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Monika Schaal
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Frage von Helena P. •

Frage an Monika Schaal von Helena P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr verehrte Frau Dr. Schaal,
erst im Januar 2013 erklärte das Hamburgische Verfassungsgericht die 3 %-Sperrklausel bei Bezirksversammlungswahlen für nichtig. Die Begründungen der Verfassungsgerichte bei Sperrklauseln sind immer dieselben: Verletzung der verfassungsgemäßen Grundrechte Wahlgleichheit und Chancengleichheit, demokratischer Grundpfeiler.
Das Hamburgische Verfassungsgericht führte aus, dass eine Sperrklausel nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie verhindere, dass die Funktionsfähigkeit eines Parlaments beeinträchtigt werde.
Trotz wiederholter Verfassungsurteile haben SPD, CDU und die Grünen in der Hamburger Bürgerschaft eine Änderung der Hamburgischen Verfassung verabredet, die eine 3 % Sperrklausel bei Bezirkswahlen einführen soll.
Die Bürgerschaft ist aber noch immer der Öffentlichkeit gegenüber eine ordentliche Rechtfertigung schuldig, was die Funktionsfähigkeit der Bezirksversammlungen ohne Sperrklausel beeinträchtigen würde und was nicht durch Globalrichtlinien und Fachanweisungen korrigiert werden könnte. Aus anderen deutschen Großstädten, die 6-7 Parteien in den Gemeindeparlamenten haben, sind solche Funktionsstörungen unbekannt.
Können Sie mir bitte konkret beschreiben, was in den Hamburger Bezirksversammlungen, die weniger Macht als andere Gemeindeparlamente haben, mit einiger Wahrscheinlichkeit eine solche Funktionsstörung herbeiführen würde, die mit den vorhandenen Mitteln nicht geregelt werden könnte, und die die Beschneidung der genannten Grundrechte rechtfertigen würde ?
Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Peltonen,
 
vielen Dank für Ihre Frage zur 3% Sperrklausel für die Wahlen zur Bezirksversammlung.
 
Die Diskussion um die Sperrklausel wurde bereits 2009  zwischen den Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linken  sowie der Volksinitiative  für ein faires Wahlrecht aufgenommen und im sog. Wahlrechtskonsens festgeschrieben, dem  die Bürgerschaft dann am 24.6.2009 gefolgt ist. Ziel war es,  eine Zersplitterung der sieben Hamburger zu vermeiden
 
Die Fraktionen von SPD, CDU und Grüne  haben sich auf eine Verankerung der 3 Prozent-Hürde für die Bezirksversammlungen (und der 5 Prozent-Hürde für die Hamburgische Bürgerschaft) in der Hamburger Verfassung verständigt und gemeinsam einen Gesetzentwurf in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht. Die Fraktionen haben damit auf ein  Urteil des Hamburger Verfassungsgerichts vom Januar letzen Jahres reagiert,  das eine  einfach gesetzliche Regelung verworfen hatte. 
 
Das Hamburgische Verfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung aber auf die Möglichkeit hingewiesen, entsprechende wahlrechtliche Vorgaben direkt in der Verfassung zu regeln. Davon haben SPD, CDU und Grünen mit ihrem gemeinsamen Antrag Gebrauch gemacht.
 
Bezirksversammlungen treffen wichtige Entscheidungen für die Gesamtstadt.  Sie fassen z.B. für den Wohnungsbau Bebauungspläne ab, regeln die Jungendarbeit oder die Unterbringung von Flüchtlingen, setzen den Ausbau von Sportanlagen in Gang oder kümmern sich um die Gestaltung und Pflege  öffentlicher Grünanlagen.  Bezirksversammlungen wählen jeweils den  Bezirksamtsleiter/Bezirksamtsleiterin. Für all das sind politische  Mehrheiten erforderlich, weil andernfalls Entscheidungsprozesse erheblich erschwert oder verzögert werden. Wählerinnen und Wähler dürfen  zu Recht erwarten, dass eine Bezirksversammlung ihren Aufgaben zügig nachkommt.
 
Politische Einigungsprozesse würden sich notgedrungen immer mehr in die Länge ziehen, wenn zahlreiche politische Gruppierungen oder Fraktionen mit wenigen Mitgliedern oder zahlreiche Einzelpersonen mit vielleicht 1 oder 2 Prozent der Stimmen in die Bezirksversammlung gewählt würden. Wenn der Senat dann wegen der Handlungsunfähigkeit von Bezirksversammlungen immer häufiger  Entscheidungen an sich ziehen müsste, um politischen Stillstand zu vermeiden, schwächt das die repräsentative Demokratie und löst Unmut aus.  Eine Evokation des Senats muss die Ausnahme bleiben.
 
Ich bin auch davon überzeugt, dass gerade in Hamburg die demokratischen Beteiligungsrechte und -möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger sehr gut  sind. „Mehr Demokratie“  hat das erst kürzlich bestätigt. Mit bezirklichen Bürgerentscheiden,  dem Volksabstimmungs- und mit dem Transparenzgesetz gibt es eine starke direkte Demokratie als Ergänzung zur parlamentarischen Demokratie.
 
Im Übrigen hat die Hamburgische Bürgerschaft am 27. November 2013 in öffentlicher Sitzung das Thema ausführlich debattiert (Vgl. dazu  Plenarprotokoll der 74. Sitzung der 20 WP, S.5555 ff). Zusätzlich hat der Verfassungsausschuss am 9. 12. 2013 ebenfalls in öffentlicher Sitzung eine Expertenanhörung zu dem Thema durchgeführt, ehe die Verfassungsänderung am 12.12.2013  in der Bürgerschaft  in zweiter Lesung endgültig verabschiedet wurde. Der interfraktionelle Antrag (Drs. 20/9961), der Bericht über die Sitzung des Verfassungsausschusses (Drs. 20/10226) und die Debatte in der Bürgerschaft am 27. 11. 2013 sind über die Parlamentsdokumentation öffentlich zugänglich. Deutlicher kann sich die hamburgerische Bürgerschaft nicht erklären. Die Entscheidung der Bürgerschaft ist also transparent und wohl begründet gefasst worden.
 
Mit freundlichen  Grüssen
Monika Schaal