Frage an Nadine Schön von Oliver Z. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Schön,
Die parlamentarische Versammlung des Europarates fordert mit einstimmigem Beschluss von letzter Woche, Resolution 2079 (2015) vom 02.10.2015 ("Equality and shared parental responsibility: the role of fathers"), die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, die Gleichstellung aller Eltern ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes weiter voranzutreiben, aus bestehenden Gesetzen alle Regelungen zu entfernen, die Eltern aufgrund ihres Standes ungleich behandeln, Doppelresidenz in ihre Gesetze aufzunehmen, in Gerichtsverfahren auf Eltern dahingehend einzuwirken, dass ein Wechselmodell das beste Interesse des Kindes sei, ebenso in Gerichtsverfahren Mediationen nicht nur zu empfehlen, sondern auch tatsächlich zu veranlassen, mehr Mediatoren auszubilden und einzusetzen (dazu wird auch explizit auf das "Cochemer Modell" verwiesen), sowie weitere Maßnahmen zur Gleichstellung aller Väter zu treffen, wodurch ja letztlich auch eine Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern erreicht wird.
Dies habe ich gerade in der englischen Vorabversion gelesen und hoffentlich auch richtig verstanden.
Sehen Sie da Verbesserungsbedarf für die aktuelle Rechtslage in Deutschland?
MfG
Sehr geehrter Herr Zimmer,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Gerne nehme ich zu Ihren Fragen Stellung.
Es ist grundsätzlich wünschenswert, dass ein Kind nach Trennung der leiblichen Eltern Kontakt zu beiden hat und, wenn möglich, beide Eltern Erziehungsverantwortung übernehmen. Ich begrüße es auch, dass seit der Kindschaftsrechtsreform in den familiengerichtlichen Verfahren darauf hingewirkt wird, dass die Eltern miteinander im Interesse des Kindes kooperieren. Allerdings gibt es Elternverhältnisse, in denen eine dem Kindeswohl dienende Kooperation und Kommunikation nicht möglich ist. Fürsprecher des Wechselmodells sehen vor allem die positiven Effekte der gemeinsamen Fürsorge im Alltag auf das Kindeswohl, die die negativen Seiten eines Hin- und Her zwischen den Haushalten und einem nicht vorhandenen Lebensmittelpunkt überwiegen würden. Aufgrund des erhöhten Absprache- und Kooperationsbedarfs setzt ein Wechselmodell die Fähigkeit und den Willen der Eltern zur Kooperation voraus. Es ist üblicherweise dann dem Kindeswohl abträglich, wenn die Eltern dazu nicht in der Lage sind. Auch die Mehrheit der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung hält an dem Grundsatz fest, bei erheblichen Kommunikations- und Kooperationsdefiziten kein sog. Wechselmodell anzuordnen. Bevor der Gesetzgeber über eine Änderung der bestehenden Rechtslage nachdenkt, sollten zunächst die Ergebnisse der von der CDU/CSU in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD initiierten Studien abgewartet werden, die den Zusammenhang von Kindeswohl und Umgang bzw. Umgangsumfang untersuchen.
Zum „Cochemer Modell“: Das „Cochemer Modell“ ist ein bereits seit vielen Jahren regional funktionierendes Arbeitsmodell, das durch intensive Verhandlung zwischen den im Trennungs- und Scheidungsgeschehen beteiligten Personen unter Führung des zuständigen Familiengerichts und des Jugendamtes ein freiwilliges Zusammenarbeiten hin zu einer Lösung zum Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellt. Die fachliche Diskussion um das „Cochemer Modell“ wird allerdings nach wie vor kontrovers geführt. Es gibt insbesondere erhebliche Bedenken, ob die Vorzüge des Modells beispielsweise in größeren und vor allem städtischen Amtsgerichtsbezirken aufgrund einer anderen Ausgangslage zum Tragen kämen. Vor einer Einführung des Modells als neuen bundesweiten Standard müssten daher aus unserer Sicht zunächst weitere Folgeabschätzungen vorgenommen werden. Unabhängig davon setzt sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die außergerichtliche Streitbeilegung ein und will diese weiter fördern. Ein im Mediationsverfahren gefundener Kompromiss erhöht die Akzeptanz beider Elternteile deutlich und hilft teure und lange gerichtliche Verfahren zu vermeiden. Um die außergerichtliche Streitbeilegung weiter auszubauen, wollen wir die Einführung einer Mediationskostenhilfe prüfen.
Mit freundlichen Grüßen
Nadine Schön