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Nadja Weippert
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martin H. •

Frage an Nadja Weippert von Martin H. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Weippert,

was würde Ihr Partei bei Regierungsbeteiligung gegen den sich in Deutschland ausbreitenden radikalen Salafismus unternehmen?
Wie würden Sie erreichen wollen, dass Großveranstaltungen wieder ohne Betonbarrieren und schwer bewaffnete Polizisten durchgeführt werden können?
Mit welchen konkreten juristischen Mitteln wollen Sie heimkehrenden IS-Anhängern aus Syrien und unter den Kriegsflüchtlingen befindliche IS-Anhänger ausfindig machen und die Bevölkerung vor diesen Menschen schützen?
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-08/masoud-aqil-islamischer-staat-gefangenschaft-terroristen-buch

Im Voraus vielen Dank für Ihre Antworten

Mit freundlichem Gruß
M. H.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr H.,

zunächst sei gesagt, dass die Religionsfreiheit als fester Bestandteil unseres Grundgesetzes im Artikel 4 verankert ist. Sicherlich konnten die Väter des Grundgesetzes damals noch nicht erahnen, welche religiösen Strömungen sich in der Zukunft hierauf berufen würden.
Vielmehr hatte man die Ausübung gewaltfreier Religionen im Blick, die es vor staatlichen Repressalien zu schützen gilt.

Für Anhängerinnen und Anhänger aller Religionen und Weltanschauungen in Deutschland gilt aber:

Ihre Freiheit findet dort ihre Schranken, wo Grundrechte Anderer berührt oder eingeschränkt werden. Von allen Religionsgemeinschaften erwarten wir die Akzeptanz der Religionsfreiheit und der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, keine Toleranz von Antisemitismus, Rassismus und Homophobie, Achtung der demokratischen Willensbildungsprozesse und Entscheidungen sowie allen voran die Beachtung der Rechtsordnung.

Auch in Deutschland entfalten leider fundamentalistische Strömungen wie der Salafismus ihre Anziehungskraft. Entgegen der breiten Aufmerksamkeit, der diesen Gruppierungen zukommt, handelt es sich um eine winzige Minderheit selbst unter den Musliminnen und Muslimen: Nach Angaben des Verfassungsschutzes sind salafistischen und islamistischen Gruppierungen nur etwa 1 % aller Menschen muslimischen Glaubens zuzurechnen – und nur eine Minderheit unter diesen ist gewaltbereit. Diese Zahlen machen deutlich: Ein Pauschalverdacht gegen „den Islam“ ist unangebracht und auch gefährlich, weil er die Erzählung salafistischer Gruppen nährt, der deutsche Staat handle feindlich gegenüber dem Islam. Wir müssen als Gesellschaft lernen, über Probleme und Fehlentwicklungen zu reden, ohne ganze Gruppen pauschal als Sündenböcke zu verurteilen.

Aber eines ist ganz klar:
Selbstverständlich muss der Gefahr islamistischer Anschläge mit allen Mitteln der rechtsstaatlichen Präventions- und Sicherheitspolitik entschieden begegnet werden. Wir müssen alles unternehmen, damit junge Menschen nicht in menschenverachtende totalitäre Ideologien abgleiten.

Der Gefahr islamistischer Anschläge muss mit einer Sicherheitspolitik begegnet werden, die aktiv Terroristen bekämpft und mit rechtsstaatlicher Präventionspolitik verhindert, dass sich diesen radikalen Gruppierungen weitere Menschen anschließen.

Bestrebungen von salafistischer und islamistischer Seite, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährden, stellen wir uns entschieden entgegen!

Die Geltung des Grundgesetzes und demokratischer Verfahren können in keiner Weise zur Disposition stehen und werden auch von den allermeisten Muslimen in Deutschland nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil: sie erleben Deutschland als ein Land, in dem sie ihren Glauben unbeschadet von staatlicher Bevormundung frei und selbstbestimmt leben dürfen. Anders als das vielen von ihnen in ihren ehemaligen Heimatländern möglich war und ist.

Ihre Frage bezüglich der Großveranstaltungen ohne Betonbarrieren ist da schon wesentlich schwieriger zu beantworten. Es wäre selbstverständlich wünschenswert, dass wir wieder unbeschwert Großveranstaltungen ohne Polizeischutz und Barrieren besuchen können. Aber wer garantiert uns, dass nicht etwa ein psychisch oder physisch kranker deutscher Staatsbürger ohne salafistischen bzw. Migrations- Hintergrund mit seinem PKW Menschen tötet (wie gerade am 23.08.2017 im saarländischen Saarwellingen passiert; siehe hierzu http://www.berliner-zeitung.de/panorama/medizinischer-notfall-schwerer-unfall-auf-geschaeftsstrasse---ein-toter--sechs-verletzte-28217256 ) - oder bewaffnet Amok läuft? Niemand. Ein Restrisiko - unser aller Lebensrisiko - bleibt bestehen.
Genauso sieht es leider auch in Bezug auf die Gefahr eines terroristischen Anschlages aus.

Um unsere Bevölkerung aktiv dagegen zu schützen, sind die ersten Schritte einer verstärkten Kontrolle (wie z. B. das Auslesen von Handydaten zur Feststellung der tatsächlichen Identität der Asylbegehrenden, das Abnehmen von Fingerabdrücken sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit der Länder hinsichtlich der Erfassung von Geflüchteten zur Vermeidung von Mehrfachidentitäten) bereits auf den Weg gebracht.

Aus meiner Sicht muss man aber natürlich genau hinschauen, wer ist Geflüchteter und wer ist möglicherweise IS- Sympathisant. Ein Pauschalverdacht ist auch hier nicht angebracht. Sofern sich aber konkrete Verdachtsmomente hinsichtlich der Zugehörigkeit einer terroristischen Vereinigung ergeben, hilft nur das sofortige rechtsstaatliche Eingreifen. Die Abschiebung von Gefährdern ist dann die letzte logische Konsequenz.

Gerade diesbezüglich hat die Bundesregierung es aber seit Jahrzehnten versäumt, Rückführungsvereinbarungen mit Staaten w. z.B. Libanon, Marokko etc. zu vereinbaren. Schon Anfang bzw. Mitte der neunziger Jahre erreichte uns eine große Flüchtlingswelle. Damals stand der Terrorismus allerdings nicht so sehr im Fokus. Dennoch konnten kriminell gewordene Flüchtlinge aufgrund mangelnder Abkommen nicht in ihre Heimatstaaten zurückgeführt werden.
Auch auf dieser internationalen politischen Ebene besteht daher weiterer Handlungsbedarf. Genauso wie im Übrigen in der personellen Aufstockung unserer Polizei.

Sollten Sie noch weitere Fragen und/ oder Anregungen zu diesem Thema oder anderen Themen haben, erreichen Sie mich auch persönlich unter meiner Emailadresse „ kontakt@nadja-weippert.de “.

Mit freundlichen Grüßen

Nadja Weippert

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