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Nicole Bracht-Bendt
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Frage von Claus H. •

Frage an Nicole Bracht-Bendt von Claus H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Bracht-Bendt,

das vom Europa Parlament mit 409 von 668 Stimmen beschlossene sogenannte Fluggastdaten Abkommen erfüllt mich mit tiefer Besorgnis. Es werden den US-Behörden 19 persönliche Daten von Flugreisenden mit dem Ziel USA und Drittländer anlasslos übermittelt wie auch unkontrollierte Zugriffe auf EU-Flugbuchungssysteme gestattet.
In meiner Bewertung unterwirft sich die EU hiermit den Forderungen der USA. Es handelt sich daher, wie ich meine, nicht um ein "Abkommen", sondern mehr um ein Diktat der US-Behörden. Laut EU-Parlamentariern, die gegen das Abkommen stimmten, verletzt es die Charta der Grundrechte sowie die Europäische Menschenrechtskonvention.
Dieser aus meiner Sicht beschämende Vorgang wirft erneut Fragen zur demokratischen Legitimation der EU Kommission sowie zu Rechtsstatus und Souveränität Deutschlands auf. Zudem zeigt er mir, dass die Bundesregierung elementare Grundrechte und Interessen des deutschen Volkes gegenüber der EU-Bürokratie nicht mit der erforderlichen Entschlossenheit zu schützen scheint.

Hierzu würde ich gern wissen:
1) Wie bewerten Sie die Rechtmässigkeit und Notwendigkeit dieses Abkommens in Abwägung zur rechtlichen Problematik? Bitte verzichten Sie auf Argumente der Terrorismus- oder Kriminalitätsbekämpfung: Nach Aussage von Jan Philipp Albrecht, Abgordneter der Grünen im Europa Parlament, weigert sich die USA, der EU Erklärungen zum Wert der Datensammlung für diese Zwecke zu unterbreiten.
2) Wurde das Fluggastdaten Abkommen in der Bundesregierung oder Ihrer Partei beraten und auf Konformität mit deutschem Recht geprüft und wurde hierüber entschieden? Falls ja, wie? Falls nein, warum nicht?
3) Waren Sie als MdB an Beratungen oder Abstimmungen hierzu beteiligt? Falls ja, welche Stellung bezogen Sie?
4) Entspricht das Fluggastdaten Abkommen aus Ihrer persönlichen bzw. aus Sicht Ihrer Partei den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur Vorratsdatenspeicherung?

Mit freundlichen Grüssen,

Claus Hiller, Seevetal

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Hiller,

die Fraktionen der FDP im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament lehnen die Speicherung, Übermittelung und Nutzung von Fluggastdaten seit Langem konsequent ab.

In einer Debatte im Deutschen Bundestag habe ich gemeinsam mit vielen Kollegen der FDP-Bundestagsfraktion eine persönliche Erklärung zum Thema abgegeben, in der es u.a. heißt:

"Wir lehnen den Aufbau eines europäischen Systems zur Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten mit aller Entschiedenheit ab. Die staatlich veranlasste anlasslose Speicherung von Daten auf Vorrat ist für uns nicht nur im Bereich der Telekommunikation, sondern auch im Passagierverkehr nicht akzeptabel. Daher haben wir die Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Telekommunikation abgelehnt und auch die Abkommen der EU mit anderen Staaten zur Übermittlung von Fluggastdaten stets kritisch begleitet. Auch wenn die Datenschutzstandards gegenüber dem ersten Abkommen mit den USA spürbar gestiegen sind, sind wir der festen Überzeugung, dass die weitreichenden Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht im Verhältnis zu dem angestrebten Nutzen der Datensammlung stehen und mithin nicht gerechtfertigt sind. Dies ist nicht nur unsere Position, sondern auch die Position der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich bereits gegen das erste Abkommen der EU mit den USA, das unter rot-grüner Regierungszeit geschlossen wurde und über keine nennenswerten Datenschutzvorkehrungen verfügte, gewandt (Drs. 15/3120).

Der Richtlinienvorschlag der Kommission über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (KOM(2011) 32) sieht sich großer Kritik ausgesetzt. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die darin vorgeschlagenen Regelungen mit dem europäischen Grundrecht auf Datenschutz (Art. 8 Grundrechtecharta) vereinbar sind. Eine deutsche Umsetzung der Richtlinie müsste sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung messen lassen. Insbesondere im Hinblick auf die in der Richtlinie geforderte zentrale Speicherung der Daten in den Mitgliedstaaten, die lange Speicherdauer von insgesamt fünf Jahren und den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Ausnahmecharakter einer Vorratsdatenspeicherung bestehen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Wir begrüßen, dass die Bundesjustizministerin gegen den Richtlinienvorschlag der Kommission gewandt hat und dass auch der Bundesrat einen kritischen Beschluss gefasst hat. Wir erinnern daran, dass die FDP in der Koalitionsvereinbarung eingebracht hat, dass im Falle eines solchen Vorschlags eine Ausweitung auf innereuropäische Flüge abgelehnt wird und wir begrüßen, dass der Bundesinnenminister dem auf europäischer Ebene bereits gefolgt ist. Den Bundesinnenminister fordern wir auf, bei den Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission im Rat auf eine breite Ablehnung des Richtlinienvorschlags hinzuwirken und für den Fall, dass eine mehrheitliche Ablehnung nicht erreichbar ist, sich für höchste Datenschutzstandards, besonders im Hinblick auf die Speicherdauer, die zentrale Datenspeicherung, die Zugriffsmöglichkeiten auf die Fluggastdaten sowie die Beschränkung auf den Luftverkehr einzusetzen."

Die FDP steht nicht nur bei den Fluggastdaten für eine bürgerrechtsorientierte Innen- und Rechtspolitik. Wir setzen uns seit jeher für eine ausgewogene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ein. Wir haben die Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu Lasten der Freiheit schon zu Zeiten von Rot-Grün und Schwarz-Rot abgelehnt und sind in unserer Position oft durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. In den vergangenen vier Jahren haben wir den Richtungswechsel eingeläutet: Wir haben erstmals seit Jahrzehnten keine neuen Sicherheitsgesetze eingeführt, haben die bestehenden überprüft, entschärft und teilweise mit höheren rechtsstaatlichen Hürden versehen. Wir haben Internetsperren abgeschafft und stattdessen das Prinzip „Löschen statt Sperren“ für Internetseiten mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern eingeführt. ELENA, die zentrale Datenbank für Arbeits- und Sozialdaten aller Beschäftigten, haben wir abgeschafft und die gespeicherten Daten gelöscht. Nicht zuletzt haben wir die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung verhindert.

In der nächsten Wahlperiode wollen wir diesen Kurs fortsetzen: Wir sind weiter gegen die Vorratsdatenspeicherung und andere anlasslose Datensammlungen, ebenso gegen die heimliche Online-Durchsuchung. Wir setzen uns ein für die strikte Einhaltung des Trennungsgebots zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, hohe Hürden für Telekommunikationsüberwachung und die Überprüfung der bestehenden rechtsstaatlichen Sicherungsmechanismen für einen besseren Grundrechtsschutz. Ebenso für klare gesetzliche Eingrenzungen der sogenannten Funkzellenabfragen, einen besseren Schutz von Berufsgeheimnisträgern, die Begrenzung der Befugnisse zur Abfrage von Bankkontostammdaten, eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste sowie gegen neue Befugnisse wie den Spähangriff.

Ich würde mich freuen, wenn Sie uns auf diesem Weg unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

Nicole Bracht-Bendt