Frage an Natascha Kohnen von Hasko H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Kohnen
als Landtagsabgeordnete meines Wahrkreises möchte ich Ihnen eine Frage zum Schulsystem stellen:
Das so genannte Zentralabitur hat ja in Bayern eine lange Tradition. Ziel ist meines Wissens unter Anderem, für die Bewertung der Leistungen der Abiturienten eine faire, vergleichbare Basis zu schaffen.
Meine beiden Kinder gehen an meinem Wohnort in ein öffentliches Gymnasium, mit dem wir im Allgemeinen recht zufrieden sind. Allerdings fällt mir auf, dass in einem erstaunlichen Umfang Schulstunden ganz ausfallen, dass oft fachfremder Vertretungsunterricht stattfindet oder dass Refrendare ohne Betreuung durch einen qualifizierten Fachlehrer monatelang -- selten aber ein ganzes Schuljahr -- unterrichtet werden.
Freunde und Bekannte versichern mir, dass die Zustände an anderen öffentlichen Gymnasien nicht besser, oft sogar schlechter sind. Es scheint sich also um ein verbreitetes Phänomen im öffentlichen Schulwesen zu handeln.
Läuft diese Praxis nicht dem Ziel der Vergleichbarkeit der Abiturleistungen zuwider? Wie soll ein Schüler, der möglicherweise 10% des geplanten Unterrichts gar nicht erhalten hat, die gleichen Noten erzielen, wie ein Schüler, dessen Unterrichtsstunden nur zu 5% ausgefallen sind? Oder zu 15%?
Für mich wird hier die Idee des Zentralabiturs ad absurdum geführt. Um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, muss geplanter Unterricht auch stattfinden. (Abgesehen von der Frage der Gerechtigkeit beim Zentralabitur ist die Frage natürlich vor Allem für die Zukunft des Landes von zentraler Bedeutung.)
Darf ich fragen, wie Sie dazu stehen?
Mit freundlichen Grüßen
Hasko Heinecke
Sehr geehrter Herr Heinecke,
ich stimme Ihnen zu.
Das Thema Lehrermangel ist eines der zentralen Probleme in der Praxis unserer Bildungslandschaft.
Wir haben bei den Schülern große Zuwachsraten an Gymnasien, Real- und Fachoberschulen. Allein an den Gymnasien stieg bis dato im Vergleich zum Schuljahr 2000/2001 die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Bayern um 60.000.
Unsere Fraktion ist der Meinung, dass der Lehrerberuf attraktiver gestaltet werden muss - im Sinne von besseren Rahmenbedingungen für ein qualitativ hochwertiges Arbeiten mit den Schülerinnen und Schülern. Nur auf diesem Wege werden sich mehr junge Menschen für einen Lehrberuf entscheiden.
Im Bericht des Wissenschaftlich-Technischen Beirats der Staatsregierung „Schule und Bildung“ werden bei der Lehrerausbildung in Bayern Defizite festgestellt, deren „Nicht-Beachtung in der Zukunft die relativ starke Stellung des Bayerischen Schulsystems gefährden würde.“
Die SPD-Landtagsfraktion hat aus diesen Gründen einen eigenen Gesetzesentwurf zur Änderung der Bayerischen Lehrerbildung in den Landtag eingebracht.
600 Lehrerinnen und Lehrer haben sich in Bayern nach Abschluss ihres Referendariats zum 1. Februar um die Einstellung am Gymnasium beworben. Nur die Hälfte wird voraussichtlich eine Anstellung bekommen. Nach Protesten haben zudem 100 Referendare befristete Verträge bekommen. Die anderen 200 Referendarinnen und Referendare gehen leer aus, obwohl sie gebraucht würden.
Die reformierte Oberstufe im G8 bringt derzeit ein großes Zusatzpaket an Problemen mit sich. Die Rahmenbedingungen sind völlig unzureichend. Es fehlen Lehrer/innen an allen Ecken und Enden. Die Kursgrößen sind deutlich zu groß, für individuelle Förderung fehlen Personal und Raum an allen Schulen.
Ich sehe das Ziel eines qualitativ hochwertigen Bildungssystems - so wie es nach dem PISA-Debakel mit Blick auf die skandinavischen Staaten gefordert wurde - derzeit in weiter Ferne.
Politik muss Prioritäten setzen. Als bayerische Landtagsabgeordnete spreche ich in Bezug auf Bayern: Ich sehe derzeit nicht die Prioritätensetzung von Mitteln zugunsten unseres Bildungssystems, so wie es für dieses zentrale Zukunftsfeld angebracht wäre.
Falls sie an Experten-Aussagen zum konkreten Lehrerbedarf in Bayern interessiert sind, lasse ich Ihnen diese gerne zukommen.
Mit besten Grüßen
Natascha Kohnen