokratischer Staat zwar unterschrieben, aber bisher nicht ratifiziert hat.
Ich hoffe, Ihnen die Auffassung der FDP-Fraktion damit eingehend deutlich gemacht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Bracht-Bendt