Frage an Monika Schaal von Werner H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Schaal,
am 18. April 2012 stimmt die Bürgerschaft über die Beteiligung der Stadt Hamburg an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme in Höhe von 25,1 Prozent ab. Im Vorfeld wurden Experten angehört und Gutachten erstellt. Nicht wenige Experten und Gutachter raten von der geplanten Beteiligung ab. Vor diesem Hintergrund habe ich einige Fragen an Sie.
1. Der Kaufpreis wird als überhöht und nicht korrekt ermittelt angesehen. Was sagen Sie dazu?
2. Die Rückzahlung des notwendigen Kredits würde viele Jahrzehnte dauern. Aus der Drucksache 20/4929 geht nicht hervor, dass überhaupt eine Tilgung vorgesehen ist. Halten Sie das für ein solides Finanzierungsmodell?
3. Nach Abzug der Kosten (Zinsen und Bürgschaftsgebühr) bleibt von den Gewinnabführungen an die Stadt Hamburg kaum etwas übrig. Was halten Sie davon?
4. Die der Stadt Hamburg zu zahlende Garantiedividende ist sehr niedrig bemessen und kann zudem von den beteiligten Konzernen einseitig gekündigt werden. Halten Sie das für angemessen?
5. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Stadt Hamburg sind gering. Wie können unter solchen Voraussetzungen Ihrer Meinung nach die energiepolitischen Ziele Hamburgs erreicht werden?
6. E.ON Hanse und Vattenfall sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die sich weder am Gemeinwohl orientieren noch soziale Verantwortung übernehmen, sondern die Erzielung möglichst hoher Gewinne, auch zulasten der Bevölkerung, anstreben. Halten Sie es für richtig, mit solchen Unternehmen Partnerschaften einzugehen? Falls ja, warum?
7. Die angestrebte Beteiligung ignoriert die Forderung der Initiative „Unser Hamburg – Unser Netz“. Meinen Sie nicht, dass erst einmal das Ergebnis des anstehenden Volksentscheids über die Rücknahme der Energieversorgungsnetze in die öffentliche Hand abzuwarten ist?
Mit freundlichen Grüßen
Werner Horch
Sehr geehrter Herr Horch,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich so beantworte:
Zu1.
Der Kaufpreis eines Unternehmens kann sicher nie völlig objektiv ermittelt werden, weil Käufer und Verkäufer naturgemäß unterschiedliche Interessen haben.
Uns Abgeordneten ist im Ausschuss auch von den Vertretern der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PwC und BDO versichert worden, dass von den Unternehmen für die Kaufpreisermittlung alle Fakten und Unterlagen vorgelegt und zusätzliche Fragen beantwortet wurden. Unterlagen, die ich einsehen konnten, haben mir den Eindruckvermittelt, dass die Wirtschaftsprüfer durchaus kritisch an die Sache herangegangnen sind.
Zu2.
Für Zins und Tilgung sind die sog. Ausgleichszahlungen gedacht (Gantiedividende),
die dazu beiträgt, dass ein Zinsrisiko ausgeschlossen ist. Garantiedividende und Kaufpreis können ab 2018/2019 nachverhandelt werden, sodass die Stadt nicht in eine Zinsfalle laufen wird.
Auch eine 100prozentige Netzübernahme würde lt. Gutachten von Rödl &Partner kreditär finanziert und über 24 Jahre abgetragen werden, aber ohne dass dafür eine garantierte Ausgleichzahlung zur Verfügung stehen würde.
Zu 3.
Das ist so gewollt. Die sog. Ausgleichszahlungen sind unabhängig von Gewinnen und Verlusten der Unternehmen garantiert. Die eigentliche „politische“ Dividende
für die Stadt besteht in den zusätzlich vereinbarten energie- und klimawirksamen
Maßnahmen – angefangen vom hocheffizienten GuD-Kraftwerk für die Fernwärme bis hin zu Speichertechnologien. Sie sollen eine effiziente Nutzung der rasant wachsenden Erneuerbaren Energien ermöglichen und tragen daher wesentlich zum Gelungen der Energiewende bei. Der vollständige Katalog der Maßnahmen steht in Drs. 20/2392.
Zu 4.
Bei Strom und Gas liegt die sog Ausgleichzahlung (Garantiedividnede) gerade noch in dem Bereich, den der Leitfaden von Bundeskartellamt und –Netzagentur zulässt.
Bei Fernwärme liegt das zukünftige Betriebsrisiko aufgrund der rückläufigen Wärmenachfrage allein bei Vattenfall.
Außerdem hat auch die Stadt hat das Recht, bei Unstimmigkeiten im Zuge der Neubestimmung der Ausgleichszahlungen 2018/2019 die Verträge zu kündigen. In dem Falle einer Nichteinigung können die Verträge rückabgewickelt werden.
Zu 5.
In den paritätisch besetzen Aufsichtsräte (50% Arbeitgeber, 50% Arbeitnehmer) aller drei Netzunternehmen Unternehmen besetzt die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement – HGV – die Hälfte der Arbeitgeberbank. Die Mitbestimmungsrechte der HGV beziehen sich auf
Abschluss- und Veränderung von Unternehmensverträgen, Feststellung des Jahresabschlusses und der Gewinnverwendung, Zustimmung zu Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz, Erlass und Änderungen von Geschäftsordnungen – soweit darin Zustimmungserfordernisse aufgestellt oder geändert werden, Beschlussfassung über den Jährlichen Investitionsplan, die Wahl des Abschlussprüfers, die Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen. Außerdem bestehen Informations- und Prüfungsrechte hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung, der Entwicklung der Vermögens- und Ertragslage, der Liquidität und Rentabilität der Gesellschaft, über verlustbringende Geschäfte und die Ursachen von Verlusten sowie über Ursachen deines in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Jahresfehlbetrageshaben generell.
Aufsichtsräte haben nur begrenzten Einfluss auf das operative Geschäft. Sie haben vor allem eine Kontrollfunktion. Das gilt auch für die der Netzgesellschaften.
Weil die SPD sich nicht nur an den Netzgesellschaften beteiligen, sondern Energie- und Klimapolitik gestallten wollte, wurde mit den Konzernen zusätzlich eine Reihe von Zielen und Investitionen für Klimaschutz und Energiewende - u.a. für ein GuD-Kraftwerk für die Fernwärme und die Investition in Speichertechnologien für Erneuerbare Energien - von insgesamt 1,6 Mrd. Euro im „Energiekonzepts für Hamburg“ vereinbart, auf das die Konsortialverträge Bezug nehmen. Hinsichtlich der Investitionsplanungen gilt, dass diese zwischen den Partnern einvernehmlich beschlossen werden müssen. Die Stadt kann hier nicht allein entscheiden, aber ohne die Stadt kann auch der Mehrheitsgesellschafter keine Entscheidung treffen.
Zu 6.
Auf die Energiepreise hat die Stadt keinen Einfluss, weil sie nicht von den Netzgesellschaften, an denen die Stadt sich beteiligt, zu verantworten sind. Die Netzgebühren werden von der Bundesnetzagentur genehmigt und werden nach streng regulierten Vorgaben kalkuliert.
Im Übrigen bekennen sich die Partnerunternehmen zu den energie- und klimapolitischen Zielen der Hansestadt und haben sich verpflichtet, die Energie- und Klimapolitik der Stadt zu fördern.
Zu 7.
Die Initiative UHUN war beim Volksbegehren sehr erfolgreich. Die Ziele der Stadt und der Initiative sind ähnlich, die Wege dahin verschieden. Beim Volksentscheid stehen zwei Wege zum Erreichen der Energiewende hin zu einer klimafreundlichen Energieversorgung zu Wahl:
UHUN möchte das Ziel durch die komplette Übernahme der Netze realisieren. Senat und Bürgerschaft Senat wollen Energiewende und Klimaschutz mit einer strategischen Beteiligung und einer Vereinbarung über Investitionen in Höhe von 1,6 Mrd. EURO erreichen.
Am Ende entscheiden dann die Hamburgerinnen und Hamburger, welchen Weg sie gehen wollen, um die Energiewende in Hamburg umzusetzen. Die Verträge können bei einem Erfolg von UHUN sofort auf Null gestellt werden. Ein entsprechende Rückabwicklungrecht ist vorgesehen.
Mit freundlichen Grüssen
Monika Schaal