Frage an Monika Herz von Philipp W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Herz,
ich habe Ihren Kurs auf der Zivildienstschule Geretsried besuchen "müssen". Da wurde das Thema Grundeinkommen durchgenommen. Es ist ein Thema wo natürlich 2 Tage nicht reichen um es ausführlich zu diskutieren etc. Meine Frage an Sie:
Wie wird sich Ihrer Meinung nach das Grundeinkommen in Deutschland auswirken?
Das dieses funktioniert ist Fakt, das sieht man an dem Projekt in Namibia, Otjivero laut "Der Spiegel" vom 10.08.2009.
In diesem Dorf wirkte sich es positiv aus, Menschen eröffneten Geschäfte zb. Bäckerein, Zucht etc. Aber denken Sie nicht das es nur so gut läuft, weil es einfach so ist dass das Land nichts hat? Ich denke es liegt hauptsächlich an der Regierung das Afrika verschuldet ist und tausende von Menschen dort verhungern etc. Da ist so ein Grundeinkommen ein Geschenk Gottes im weitesten Sinne.
Doch wie wirkt es sich in Deutschland aus? Ein Land das zu den reichsten der Welt gehört? Wir haben alles was der Mensch braucht, sogar im Überfluss! Nehmen wir ein Beispiel, ein Deutscher Handwerker verdient 2500 € netto für 160-170h/ Monat. Jetzt bekommt er ca. 1200€ Grundeinkommen.
Ich denke, absolut jeder Deutsche wird sich denken das seine Arbeit nichts mehr wert sei. Denn der Arbeiter bekommt dann theoretisch NUR für seine 160-170h statt 2500€ netto nur 1300€!! Ich hoffe Sie verstehen?!
Nun, können Sie mir sagen wie die Politik dieses DENKEN den Deutschen ausreden könnte? Dies wird nicht möglich sein!
Die FDP z.b. ist gegen ein Grundeinkommen mit der Begründung:
"Wir wollen, dass diejenigen, die arbeiten, auch mehr haben als diejenigen, die nicht arbeiten. Arbeit muss sich lohnen, das gilt auch in der Sozialpolitik. Darum vertreten wir Liberale das Modell des Bürgergeldes mit fairen Zuverdienstmöglichkeiten. So werden Brücken ins Berufsleben gebaut."
Grundeinkommen = Unfair? Glaube dies trifft eher zu! In armen Ländern wäre es sinnvoll doch in Deutschland oder anderen reichen Ländern?
Freu mich auf Ihre Antwort!
Sehr geehrter Herr Wiedenmann,
was für eine Überraschung! Vielen Dank für Ihre differenzierte Frage. In Ländern wie Namibia ist die Einführung eines Grundeinkommens bedeutend "preisgünstiger" für die Gesellschaft als die Einführung eines so komplexen Sozialsystems wie wir es hier haben. Ich glaube, man muß das Thema in jedem Land unterschiedlich angehen. Vor vielen Jahren hab ich mal eine Theorie gehört, die besagt: maximale Industrialisierung d.h. maximale Fremdversorgung ist gleichbedeutend mit maximalem Grundeinkommen. Je "entwickelter" ein Land ist, desto höher das Grundeinkommen. Solche und ähnliche Fragen werden zur Zeit intensiv in den Kreisen der Befürworter des Grundeinkommens diskutiert. In Namibia ist ein geringes Grundeinkommen bereits sehr wohltuend für die Bevölkerung, die in den Genuß desselben kommt: die Kinder werden in die Schule geschickt, die Krimininalitätsrate geht zurück, die örtlichen Händler gewähren Kredite, die Menschen fühlen sich sicherer und wagen es, sich selbstständig zu machen... Die Regierung von Namibia ist eine andere Frage. Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, wie "gut" oder "schlecht" die Regierung in Namibia ist. Lt. Wikipedia sind 20 % der Bevölkerung mit Aids infiziert, es gibt drei große Sprachgruppen und zahlreiche Dialekte, zusätzlich zu den "Verkehrssprachen" Afrikaans und Deutsch ist Englisch die Amtsprache. Das Land wurde missioniert, Stammesführer haben den Boden verkauft, das Land ist eine Diamantenfundgrube und hat viel Uran. Der Handel mit Diamanten oder Uran hat nicht gerade einen guten Ruf. Es ist eigentlich ein sehr reiches Land. Aber es ist ein Billiglohn-Land mit hoher Arbeitslosenrate und kostenpflichtiger Bildung. Dass ein Grundeinkommen hier wie ein Segen Gottes wirkt, da stimme ich Ihnen gerne zu.
Ein Grundeinkommen in Deutschland ist anders. Sie nennen eine Summe von 1200. Wie kommen Sie zu dieser Zahl? Das bisher niedrigste "Angebot" für ein Grundeinkommen ist etwa 400, das höchste 1500. Die Gesellschaft sollte selbst über die Höhe des Grundeinkommens bestimmen, ich vermute, dass es sich etwa in der Mitte einpenden könnte. Auch das Nettoeinkommen eines Handwerkers mit 2500 scheint mir hoch gegriffen. Das ist doch eher der Bruttolohn und dazu ein überdurchschnittlicher, oder? Das Grundeinkommen ist ein Instrument der Freiheit. Wir können weniger arbeiten und so weitere Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze schaffen. Wenn wir genügsam leben, können wir auch noch eine Schulbildung nachholen, ein Studium oder auch frei forschen oder was immer. Der Anteil der unbezahlten Arbeit in Familie und im Sozialen liegt ja jetzt schon über dem Anteil der bezalten Arbeit. Diese Arbeit wurde bisher nie gewürdigt. Die "Nur"-Hausfrau und Mutter ist zum Beispiel einzigartig mit ihrem "Adelstitel". Mit Grundeinkommen kann man sich auch trauen, eine Familie zu gründen. Frauen und Kinder sind weniger abhängig. Jugendliche können sich schneller selbstständig machen, wenn sie wollen. Das sind nur einige Vorteile.
Ob man auch mit Grundeinkommen motiviert ist, seinem Leben durch Arbeit Sinn und Potentialentfaltung zu geben, muß jeder für sich selbst entscheiden. Wo das langfristig nicht der Fall ist, stimmt etwas tiefgründiges nicht - sowohl in der Einzelperson als auch in der Gesellschaft, dessen ´Spiegel der Einzelne ist. Wir definieren unseren Wert über unsere Arbeit. Ein Manager ist unserer Gesellschaft Millionen wert, ein Handwerker 2000, ein Kind nur 164. Das stimmt alles nicht wirklich. In meinen Augen sind Kinder und Jugendliche das wertvollste, was wir als Gesellschaft überhaupt hervorbringen. Mit einem Grundeinkommen sagen wir als Gesellschaft grundsätzlich: Jeder ist uns so wertvoll, dass er auf alle Fälle leben können soll. Bedingungslos. Das wäre ein weiterer, ein großer Schritt hin zur vollständigen Verwirklichung der Menschenrechte und damit auch des Grundgesetzes.
Ich erinnere mich, dass einer von euch Zivis nachdenklich sagte "... das Grundeinkommen, es scheint mir zu einfach...". Die Logik der Einfachheit ist leider auch irgendwie schwierig. Meine Devise lautet, wie gesagt: Ausprobieren! Schrittweise einführen! Vorher den Theorien gut zuhören - und den Menschen selbst. Wenn Leute wie ich sich für solche Ideen einsetzen, versuchen wir in das Denken der Menschen überhaupt hineinzukommen. Nur wenige haben bisher überhaupt vom Grundeinkommen gehört - geschweige denn sich intensiv damit auseinandergesetzt. Wenn die Idee sich langsam immer mehr ausbreitet - und die damit verbundenen Gedankengänge wie etwa "...dann ist meine Arbeit und damit ich selbst nicht mehr so viel wert..." genau überprüft werden, vielleicht findet dann die entscheidende Bewegung statt. Zuerst in den Köpfen und dann in der Realität.
Vielleicht erleben wir es noch!
Ein schönes Wochenende und viel Glück wünscht Ihnen
Monika Herz