Frage an Nicole Bracht-Bendt von Sybille M. bezüglich Gesundheit
Guten Tag,
ich bin Studentin der Politikwissenschaft und möchte mich in meiner Abschlussarbeit mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz beschäftigen.
Dazu suche ich nach Anhaltspunkten, wieso es so lange gedauert hat, bis das in der Presse so titulierte "Reförmchen" verabschiedet wurde.
Können Sie mir sagen, an welchen Hürden eine frühere Verabschiedung einer inhaltsreicheren Reform zB innerhalb der Großen Koalition gescheitert ist? Wieso hat es dermaßen lange gedauert, bis es zur Reform kam, obwohl allen involvierten Parteien schon länger bewusst war, dass es eine Änderung braucht?
Mit freundlichen Grüßen,
Sybille Mocker
Sehr geehrte Frau Mocker,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Es tut uns leid, dass Sie jetzt erst von uns hören. Eine schnellere Antwort konnte ich aus Zeitgründen nicht möglich machen.
Auf Ihre Frage, warum es so lange gedauert hat, bis das Pflegeneuausrichtungsgesetz verabschiedet wurde, kann ich nur auf den Umfang dieser Reform hinweisen - die Veränderungen in verschiedenen Bereichen haben monatelange intensive Beratungen und Abstimmungen in den verschiedenen politischen Gremien und mit Sachverständigen und nicht zuletzt auch umfangreiche Untersuchungen und Berechnungen erforderlich gemacht.
Eine tief greifende Reform, die langfristig angelegt ist und mit hohen Kosten für den Bundeshaushalt verbunden ist, braucht grundsätzlich eine lange Vorlaufzeit.
Die Tatsache, dass es all den involvierten Parteien schon länger bewusst war, dass eine Änderung notwendig ist, reicht alleine nicht aus. Ein Schnellschuss, also eine Reform, die im Eilverfahren durchs Parlament gepeitscht wird, hätte uns nicht weiter gebracht.
Mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz sind gravierende Verbesserungen für Patientinnen und Patienten auf den Weg gebracht worden. Allein die Definition des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, wonach zum ersten Mal dementiell erkrankte Menschen Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, ist ein Fortschritt für alle Betroffenen. Und mit Blick auf die finanziellen Leistungen für Pflegepatienten, die sehr deutlich ausgeweitet wurden, halte ich den Begriff "Reförmchen" für unangebracht.
Das neue Pflegeneuausrichtungsgesetz umfasst eine ganze Reihe von unterschiedlichen Maßnahmen, die alle detailliert ausgearbeitet und beraten werden mussten. So ist zum Beispiel eine deutliche Stärkung des ambulanten Sektors beschlossen worden. Menschen wollen ambulant versorgt werden, am liebsten zuhause wohnen und von den eigenen Verwandten gepflegt werden. Daher sollen ambulante Wohnformen verstärkt werden. Oder die neue Art von Leistungen wie die häusliche Pflege: Neben den bestehenden Komplexleistungen (Minutenpflege) können die Pflegebedürftigen jetzt auch individualisierte Zeitkontingenten vereinbaren. Das ist gerade für Demenzkranke wichtig. Darüber hinaus hat die Koalition mehr Unterstützung für pflegende Angehörige beschlossen: Fortzahlung von hälftigem Pflegegeld im Fall der Verhinderungspflege, Klarstellung der Reha-Ansprüche für pflegende Angehörige, verbesserte Rentenansprüche für pflegende Angehörige oder die verstärkte Förderung von Selbsthilfegruppen.
Wie gesagt, hier von einem "Reförmchen" zu sprechen, ist tendenziös. Ich sende Ihnen gerne Unterlagen über das neue Gesetz zu, daraus ergibt sich meiner Auffassung nach automatisch die Antwort auf Ihre Frage, warum die Reform nicht von heute auf morgen realisiert werden konnte. Warum eine Reform nicht von der schwarz-roten Vorgängerregierung auf den Weg gebracht wurde, müssen Sie die damaligen Verantwortlichen fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Bracht-Bendt