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Nadja Sthamer
SPD
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Frage von Reinhard G. •

Seit Anfang Januar stiegen in vielen Ländern Europas die Zahl der Corona-Neuinfektionen steil an und fielen dann wieder ab. Spricht das nicht gegen weitere Maßnahmen und gegen eine Impfpflicht?

Sehr geehrte Frau Sthamer,

oftmals stiegen in Ländern mit niedrigen Impfquoten die Zahl der Neuinfektionen nicht so hoch an, bevor sie dann wieder deutlich abfielen. Das war unter anderem in mehreren osteuropäischen Ländern der Fall. (Corona in Zahlen.de) Eine hohe Zahl an Neuinfektionen gab es aber, trotz vieler Kontaktbeschränkungen, in Portugal und Israel.

Wenn sich immer mehr Menschen natürlich immunisieren und so eine „Herdenimmunität“ entsteht, sind wir dann nicht auch für den Herbst gerüstet? Kann sich den nicht nur so eine „Endemie“ entwickeln?

In Österreich wurde die Impfpflicht aus verfassungsrechtlichen Gründen aufgehoben. Ist nicht auch das Grund genug, keine Impfpflicht zu beschließen?

Das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit wurde als Antwort auf die Diktatur der Nationalsozialisten ins Grundgesetz aufgenommen. Wenn weltweit dagegen verstoßen wird, mit der Begründung, der „Zweck heilige die Mittel“, sollten wir das Prinzip nicht besonders hoch halten?

MfG

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr G.

ich kann Ihnen versichern, die anstehende Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht wird eine der schwierigsten Entscheidungen sein, die ich als Abgeordnete treffen muss. Ich werde diese Entscheidung gewiss nicht leichtfertig treffen und insbesondere immer wieder ihre Verhältnismäßigkeit abwägen. 

So kann ich die Einwände gegen eine Impfpflicht gut verstehen. Doch sehe ich nach derzeitiger Lage ehrlich gesagt leider keinen Weg an einer Impfpflicht vorbei. Zwar steht fest, dass eine allgemeine Impfpflicht die derzeitige Welle, die wir jetzt aufgrund von Omikron haben, nicht mehr aufhalten kann. Damit wir im nächsten und den folgenden Wintern jedoch nicht wieder in der gleichen katastrophalen Lage wie jetzt stecken, ist eine 90 – 95-prozentige Impfquote in der erwachsenen Bevölkerung notwendig. Denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Virusmutationen kommen werden. Selbst wenn die Omikron-Mutation derzeit hoffnungsvoll stimmt, müssen wir beraten, ob nicht die nächste Mutation des Virus wieder deutlich gefährlicher für viele Menschen sein könnte. Das Coronavirus wird, auch wenn wir alle uns das sehr wünschen, nicht einfach wieder verschwinden. Das heißt, dass eine vollständige Impfung wahrscheinlich nötig ist, damit wir uns in Zukunft relativ gefahrlos infizieren und besonders vulnerable Personen schützen können. Denn die Impfung schützt zwar nicht unbedingt vor einer Infektion, aber sie bietet einen guten Schutz gegen eine schwere Erkrankung. 

Leider reicht die derzeitige Impfquote immer noch nicht aus. Um die Pandemie langfristig zu besiegen und weitere Infektionswellen zu vermeiden, müssen sich zeitnah deutlich mehr Menschen durch alle Altersgruppen hinweg impfen lassen. Von dieser individuellen Entscheidung zur Impfung ist nicht nur das eigene Wohl und die persönliche Gesundheit betroffen, sondern auch die Gesundheit und Freiheit anderer. Denn die Impfung schützt nicht nur uns selbst vor schweren Krankheitsverläufen mit Langzeitschäden, sondern ganz explizit auch andere – insbesondere vulnerable Gruppen. 

Meiner Meinung reicht daher auch eine Impfpflicht für nur vulnerable oder ältere Gruppen nicht aus, da diese meist nicht die Treiber der Pandemie sind. Wichtig ist es, die Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern. In den Krankenhäusern liegen aber weiterhin vor allem Ungeimpfte. 

Ich kann verstehen, wenn ich Ihre Zweifel und Bedenken mit meinem Schreiben nicht gänzlich ausräumen konnte. Dennoch hoffe ich, dass ich Ihnen die Hintergründe meiner Position verständlich näherbringen konnte. 

Ich wünsche Ihnen alles Gute! 

Mit freundlichen Grüßen

 

Nadja Sthamer

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