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Nezahat Baradari
SPD
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Frage von Jürgen K. •

Frage an Nezahat Baradari von Jürgen K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Baradari,

laut §5 Arbeitsstättenverodnung (https://www.gesetze-im-internet.de/arbst_ttv_2004/__5.html)
habe ich im Prinzip einen Anspruch auf Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz.
Jedoch müssen unsere Büroräume wegen der sommerlichen Hitze und zum Schutz vor Covid-19 gelüftet werden. Da unterhalb der Bürofenster geraucht wird (ohne das mein Arbeitgeber dort Hausrecht hätte oder gar
weisungsbefugt wäre), ist mein Arbeitsplatz doch nicht rauchfrei!
Für private Wohnungen sind ähnliche Klagen zu hören.

Da Zigarettenrauch auch im Verdacht steht die Ausbreitung von
Covid-19 zu begünstigen, wurde das Rauchen in Südafrika und Spanien ganz bzw. teilweise verboten, siehe
https://www.morgenpost.de/vermischtes/article230166904/Corona-Rauchverbote-in-Spanien-Das-Virus-qualmt-mit.html?fbclid=IwAR0IxaJw06mWUk2uxp1Rj4wcWv7m6jjrzXUnL_F2fXBVy1rMdhdD3kLVVnY

Laut https://de.wikipedia.org/wiki/Passivrauchen sterben in
Deutschland jährlich ca. 3300 Menschen an den Folgen des
Passivrauchens.
Bei der Debatte des Tabakwerbeverbotes [Plenarprotokoll 19/170 Top 17]
wurde dies zwar zur Kenntnis genommen; ein wirksamerer
Nichtraucherschutz wurde von einigen Rednern abgelehnt.
Ich habe den Eindruck, dass der aktuelle Bundestag die Auffassung der Raucher teilt, wonach es durch die Grundrechte der Raucher zulässig sein muss, die Gesundheit anderer Menschen durch langsam wirkende Gifte zu schädigen.

Können Sie bitte eine Wahlempfehlung geben, für die Menschen die bei der nächsten Bundestagswahl eine Partei wählen wollen, die sich für wirksamen Nichtraucherschutz einsetzt (und nicht gleichzeitig durch Cannabislegalisierung auch das Gegenteil will)?

Falls dies mit der aktuellen Repräsentativen-Demokratie nicht möglich sein sollte, welche Möglichkeiten sehen Sie zur Stärkung direkter Demokratie auf Bundesebene?

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kosel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kosel,

vielen Dank für Ihre Anfrage, auf die ich sehr gerne antworte.

Zunächst möchte ich Ihnen einen Überblick über die aktuelle Situation und Rechtslage geben: Der Nichtraucherschutz wird in weiten Teilen durch die Bundesländer geregelt. So sind diese verantwortlich für Gesetzgebungen in Bereichen der Gaststätten, Schulen, Spielplätze, Kultureinrichtungen oder Krankenhäusern. Der Bund hingegen regelt Nichtraucherschutz in den Bereichen des öffentlichen Verkehrs, am Arbeitsplatz sowie in Bundesbehörden. Zudem befasst sich der Bund mit Fragen des Jugendschutzes.

In all diesen Teilbereichen ist in den letzten 15 Jahren viel passiert: Seit 2007 gilt in allen Personenbahnhöfen der öffentlichen Eisenbahnen und in allen öffentlichen Verkehrsmitteln (Flugzeug, Bahn, Bus, Straßenbahn, Taxi usw.) ein gesetzliches Rauchverbot. Ebenfalls seit 2007 ist das Rauchen in sämtlichen Einrichtungen des Bundes untersagt. Im Bereich des Jugendschutzes wurde das Mindestalter zum Erwerb von Zigaretten von 16 auf 18 Jahre angehoben. Ebenso schrecken bebilderte Warnhinweise auf Zigarettenpackungen Jugendliche ab und weisen auf die Gefahren des Rauchens hin. Den Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz soll die Arbeitsstättenverordnung sicherstellen. Wie Sie bereits erwähnen, sind Arbeitgeber verpflichtet, den Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Der Arbeitgeber hat demnach die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Zuletzt haben wir im Juli dieses Jahres die Werbebeschränkungen für Tabakerzeugnisse weiter verschärft: Tabakwerbung darf nur noch bei Filmen ohne Jugendfreigabe geschaltet werden, Außenwerbung, wie beispielsweise auf großen Plakatwänden, wird verboten und die Ausgabe sogenannter „Gratisproben“ ist ab 2021 nicht mehr erlaubt.

Für mich als praktizierende Kinder- und Jugendärztin ist dies ein wichtiger Schritt, denn: Wir müssen so viele Kinder und Jugendliche wie möglich vor den Gefahren einer Nikotinsucht schützen. Vor allem die Lunge von Kindern ist sehr empfindlich. Beispielsweise kann Passivrauchen die Lungenentwicklung hemmen und damit die Lungenfunktion einschränken.

Die aktuellen Regelungen zum Nichtraucherschutz und zur Raucherprävention genügen meiner Meinung nach noch nicht – auch nach dem jüngst verabschiedeten Tabakwerbeverbot. Immer noch liegt die Rauchquote in der Bundesrepublik bei 25 Prozent. In Deutschland rauchen weit mehr Menschen als in vielen unserer Europäischen Nachbarländer (z.B. Schweden: 7%, Großbritannien 17%). Weitergehende Maßnahmen, die Kinder und Jugendliche noch besser schützen und die Nichtrauchenden vor den Gefahren des Tabakrauches bewahren sind daher zwingend erforderlich. Denkbar wäre beispielsweise, wie von vielen Gesundheitsexpertinnen und Gesundheitsexperten gefordert, ein Rauchverbot auf verschiedenen öffentlichen Plätzen. Hier müssen wir die Kommunen unterstützen, entsprechende Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Gleiches gilt für ein Rauchverbot auf Spielplätzen, welches noch immer nicht in allen Bundesländern gilt.

Für mich ist daher klar: Sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene müssen in den kommenden Jahren weitere Maßnahmen ergriffen werden, um Nichtraucherschutz und Prävention deutlich zu verbessern.

Mit freundlichen Grüßen

Nezahat Baradari MdB

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