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Frage von Ernst J. •

Frage an Monika Griefahn von Ernst J. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Griefahn,

Sie sind Mitglied des Kulturausschusses und als solches in besonderer Verantwortung für die Lösung der Probleme im Bereich der Bildung (Ausbildung) und der Kultur in unserem Land - sicher auch mit der entsprechenden Kompetenz. Deshalb haben mich die Mitglieder meines Vereins (Verein Deutsche Sprache) beauftragt, Sie um die Darstellung Ihrer Ansichten zu bitte. Dazu konkretisiere ich diesen Auftrag in sieben Fragen:

1. Welche Bedeutung hat für Sie die Pflege und Förderung der deutschen Sprache?
2. Sehen Sie auch die Notwendigkeit, dass Gesetze, Verordnungen, öffentliche Verlautbarungen und Benennungen (etwa von Straßen und Plätzen) in klarem, bürgernahem und allgemeinverständlichem Deutsch abgefasst bzw. veröffentlicht werden?
3. Wie stehen Sie zur Einrichtung des so genannten "Immersionsunterrichts" an staatlichen Schulen, bei dem Kinder von der 1. Klasse an in allen Fächern (bei einer Stunde Deutsch pro Tag) nur noch auf Englisch unterrichtet werden, wodurch ihnen die Welt des Wissen und des Handelns in der Schule praktisch nur noch in der Fremdsprache vermittelt wird?
4. Welche Bedeutung hat für Sie die Vermittlung und der Erwerb solider Deutschkenntnisse für die Integration von Zuwanderern und welche politischen Folgerungen ziehen Sie aus Ihrer Bewertung? Ist die gegenwärtige Situation für Sie zufriedenstellend?
5. Sehen Sie die Notwendigkeit einer Gegenwirkung gegen die zunehmende Reduzierung der deutschen Sprache im Bereich der Hochschulen und Universitäten?
6. Wie können Sie dafür sorgen, dass Deutsch im Rahmen der EU seiner Bedeutung gemäß (für die größte Sprachgemeinschaft in der EU ist Deutsch die Muttersprache) wenigsten gleichberechtigt neben Englisch und Französisch behandelt wird?
7. Wie stehen Sie zur Forderung der (nach repräsentativen Umfragen) etwa 70% der Bundesbürger, die deutsche Sprache als Landessprache im Grundgesetz zu verankern?

Ich grüße Sie freundlich
Ernst Jordan

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Jordan,

gern beantworte ich Ihre Fragen:

1. Welche Bedeutung hat für Sie die Pflege und Förderung der deutschen Sprache?

Aus meiner Sicht kommt der Pflege und Förderung der deutschen Sprache eine hohe Bedeutung zu. Die deutsche Sprache ist ein grundlegender Teil unserer Kultur und ermöglicht es uns, in einen kommunikativen Austausch miteinander zu treten, sowie gemeinsame Werte und Vorstellungen von unserer Gesellschaft zu teilen. Aus diesem Grund wird die deutsche Sprache, ihr Erhalt, ihre Pflege und ihre Vermittlung von Bund, Ländern und Kommunen umfangreich gefördert.

In der Enquete-Kommission “Kultur in Deutschland”, in der ich selbst mitgearbeitet habe, haben wir uns mit der Bedeutung der deutschen Sprache für die Kultur in Deutschland ausführlich befasst und dabei auch Herausforderungen festgestellt:

“Die deutsche Sprache ist die gemeinsame Grundlage für das Leben in Deutschland. Sie ist das prägende Element der deutschen Identität.“ „In einem Expertengespräch der Enquete-Kommission in der 15. Wahlperiode bestand Einigkeit darüber, dass innerhalb des deutschen Bildungswesens und der medialen schrumpfender Wortschatz und eine abnehmende Bereitschaft zu verzeichnen seien, die deutsche Sprache zu fördern, sie fortzuentwickeln und ihr die ihr zukommende Bedeutung beizumessen.“ (siehe Abschlussbericht der Enquete-Kommission “Kultur in Deutschland”, S. 408, unter www.bundestag.de)

2. Sehen Sie auch die Notwendigkeit, dass Gesetze, Verordnungen, öffentliche Verlautbarungen und Benennungen (etwa von Straßen und Plätzen) in klarem, bürgernahem und allgemeinverständlichem Deutsch abgefasst bzw. veröffentlicht werden?

Ja, öffentliche Verlautbarungen von Bund, Ländern und Kommunen sollten in einem Deutsch abgefasst sein, das für alle Bürgerinnen und Bürger verständlich ist. In Ihrem Abschlussbericht verweist die Enquete-Kommission “Kultur in Deutschland” ebenfalls kritisch auf den zunehmenden Gebrauch von Anglizismen im öffentlichen Sprachgebrauch und der teilweise unverständlichen Verwendung der deutschen Sprache in Schreiben von Behörden, Gesetzestexten und Verordnungen. Den von der Enquete-Kommission formulierten Handlungsempfehlungen (s.o., S. 410) schließe ich mich ausdrücklich an:

“(…) Gesetzestexte, Verlautbarungen, eigene Werbekampagnen, Veröffentlichungen aller Art und die weitergehende Kommunikation in verständlicher deutscher Sprache abzufassen.“ und

„(…) eine durchgängige Verwendung der deutschen Sprache etwa in Beschilderungen, Leitsystemen, Beschriftungen in öffentlichen Gebäuden, Bahnhöfen und Flughäfen usw. zu gewährleisten. (…)

3. Wie stehen Sie zur Einrichtung des so genannten "Immersionsunterrichts"

an staatlichen Schulen, bei dem Kinder von der 1. Klasse an in allen Fächern (bei einer Stunde Deutsch pro Tag) nur noch auf Englisch unterrichtet werden, wodurch ihnen die Welt des Wissen und des Handelns in der Schule praktisch nur noch in der Fremdsprache vermittelt wird? Dieser Aspekt gehört direkt in den Bereich der Schulpolitik und fällt damit in die Zuständigkeit der Länder. Aus diesem Grund kann ich das aus bundespolitischer Sicht zwar nicht beantworten, möchte Ihnen als Mutter dreier Kinder, von denen zwei noch schulpflichtig sind, aber gern sagen, dass ich derartigen Initiativen eher skeptisch gegenüberstehe. So sehr ich es persönlich als wichtig erachte, dass junge Menschen Fremdsprachenkompetenzen erwerben, so sehr sehe ich allerdings auch die Notwendigkeit, dass Kinder in der Schule zunächst einwandfreies Deutsch erlernen und auch in Deutsch unterrichtet werden, obwohl ich das Lernen einer Fremdsprach ab der ersten Klasse befürworte.

4. Welche Bedeutung hat für Sie die Vermittlung und der Erwerb solider Deutschkenntnisse für die Integration von Zuwanderern und welche politischen Folgerungen ziehen Sie aus Ihrer Bewertung? Ist die gegenwärtige Situation für Sie zufriedenstellend?

Die deutsche Sprache besitzt als Mittel zur Integration in unsere deutsche Gesellschaft eine hohe Bedeutung. Anerkanntermaßen spielt die deutsche Sprache als eine wesentliche Ebene der gemeinsamen Verständigung einen bedeutende, integrative Rolle. Auch deshalb haben wir uns im Rahmen des Zuwanderungsgesetzes u.a. dafür eingesetzt, dass

- die frühkindliche Sprachförderung durch den Einsatz von bilingualen Erzieherinnen und Erziehern, durch Beratung der Eltern und durch Fortbildung von Erziehern und Mitarbeitern in allen Kindertageseinrichtungen gestärkt wird,

- auch die Sprache des Herkunftslands der Eltern gefördert wird und

- das Angebot an Sprach- und Integrationskurse bedarfsgerecht differenziert und ausgebaut wird und sich stärker an der Leistungsfähigkeit der Teilnehmenden orientiert.

Auf dieser Grundlage werden wird sich die SPD dieser Ziele einsetzen, damit Menschen mit verschiedener Herkunft in Deutschland eine gemeinsame Zukunft aufbauen können. Dazu ist der Spracherwerb die erste und wichtigste Voraussetzung und muss daher weiterhin intensiv gefördert und ausgebaut werden.

5. Sehen Sie die Notwendigkeit einer Gegenwirkung gegen die zunehmende Reduzierung der deutschen Sprache im Bereich der Hochschulen und Universitäten?

Ich bin der Ansicht, dass es in erster Linie der Wissenschaft selbst überlassen sein sollte, welche Sprache sie wählt, zumal auch dieser Bereich in erster Linie die Länder zuständig sind. Wissenschaft ist schon für sich genommen eine sehr universelle Sprache, die sich nur in einem internationalen Kontext fassen lässt. Begrenzende Regelungen beim Sprachgebrauch in einem nationalen Rahmen wären ohne jede Bindungswirkung für eine international agierende Wissenschaftsgemeinschaft und könnten geradezu hemmend wirken im Hinblick auf einen international offenen Wissenschaftsstandort Deutschland. Allerdings setze ich mich auch für Deutsch als Wissenschaftssprache ein, z.B. im Bereich Archäologie ein wichtiges Thema.

6. Wie können Sie dafür sorgen, dass Deutsch im Rahmen der EU seiner Bedeutung gemäß (für die größte Sprachgemeinschaft in der EU ist Deutsch die Muttersprache) wenigsten gleichberechtigt neben Englisch und Französisch behandelt wird?

In verschiedenen Zusammenhängen (zuletzt mit dem Antrag “EU-Übersetzungsstrategie überarbeiten – Nationalen Parlamenten die umfassende Mitwirkung in EU-Angelegenheiten ermöglichen”, Bundestags-Drucksache 16/9596, abrufbar unter www.bundestag.de) hat sich die SPD in der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag dafür eingesetzt, dass die deutsche Sprache als Arbeitssprache der Organe der EU gleichberechtigt neben Englisch und Französisch behandelt wird, wie dies im Sprachenregime der EU formal vorgesehen ist.

Bekanntermaßen ist die Umsetzung des Sprachenregimes ein Dauerthema, weswegen ich mich auch in Zukunft für die Stärkung der deutschen Sprache in den Institutionen der EU einsetzen werde, wozu im Übrigen auch eine stärkere Förderung von deutschsprachigen Beamten in der Kommission sowie eine stärkere kulturelle Präsenz in Brüssel gehören.

7. Wie stehen Sie zur Forderung der (nach repräsentativen Umfragen) etwa 70% der Bundesbürger, die deutsche Sprache als Landessprache im Grundgesetz zu verankern?

Ich spreche mich gegen die Verankerung von Deutsch als Landessprache im Grundgesetz aus. Im Unterschied zu CDU und CSU bin ich dafür, Kultur als Staatsziel im Grundgesetz aufzunehmen. Mit der Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz wird auch die deutsche Sprache als Kulturträger gefördert und geschützt.

Das ändert nichts daran, dass die deutsche Sprache eine wichtige Bedeutung für die gemeinsame Verständigung in unserem Land und dabei insbesondere für den Integrationsprozess besitzt. Diese wichtige Rolle kann nicht verordnet werden, die deutsche Sprache muss, wie jede andere Sprache auch, gelebt, gepflegt und benutzt werden.

Eine von Staats wegen verordnete Sprache entspricht nicht meinem Verständnis unseres demokratischen Verfassungsstaates und erst Recht nicht dem Geist unserer Verfassung. Der Staat kann lediglich darüber bestimmen, welches die Sprache des Amts- und Verwaltungshandelns ist. In Deutschland ist die Umgangssprache Teil der Privatsphäre und im Übrigen innerhalb dynamischer Entwicklungsprozesse auch immer Wandlungen unterworfen. Unabhängig davon lässt sich von einer entsprechenden Grundgesetzänderung keinerlei Bindungswirkung erwarten.

Mit den besten Grüßen
Monika Griefahn